Vom Jobcenter Märkischer Kreis in drei Fällen „betrogen“

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„Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Schulte-Bräucker, die Entscheidung vom 08.08.2013 wird aufgehoben. Dem Widerspruch ist damit in vollem Umfang abgeholfen. Die Ihnen im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten werde ich auf Antrag erstatten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen werden.“
Im Auftrag, Jobcenter Märkischer Kreis, 19.01.2015

Hinter dieser unscheinbaren Formulierung steht ein weiteres Beispiel einer rechtswidrigen 100%-Sanktion, die nur durch kompetente anwaltliche Hilfe vor dem Sozialgericht in Dortmund demaskiert werden konnte.
Diese Existenzbedrohende Zwangsmaßnahme richtete sich diesmal gegen einen leistungsberechtigten Familienvater mit mehreren Kindern. In der Konsequenz handelt es sich also um „Sippenhaft“. Der Familie wurde für drei Monate das verfassungsrechtlich zu schützende Existenzminimum um je 345,00 € gekürzt. Insgesamt fehlten 1035,00 € in der Familienkasse.
Weitere rechtswidrig vorenthaltene 906,00 € waren den Klägern bereits in einem weiteren Prozess zugesprochen worden.

Aufhänger der hier konstruierten Sanktion war – wie so oft - eine nicht verstandene und achtlos, oder unter Zwang unterschriebene Eingliederungsvereinbarung.

Ein Auszug aus dem Sanktionsbescheid vom 08.08.2013 stellt fest:
„Mit Bescheid vom 8. Mai 2013 wurde festgelegt, dass Sie Ihre selbständigen Bemühungen zur Aufnahme einer Arbeit nachweisen müssen. Als Gegenstand dieser Eigenbemühungen wurden festgelegt: Sie unternehmen während der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung im Turnus von 1 Monat - beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung - immer für den Zeitraum vom 8. des Monats bis zum 7. des Folgemonats jeweils mindestens 2 eigene Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber immer bis zum 10. des Monats folgenden Nachweis vor: ausgefüllter Vordruck "Nachweis Ihrer Beschäftigungssuche". Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen.“

Unsinn! Alles rechtswidriger Bullshit!

Bereits in einem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Dortmund am 19.02.1014 hatte der vorsitzende Richter Dr. Walther dem Vertreter des Jobcenter Märkischer Kreis Nachhilfe erteilt:

„Hinsichtlich des Verfahren S 23 AS 1815/13 weist der Vorsitzende auf Folgendes hin:
Gemäß der Eingliederungsvereinbarung vom 01.10.2012 war der Kläger verpflichtet, mit Beginn der Unterzeichnung der Eingliederungsvereinbarung jeweils im 4-Wochen-Rhythmus zwei Bewerbungen zu schreiben und den entsprechenden Nachweis bis zum 15. des Folgemonats bei der Beklagten einzureichen. Bewerbungen mussten somit jeweils monatsbezogen erfolgen. Gemäß dem Sanktionsbescheid wird dem Kläger jedoch vorgeworfen, dass er in dem Zeitraum vom 16.11.2012 bis zum 15.12.2012 keine Bewerbungen unternommen hat bzw. die Bewerbungsbemühungen nicht nachgewiesen hat. Wenn der Kläger jedoch verpflichtet war, jeweils innerhalb eines Kalendermonats zwei Bewerbungen zu unternehmen, so kann er diese Anforderungen aus der Eingliederungsvereinbarung erfüllt haben und trotzdem in dem Zeitraum vom 16.11.2012 bis 15.12.2012 keine Bewerbungen unternommen haben. Es wäre möglich, dass er zwei Bewerbungen Anfang des Monats November 2012 geschrieben hat sowie weitere zwei Bewerbungen in der zweiten Monatshälfte des Dezember 2012.
Der Bevollmächtigte des Klägers überreicht zum Verfahren S 23 AS 1815/13 zwei Nachweise der Beschäftigungssuche durch den Kläger. Dieser werden zur Akte genommen. Den Beteiligten wird zugesichert, dass sie jeweils mit dem Sitzungsprotokoll eine Durchschrift des Nachweises erhalten.
Hinsichtlich des Verfahrens S 23 AS 1815/13 weist der Vorsitzende im Hinblick auf die übereichten Bewerbungsnachweise darauf hin, dass der vorrangige Zweck der Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung ist, dass der Kläger sich tatsächlich um Arbeitsstellen bewirbt. Der Nachweis gegenüber der Behörde dient lediglich dazu, die Befolgung dieser Bewerbungspflicht zu kontrollieren.
Hinsichtlich des Verfahrens S 23 AS 1815/13 erklärt die Bevollmächtigte der Beklagten:
„Ich erkenne die streitgegenständliche Forderung an und hebe den Sanktionsbescheid vom 15.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2013 auf.
Darüber hinaus erkenne ich die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach an,"
Laut diktiert, erneut vorgespielt und genehmigt.
Der Bevollmächtigte des Klägers erklärt:
„Ich nehme das Anerkenntnis in der Hauptsache sowie das Kostengrundanerkenntnis an."
Laut diktiert, erneut vorgespielt und genehmigt.
Sitzungsprotokoll

Nach der Aufhebung der rechtswidrigen 30%-Sanktion vom 15.01.2013, erfolgte nach weiterer 11monatiger Verschleppung endlich auch die Aufhebung der 100%-Sanktion.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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