40 Jahre Opferschutz - Weisser Ring im Kreis Unna

Reinhard Streibel setzt sich seit vier Jahren für den Opferschutz ein.
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Nach einer Straftat steht meist der Täter im Fokus. Die Opfer benötigen aber oft direkt Unterstützung, um das Erlebte zu verarbeiten. Über das Zuhören als ersten Schritt weit hinaus geht das Aufgabenfeld des „Weissen Ring“, der im Kreis Unna eine Außenstelle betreibt. Bis zur finanziellen Soforthilfe nach Geldraub und bei Bedarf auch bis zum Beistand in der Gerichtsverhandlung.

Als sie die Übergriffe ihres Partners nicht mehr ertragen konnte, zog Christa M. (Name v.d. Red. geändert) aus dem Kreis Unna nach Rheinland-Pfalz, um ein neues Leben zu beginnen. Doch die Vergangenheit ließ sie nicht los und als Zeugin vor dem Landgericht Dortmund wollte sie unter gar keinen Umständen allein auftreten. Sie fragte beim Weissen Ring an, ob eine Begleitung möglich sei und Mitarbeiter Reinhard Streibel saß vier Stunden während der Verhandlung bei ihr. „Sie war froh, dass einfach nur jemand dabei war“, erklärt er. Streibel engagiert sich seit vier Jahren im Weissen Ring, hat beim Opfertelefon direkte Erfahrungen gesammelt. Als ehrenamtlicher Richter sitzt er beiden Parteien häufig gegenüber.

Online-Beratung

Die Organisation zum Schutz der Opfer ist im Hintergrund tätig und hat mehrere Arbeitsfelder. Neu ist die Online-Beratung. Hier können Opfer innerhalb 48 Stunden mit einer Bearbeitung ihrer Anfrage per Mail rechnen. Die wohl wichtigste Säule sind die Außenstellen, die nicht hauptamtlich besetzt sind sondern von Ehrenamtlichen betrieben werden. Im Kreis Unna leitet Rechtsanwältin Silvana Weber aus Bergkamen die Beratung, gemeinsam mit Werner Streibel und fünf Mitarbeitern.

In 33 Fällen war der Weisse Ring im Kreis Unna in diesem Jahr bisher gefordert. Die betroffenen Opfer finden meist über die Polizei den Kontakt. Dort wird Unterstützung durch den Weissen Ring angeboten, der per Fax die wesentlichen Daten zu Tat und Person erhält. Ein Mitarbeiter nimmt dann Kontakt auf. „Ein Gespräch kann entweder im eigenen Umfeld oder einem Café oder anderen Räumen stattfinden“, so Streibel.

Manche Geschädigte rufen auch direkt an oder werden über das Opfertelefon vermittelt. Dann ist die Außenstelle bereits vorinformiert. „Denn ein mehrfacher Bericht über die Tat ist oft nicht zumutbar“, weiß Streibel. Eine Anzeige bei der Polizei ist nicht unbedingt Voraussetzung für das Tätigwerden des Weissen Ring.

Gerade bei Opfern häuslicher Gewalt, dem größten Anteil der Betroffenen, ist rasche Unterstützung wichtig, hier arbeitet der Weisse Ring auch mit Trauma-Ambulanzen in NRW zusammen. Bei Raubüberfällen und Einbrüchen etwa ist der psychische Schaden viel schwerwiegender als der materielle.

Cyberkriminalität

Manchmal geht der Weisse Ring auch unkonventionelle Wege bei der Opferhilfe. Im Falle der sexuellen Nötigung eines Mannes war angeraten worden, den Betroffenen aus dem örtlichen Umfeld heraus zu nehmen. Einen zweiwöchigen Aufenthalt auf Norderney finanzierte der Weisse Ring. Der erhält keine staatlichen Geldmittel, ist unabhängig und wird finanziert über Spenden, Erbschaften und die Widmung von Geldbußen von Gerichten.

Aus dem Topf können Opfer bei Bedarf mit Geld rechnen. Das kann Soforthilfe sein, etwa wenn kurz vor Monatsende die Geldbörse gestohlen wurde. Bis zur Obergrenze von 300 Euro hilft der Weisse Ring unbürokratisch. Geht der Hilfebedarf darüber hinaus, wird der Fall intensiv geprüft und zügig von der Geschäftsstelle in Mainz entschieden. Etwa im Falle einer Familie, der die Entlassung des gewalttätig gewordenen Ex-Mannes angekündigt wurde. „Worauf Frau und Kinder mit großer Angst reagierten“, erinnert sich Streibel. Und weil die nach einem Einbruchversuch nur notdürftig reparierte Wohnungstür einem wekiteren Versuch nicht standgehalten hätte, übernahm der Weisse Ring den Einbau einer Sicherheitstür.

Mit dem Boom sozialer Netzwerke muss sich der Weisse Ring weiteren Aufgaben stellen. Die Cyberkriminalität umschreibt die kriminelle Ausnutzung des Internet, etwa den Datenmissbrauch oder Verleumdungen, massive online-Belästigung, Mobbing usw. Auch für diesen Bereich sucht der Weisse Ring engagierte Helfer. Denn die Folgen nach Internet-Attacken stehen einem Raubüberfall oft kaum nach.

Info Weisser Ring

Vor 40 Jahren gründete Aktenzeichen XY-Moderator Eduard Zimmermann den Weissen Ring zum Schutz der Opfer von Gewaltverbechen. Der Einsatz von rd. 3.200 ehrenamtlichen Mitarbeitern in 420 Aussenstellen wird koordiniert von der Zentrale in Mainz mit 90 Hauptamtlichen. Finanziert wird der Opferschutz im Wesentlichen aus den Beiträgen der rund 50.000 Mitglieder sowie durch Spenden und Bußgelder. Die direkte Kontaktaufnahme erfolgt über das anonyme Opfertelefon (116 006, kostenfrei, tägl. 7 bis 22 Uhr), die Beratung vor Ort sowie die Online-Beratung. Leitung der Außenstelle Kreis Unna: Rechtsanwältin Silvana Weber, Tel. 02307/2611216.

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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