Austausch via Videokonferenzsystem
Handwerk und Politik in Südwestfalen im Dialog

Sieben Bundesparlamentarier, sechs Landtagsabgeordnete und ein Europa-Parlamentarier schalteten sich zu und diskutierten fast 90 Minuten lang intensiv über Probleme und Nöte der heimischen Betriebe.  | Foto: Handwerkskammer Südwestfalen
  • Sieben Bundesparlamentarier, sechs Landtagsabgeordnete und ein Europa-Parlamentarier schalteten sich zu und diskutierten fast 90 Minuten lang intensiv über Probleme und Nöte der heimischen Betriebe.
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Mit einer Umfrage zur aktuellen „Corona-Lage“ in südwestfälischen Handwerksbetrieben hatte die Handwerkskammer Südwestfalen gemeinsam mit den Kreishandwerkerschaften unlängst aufgezeigt, wie stark die Pandemie im heimischen Handwerk zugeschlagen hat.

Einige Betriebe stehen mittlerweile dicht vor dem Abgrund. Zugesagte Hilfen von Bund und Land kommen spät bis gar nicht dort an, wo sie dringend gebraucht werden. Das sei eine Situation, die so nicht mehr hinnehmbar sei und wo die Politik nun endlich handeln müsse, lautet die daraus resultierende Forderung. Der „Notruf“ des Handwerks blieb nicht lange ungehört. Im Rahmen einer Videokonferenz nutzten insgesamt 14 südwestfälische Volksvertreter nun die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild von der Lage zu verschaffen.

Sieben Bundesparlamentarier, sechs Landtagsabgeordnete und ein Europa-Parlamentarier schalteten sich zu und diskutierten fast 90 Minuten lang intensiv über Probleme und Nöte der heimischen Betriebe. Aber nicht nur das, denn auch das schwache Bild, was die deutsche Politik in der Pandemie-Bewältigung mittlerweile abgibt, war ein vorherrschendes Thema in der agilen Runde.

„In der jüngsten Vergangenheit haben wir persönlich und vor allem auch durch unsere Hotlines intensiven Kontakt zu Handwerkern gehabt. Da sehen Leute ihr Leben vor sich ablaufen, da geht es um Existenzen“, zeichnete Kammerpräsident Jochen Renfordt ein düsteres Szenario. „Die versprochenen Novemberhilfen sind im Februar immer noch nicht gezahlt. Zudem sind wir ein absolutes Verwaltungsmonster, die Bürokratie frisst uns auf.“

50.000 Selbsttest von Medice bestellt

Ein gutes Beispiel hatte dazu Dirk H. Jedan parat: „Ich habe 50.000 Selbsttests beim Iserlohner Unternehmen Medice bestellt und geliefert bekommen. Die kann ich aber nicht nutzen, da die Zulassung noch fehlt“, empört sich der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Märkischer Kreis. „Und das, obwohl die Firma bereits am 21. Januar 2021 einen Antrag auf Zulassung gestellt hat. Das kann es doch wohl nicht sein.“ Hier erklärte sich der Europa-Abgeordnete Peter Liese direkt zum Handeln bereit. „Ich kenne die Firma und weiß sehr genau, wie akribisch und gut dort gearbeitet wird. Es ist zwar nicht mein ureigenes Thema als Europapolitiker, aber ich werde da Nachforschungen anstellen und schauen, welches Problem hier besteht.“

Damit aber nicht genug, denn auch das Vertrauen in die Menschen habe in der politischen Wahrnehmung anscheinend arg gelitten. „Es darf nicht sein, dass ich für einen Termin beim Nageldesigner erst eine halbe Weltreise unternehmen muss“, klagte Jedan. „Erst mit dem Bus zum Testzentrum. Dann warten. Dann getestet werden. Dann wieder warten. Und danach mit Negativ-Test im Bus zum Nagelstudio. Eine Farce! Da müssen die Leute vor Ort im Betrieb doch selber testen dürfen. Wo ist ihr Vertrauen in die Menschen geblieben?“

„Wir brauchen in der Tat pragmatischere Lösungen“, pflichtete hier die SPD-Bundestags-Abgeordnete Nezahat Baradari bei. „Aber wir müssen natürlich auch gewisse Sicherheitsstandards einhalten. Ein falsch negativer Test bringt hier gar nichts, sondern befeuert noch die erneute Ausbreitung der Pandemie.“ Und genau diese gelte es auch mit Blick auf die nahe Zukunft dringend zu verhindern.

„Wie stellt sich denn aktuell die Situation rund um den Ausbildungsmarkt im südwestfälischen Handwerk dar“, wollte Dirk Wiese aus der SPD-Bundestagsfraktion wissen. „Unser Problem ist, dass wir keinen direkten Kontakt zu den Schülern aufbauen können. Die Ausbildungsbörsen und -messen finden allesamt nicht statt“, zeigt Kammerpräsident den Ernst der Lage auf. „Ich sehe dunkelgrau, wenn es um die Vergabe der Ausbildungsplätze in diesem Jahr geht.“

Hausärzte mit in den Impfkreislauf einbinden

Zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer konnte hier die Bundestagsabgeordnete Baradari machen: „Ab April werden wir die Hausärzte mit in den Impfkreislauf einbinden. Wenn jeder, der 70.000 Ärzte dann 20 Impfungen pro Tag durchführt, dann können wir mit 140.000 Impfungen das Pensum deutlich schneller schaffen.“ Und damit auch den Weg zurück in die Normalität gehen, wie auch immer die nach Corona aussehen mag.

„Wir müssen auf jeden Fall die hohen Verwaltungshürden abbauen“, fordert Renfordt in seinem Schlussplädoyer. „Hier muss ganz schnell eine Entschlackung her. Das sollten Sie dringend in den Gremien anbringen.“ Die Politik und die Verwaltungen hätten zudem schon viel Vertrauen in der Bevölkerung verspielt. Dies wiederzugewinnen sei von großer Wichtigkeit, um ein Abwandern zu den Parteien und Gruppierungen im extremen Spektrum zu stoppen und die Demokratie wieder zu stärken.

Autor:

Stephan Faber aus Iserlohn

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