"Ich denke, spreche und träume deutsch"

Collin Lynsdale
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1. Teil der neuen STADTSPIEGEL-Serie. Der STADTSPIEGEL hatte Briten, die zu ihrer Militärzeit in Iserlohn und Hemer stationiert waren und dann hiergeblieben sind, aufgerufen, sich zu melden und uns ihre Geschichte zu erzählen. Warum bleibt man weit fernab der Heimat? Was vermissen Sie hier? Was gefällt ihnen gut? Und: Wird die anstehende Traumhochzeit von Kate und William auch von Deutschland aus fleißig verfolgt?
Zahlreiche Briten haben sich daraufhin gemeldet. Was sie zu erzählen haben, lesen Sie hier:

Von Julia Steiner: Es wird DER Feiertag der Briten in diesem Jahr: Die Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton.
„Ich muss unbedingt meinen Vater daran erinnern, einen Souvenirteller der beiden für uns zu kaufen“, will Robert Gray fernab der Heimat ein Stück Geschichte in sein Zuhause in Iserlohns Stadtteil Sümmern holen.
So ergeht es vielen Briten, die mittlerweile Deutschland als ihre Heimat bezeichnen. Der STADTSPIEGEL hat Iserlohns Briten besucht und sich ihre ganz persönliche Geschichte über Leben und Liebe in Deutschland zwischen Leidenschaft und Patriotismus angehört.
Wenn der englische Thronfolger seiner Dauerfreundin das Ja-Wort gibt, werden Millionen an den Fernsehbildschirmen zu Hause die Traumhochzeit des Jahres verfolgen. „Wir natürlich auch“, freuen sich Robert Gray und seine Frau Angelika schon seit Wochen auf das romantische Großereignis.
Obwohl Robert gebürtiger Schotte ist, ist er nicht minder neugierig auf die Traumhochzeit als britische Fans der Monarchie. Souvenirs wie Teller oder Tassen mit dem Konterfei des Traumpaares gehören für das Ehepaar Gray auch nach Jahrzehnten Leben in Deutschland einfach dazu. „So was muss man haben“, schwärmt Angelika Gray. Nach Jahrzehnten ist Sümmern mehr als nur der Ort, an dem das deutsch-schottische Ehepaar wohnt. „Wir sind viel herumgekommen, sind oft umgezogen“, denken die beiden an bewegte Jahre zurück. Seit 1966 lebt Robert Gray in Deutschland. 1970 kam er durch das Militär nach Deutschland, war der „Lebensmittelmanager“ des britischen Militärs, und hat auch nach seiner Zeit bei der Army stets mit Konsumgütern zu tun gehabt, so zum Beispiel auch als Filialleiter einer Kaufhauskette.
„Wir sind beruflich viel unterwegs gewesen, aber immer wieder hierher zurückgekehrt“, fühlt sich Robert in Sümmern zu Hause. „Wir sind hier verwurzelt“, so der Vater zweier Töchter. Er mag das Vereinsleben, war sogar Schützenkönig bei den Mendener Bürgerschützen. Seinen britischen Pass jedoch hat der Schotte nie abgegeben. „Es gibt ja schließlich auch keine Vorteile, wenn ich beide Pässe habe.“
Jetzt, wo das britische Königreich oft in den Medien präsent ist, denken Robert und Angelika viel an die Heimat, vermissen Würstchen und Kekse und das englische Fernsehen. Aber es macht den beiden auch Vorfreude auf das nahende Großereignis.
Darauf freut sich auch Albert Hamilton. „Ich habe in den 37 Jahren hier in Deutschland viel Positives sowie Negatives gesehen und sage - obwohl ich meinen Passport nie abgeben werde - bin ich hier zuhause, und fühle mich nicht als Ausländer, weil ich mich in meinen Augen integriert habe“, erklärt der 55-Jährige.
