Richter auf dem Prüfstand
Hartz IV-Sanktionen - Ist Justizia blind für die Lebenswirklichkeit?

Heute veröffentlicht das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zu der Sanktionspraxis der Jobcenter. 15 Jahre lang haben die Regierungen Schröder und Merkel von Jobcentermitarbeitern gefordert Erwerbslose durch Sanktionen gefügig zu machen.
Kritiker rügen seit Jahren die offene Missachtung mehrerer Grundrechte des Grundgesetzes, z.B.
Art 1 Menschenwürdegebot
Art 3 Gleichheitsgebot
Art 11 Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet
Art 12 Wahlfreiheit der Berufsausübung
Art 20 Sozialstaatsgebot

Und nur ein Sozialrichter hatte verfassungsrechtliche Bedenken?

Seit 15 Jahren beschäftigen sich mehrere Hundert Sozialrichter mit dem SGB II. Aber weder bei den Sozialgerichten, Landessozialgerichten noch dem Bundessozialgericht fand sich auch nur ein Verteidiger der Menschenwürde beim Thema Sanktionen. Erst im Mai 2015 hat eine Kammer des Sozialgerichtes Gotha mit Petermann als Vorsitzendem einen Vorlagebeschluss zum Bundesverfassungsgericht erlassen, in dem die Rechtsauffassung vertreten wird, die Sanktionsnormen §§ 31-31b SGB II seien mit dem Grundgesetz unvereinbar. Den ersten Anlauf wies das Bundesverfassungsgericht mit Hinweis auf Formfehler ab. Richter Petermann blieb hartnäckig und legte einen zweiten Entwurf vor.
Minderwertiges Recht (SGB II) darf nicht über höherwertigem Recht (GG) stehen.

Sparen an der Menschlichkeit

Man kann es Sparen nennen. Aber auch Gängeln, geißeln oder gefügig machen. Kürzungen unter das Existenzminimum sind eine offene Verachtung des Grundgesetzes.
Ein kritischer Vergleich mit dem berühmten Milgram-Experiment mit der Sanktionspraxis der Jobcenter kann einem schon ein Schaudern bescheren.

Rückerstattung am Beispiel der Brennelementesteuer

Eine Entschädigung der verfassungswidrig abgestraften Erwerbslosen ist eher nicht zu erwarten, wenngleich die Gerechtigkeit dies einfordert. In seiner Urteilsfindung steht also auch das Bundesverfassungsgericht selbst im Fokus.
Bereits in zwei Regelsatzentscheidungen 2010 und 2014 haben die Verfassungsrichter die Unantastbarkeit des Existenzminimums bestätigt, der Bundesregierung waren diese Entscheidungen in der Konsequenz überwiegend gleichgültig. Keine der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Nachbesserungen wurde vollumfänglich umgesetzt.
Die politischen Eintrübungen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind erkennbar.
Dass es – dem politischen Willen folgend – auch anders gehen kann zeigt die Presseerklärung zum Urteil (Az. 2 BvL 6/13) zu dem Kernbrennstoffsteuergesetz. Auch dies war mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Belastung für die Kunden, Erstattung an die börsendotierten Konzerne in Hohe von 6,2 Milliarden Euro.
Veröffentlicht 09:45 Uhr

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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