„Schatten-Sanktionen“ - Ungedeckte Unterkunftskosten

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„Die gravierendsten Bedarfsunterdeckungen im SGB II und SGB XII werden nicht durch Sanktionen oder Aufrechnungen von Darlehen verursacht. Nicht gedeckte Bedarfe der Unterkunft sind die mit Abstand häufigste Ursache dafür, dass viele Menschen nicht über das soziokulturelle Existenzminimum verfügen.“

In der jüngsten Ausgabe „sozialrecht justament“ - Rechtswissen für die existenzsichernde Sozialberatung vom Mai 2015 widmet sich Bernd Eckhardt dem Schwerpunktthema „Kosten der Unterkunft“.

Das Thema betrifft mehr oder weniger alle Sozialleistungsberechtigten, die

- aufgefordert wurden ihre Wohnkosten binnen 6 Monaten zu senken

- Mietanteile aus der eigenen Regelleistung aufbringen müssen

- Aufstocker, deren Mieten nicht voll in die Berechnung einfließen

- Personen, deren Umzugswunsch wegen der Miethöhe abgelehnt wurden,

- Personen denen die Übernahme der Umzugskosten verweigert wurde

- Betroffene, denen die Übernahme der Nebenkosten eingeschränkt wird

Ungedeckte Unterkunftskosten – die massenhafte Gefährdung des soziokulturellen Existenzminimums

Auf 24 Seiten skizziert Bernd Eckhardt die Schwachstellen bei der Ermittlung der Eckdaten. Seine Ausführungen zeigen außerdem anschaulich, dass man die Bestimmung der „Angemessenheit von Kosten der Unterkunft“ nicht auf eine einfache Formel zu reduzieren ist, ohne die Realitätsnähe zu verlieren.

In der Konsequenz für die Betroffenen bedeuten die starren (und oft gerichtlich nicht haltbaren) Vorgeben eine dauerhafte Unterschreitung des verfassungsmäßig zugestandenen Existenzminimums oder ein Ausweichen in sehr kleine und oft unzumutbare Wohnungen.

Keine schlüssigen Konzepte durch „Analyse und Konzepte“

Die Hamburger Firma „Analyse und Konzepte“ hat im Auftrag von Städten, Kreisen und Kommunen und eine Vielzahl von Expertisen erstellt, die fast alle zur Senkung der Wohnkosten geführt haben.

Einen kritischen Blick auf die sogenannten „schlüssige Konzepte“ hat Rechtsanwältin Monika Sehmsdorf zusammengefasst, und kommt zu dem Schluss:

Das Fazit dieser Überprüfungen liegt auf der Hand:
Wenn „Analyse und Konzepte“ ein Konzept zur Ermittlung der Unterkunftskosten erarbeitet hat, dann spricht sehr viel dafür, dass es nicht den Anforderungen an ein solches Konzept genügt, und zwar weil es schon bei der Datenerhebung, aber auch bei der Datenauswertung willkürlich und nicht nachprüfbar aufgestellt wurde.
Es kann nur empfohlen werden, gegen eine Absenkung von Unterkunftskosten auf der Basis dieses Konzeptes Widerspruch und Klage zu erheben. Das gilt auch, wenn bereits ein SG ein solches Konzept für schlüssig befunden hat. Denn in keinem solchen Fall sind die Rohdaten, auf denen das Konzept beruht, überprüft worden. Spätestens deren Analyse und ein Sachverständigengutachten müssen erweisen, daß die Konzepte willkürlich und unwissenschaftlich aufgestellt sind. Es ist also selbst in solchen Fällen an Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X zu denken. Mit den hier vorgegebenen Angriffspunkten müssen selbst die zurückhaltendsten Sozialgerichte wenigstens Prozesskostenhilfe für ein entsprechendes Verfahren bewilligen.
Das BSG hat übrigens in der zitierten Entscheidung den Gerichten als gangbaren Weg vorgeschlagen, in Fällen von unschlüssigen Konzepten die Jobcenter durch einstweilige Regelungen zur Zahlung der tatsächlichen Kosten für eine Übergangszeit zu verpflichten.

Keine Rechtssicherheit im Märkischen Kreis

Das Jobcenter Märkischer Kreis bezifferte den Höchststand der Bedarfsgemeinschaften mit 20.434 (Juni 2006). Seit der Einführung von Hartz IV im Januar 2005 wurden insgesamt 9.065 Mietsenkungsverfahren eingeleitet und die Betroffenen zur Reduzierung ihrer Mietkosten aufgefordert. Auch im Märkischen Kreis sind die Mehrzahl der Bedarfsgemeinschaften Single-Haushalte.

Mit der Gesetzesänderung der Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) zum 01.01.2010 entstand für Leistungsberechtigte ein höherer Rechtsanspruch auf Wohnkosten. Trotz ministerialer Weisung wurde nur ein Bruchteil der Leistungen von Amts wegen nachgeleistet.

Etliche Leistungsberechtigte waren gezwungen Ihre Ansprüche mit anwaltlicher Hilfe durchzusetzen. Dabei ging es für die Betroffenen immer um das Existenzminimum.

In einem Beispiel rechtwidrig vorenthaltener Kosten der Unterkunft musste das Jobcenter Märkischer Kreis 1862,40 € nachleisten. Trotz eindeutiger gesetzlicher Vorgaben hatte sich das JC geweigert zu zahlen. Aus Sicht des Geschädigten eindeutig Sozialleistungsbetrug - Rechtsbeugung durch die Sozialbehörde.
http://www.beispielklagen.de/klage063.html

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Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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