Seit 1974 lebt der Brite in Hemer, einer Stadt, die ihm damals als besonders sauber und schön aufgefallen war. Nach 14 Jahren Militärdienst war es auch bei Albert die Liebe, die ihn zum Bleiben in Deutschland veranlasst hat. „Damals dachten wir, unsere Zukunft sei in Deutschland besser als in England“. In seinem Mutterland fühlt sich Albert wie ein Fremder. „Meine Frau und ich sind in England immer willkommen, aber Deutschland ist meine Heimat geworden.“ Der Brite steht zu seiner Wahlheimat, auch wenn hier nicht immer alles Zuckerschlecken ist. Er hat sich mit seiner Frau eine Existenz aufgebaut, ein Taxiunternehmen. Dennoch ist das Mutterland auch immer noch präsent.
„Ich stehe grundsätzlich hinter dem Königshaus“, schlägt auch in der Brust von Albert Hamilton ein britisches Herz. „Demnächst heiratet ein Sohn einer wunderbaren Frau, die leider zu Tode gehetzt wurde, und ich hoffe von ganzem Herzen, dass diese beiden es besser machen können, und dass man die leben lässt statt sie zu jagen.“
Anders geht es Stanley Davidson und seiner Frau Ulrike. Die Traumhochzeit des Jahres hinterlässt keine Spuren in ihren Herzen. „Alles, was ich tue und denke, mach ich in Deutsch“, erklärt der gebürtige Ire, der 1976 mit dem britischen Militär in den Märkischen Kreis kam. „Ich denke, träume und spreche deutsch, sogar mit meinem britischen Nachbarn.“ Trotz aller Heimatgefühle für Deutschland hat Stanley seinen britischen Pass nicht abgegeben und auch den deutschen nicht beantragt. Während seiner Zeit beim Militär lernte der heutige Kraftfahrer seine Frau kennen. Aus einem kurzen Flirt beim Spaziergang wurde die Liebe des Lebens, für die der heute 52-Jährige das schwierige und gefährliche Army-Leben aufgab und seinem Mutterland den Rücken kehrte. In dieses jedoch, das ist ihr großer Traum, will eines Tages Ehefrau Angelika „auswandern“. Doch bis dahin hoffen beide, auf Bekannte zu treffen, die ebenfalls nach der Militärzeit im 2nd Batallion der Royal British Rangers in Deutschland geblieben sind.
Ähnliche Pläne hatte Collin Lynsdale. Der Brite wollte eines Tages zurück und den Lebensabend gemeinsam mit seiner Frau in der Heimat verbringen. Im Juli 1965 hatten die beiden geheiratet. Der junge Collin fand seine große Liebe in Deutschland, eine Liebe, die nicht nur ein Leben lang hielt, sondern leider auch nur der Tod trennen konnte. Im vergangenen Jahr verstarb seine geliebte Helene und begrub damit auch die Hoffnung auf ein glückliches Leben in England.
Die Liebe spielt eine große Rolle im Leben von Collin Lynsdale und seinem Bruder George. Dieser war durch das Militär nach Deutschland gekommen und hatte hier seine Frau kennen gelernt. Beide zogen zusammen nach England. Kurze Zeit später lernte Collin seine Schwägerin, die Schwester von Georgs Frau, kennen und lieben und zog ihretwegen nach Iserlohn. Noch bis heute hat Collin einen engen Kontakt nach England, besucht seine Heimat regelmäßig, traf sich vor zwei Jahren zu seinem 70. Geburtstag mit Cousins und Cousinen. „Ich vermisse England sehr“, so Collin, ein Mann, der nie seinen britischen Humor vergessen hat. „Ich denke immer britisch.“
So ist es nicht verwunderlich, dass er am 29. April die Hochzeit des englischen Thronfolgers am TV sehen wird. „Die Pracht und der Pomp – das ist was Wunderbares. Das macht stolz, Brite zu sein!“

Autor:

Melanie Giese aus Recklinghausen

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