Hausverbot im Jobcenter – Verfahren eingestellt

21 Monate nach dem streitgegenständlichen Vorfall im Jobcenter Radevormwald wurde am Amtsgericht in Wipperfürth über einen heute 40jährigen Mann verhandelt. Eine Jobcentermitarbeiterin hatte einen wegen Hausfriedensbruch und falscher Verdächtigung angezeigt, weil sie sich von ihm bedroht gefühlt hatte.

Die Mitarbeiterin des Jobcenters trug vor: "Der Kunde kam dreimal ohne Klopfen wie ein Springteufel ins Büro und wirkte auf mich wie unter Drogen". Diesen Eindruck hatten die damals herbeigerufenen Polizisten jedoch nicht. Diese hatte keine Veranlassung gesehen einen Drogentest bei dem Arbeitssuchenden zu machen.

Der Angeschuldigte schilderte die Situation aus seiner Sicht: "Ich hatte von der Arge kein Geld überwiesen bekommen", sagte der 40-Jährige. Im Jobcenter habe er an die Bürotür angeklopft, sei aber gebeten worden, draußen zu warten. "Ich habe mir eine Zigarette geraucht und nach 20 Minuten noch mal angeklopft und nachgefragt", sagte der Angeklagte. Darüber sei die Mitarbeiterin sehr aufgeregt gewesen und habe ihm die Tür mit den Worten "Ist mir doch scheißegal, verlassen Sie das Haus, Sie haben Hausverbot", vor der Nase zugeschlagen, wobei die Türklinke den Arbeitslosen am Arm getroffen habe."Sie war sehr bösartig, als wenn sie sich gestört gefühlt hat", sagte der Mann.

Unstrittig ist wohl, dass dem Angeschuldigten tatsächlich existenzsichernde Leistungen vorenthalten worden waren. Die Höhe ist der Berichterstattung zwar nicht zu entnehmen, aber Kürzungen des soziokulturellen Existenzminimums stellen logischerweise regelmäßig eine existenzielle Bedrohung dar, die von Geschädigten unterschiedlich intensiv erlebt werden.

Die Prozessbeobachterin stellt in ihrem Artikel fest: „Ganz aufgeklärt werden konnte der Tathergang nicht.“ Trotzdem wurde das Verfahren nur gegen Auflage von 100 Sozialstunden eingestellt.

Quelle: Heike Karsten, RP

Bereits im Juni 2013 war vor demselben Amtsgericht gegen eine Erwerbslose wegen Hausfriedensbruch verhandelt worden. Damals war unter dem Titel „53-Jährige rastet im Jobcenter aus“ berichtet worden. Übereinstimmend ist, dass auch damals rechtswidrige Kürzungen des soziokulturellen Existenzminimums als Auslöser verbaler Entgleisungen genannt sind.

„Die 53-jährige Angeklagte selbst schilderte jetzt unter Tränen, in welch verzweifelter finanzieller Situation sie sich damals befunden habe. Weil sie einen 400-Euro-Job angenommen habe, seien ihr sofort Leistungen gestrichen worden. Den Lohn für den neuen Job habe sie aber erst am 15. des Folgemonats, also sechs Wochen später, bekommen sollen. „Ich stand völlig ohne Geld da und wusste nicht, wie ich die Miete und die Busfahrkosten für meinen Sohn aufbringen konnte“, erklärte sie.“
rundschau-online.de

Die tatsächliche Vielzahl der Vorfälle in den Sozialbehörden wird wohl mit Vorsatz verschwiegen. Die wenigen Pressemitteilungen vermeiden überwiegend die Auslösern derselben zu benennen, und bedienen so eine Kriminalisierung von Leistungsbeziehern. Als positive Ausnahme wäre Hamburg zu nennen. Der Senat fordert eine regelmäßige Berichterstattung zum Thema „Steigende Gewaltbereitschaft gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes“.
Quelle

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Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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