Fallmanagerin klagt gegen Jobcenter

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Die psychische Belastung in Jobcentern ist nicht nur für Erwerbslose groß. Die hausintern erwartete Frustrationstoleranz überfordert nicht selten auch etliche Jobcenter-Mitarbeiter weit über deren Belastbarkeit hinaus.

Jetzt hat eine Fallmanagerin des Jobcenters für den Kreis Osterholz gegen ihren Arbeitgeber geklagt, „weil sie sich um das Wohl ihrer Klienten sorgt“. Wie Eckhard Stengel für die Neue Osnabrücker Zeitung am 24.05.2016 berichtete, hatte die 35jährige wohl ernste Gewissensbisse und Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Dienstanweisungen.

Verantwortlich für die internen Dienstanweisungen der „ProArbeit kAöR“ ist
Landrat Bernd Lütjen, Telefon: +49 4791 930-210, Fax: +49 4791 930-11210, E-Mail: bernd.luetjen@landkreis-osterholz.de

Die Klage der seit Monaten krankgeschriebenen Jobcentermitarbeiterin vor dem Arbeitsgericht Verden (Aller) wurde zwar abgewiesen, allerdings wurde bei der Gelegenheit dokumentiert, dass das Jobcenter Kreis Osterholz tatsächlich Kunden per Serienbrief und ohne vorherige Anhörung in sogenannte Eingliederungsvereinbarungen (EGV) gedrängt hatte mit dem Vorsatz, die Kunden zu sanktionieren und damit um ihre rechtmäßigen Leistungen zu betrügen.

Arbeitsgericht lässt mangelnde Kenntnisse im Sozialrecht erkennen

Möglicherweise wäre das Arbeitsgericht zu einem anderen Urteil gekommen, wenn der vorsitzende Richter über ein wenig mehr Kenntnisse der Sozialrechtsprechung des Bundessozialgerichts gehabt hätte. Offensichtlich war die abgewiesene Klägerin hier deutlich besser informiert.

Die geschilderte Vorgehensweise der ProArbeit kAöR ist tatsächlich nicht rechtskonform und missachtet frech die ständige Rechtsprechung des BSG zum Thema Eingliederungsvereinbarungen. Diese Dienstvorschriften des Landrat Bernd Lütjen stellen offensichtlich eine Aufforderung zur Rechtsbeugung dar.

Die Kritik der Jobcenter-Mitarbeiterin und Klägerin ist durch die geltende Sozialrechtsprechung bestätigt.

Dienstanweisungen als Aufforderung zur Rechtsbeugung

„Ihre Klienten, meist Langzeitarbeitslose, sollten sich per Vordruck unter anderem zu fünf Bewerbungen pro Monat verpflichten, egal, ob sie überhaupt arbeitsfähig oder dauerhaft krank waren. Nur wer schriftlich Einwände erhob, bekam nachträglich die Chance auf eine individuell zugeschnittene Vereinbarung. Aber viele Klienten, so deutete die Klägerin an, seien von diesem Verfahren überfordert, allein schon wegen Sprachproblemen. Außerdem sollten sie unterschreiben, dass vorher ein Beratungsgespräch stattgefunden habe – was hier aber nicht stimmte.“
Neue Osnabrücker Zeitung

Die geschilderten Details lassen unschwer erkennen, dass das Recht in diesem Jobcenter serienmäßig missachtet wird. Möglicherweise wurden die Mitarbeiter aber auch vorsätzlich falsch geschult.

Sanktionen

Auch die Kritik an der Sanktionspraxis bei ProArbeit kAöR findet fundierte Rückendeckung in der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dazu kommen ernst zu nehmende Gewissensvorbehalte, die Hinweise sein könnten auf eine eigenständig mitdenkende und verantwortungsbewusste Persönlichkeit.

„Hätte die Klägerin gegen die Betroffenen Sanktionen verhängt, hätte sie die Menschen „bewusst in existenzielle Not gebracht“, meinte sie. „Ich kann doch nicht angewiesen werden, ganz klar gegen die Menschenwürde zu verstoßen.“

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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