Zuflucht für gequälte Pferde

Ein Pferd, das verhungert ist und von Vögeln angefressen wurde. | Foto: CYD Santa María
4Bilder

Während die Touristen am Strand von Marbella in der Sonne liegen und das Luxusleben an der Costa del Sol genießen, spielt sich in nur 30 Kilometern Entfernung das „wahre spanische Leben“ ab. Statt stolzer andalusischer Hengste findet man dort nur Elend und Leid: In Alhaurín el Grande, eingebettet in staubige Hügel, kämpfen Concordia Márquez und ihre Schwester Virginia Solera vom Verein CYD Santa María von ihrem Hof aus gegen die Misshandlung von Pferden – und oft genug auch um das Leben der Tiere.

Als Estrella nach Alhaurín el Grande kam, war ihr Bein seit Monaten gebrochen. Niemanden interessierte die Schimmelstute, die dringend eine Operation benötigte. Claudia wurde fast verhungert in den Bergen von Marbella aufgefunden. Indiana musste als Schulpferd jahrelang schwergewichtige Reiter tragen und leidet seitdem an einer schmerzhaften Hüftdeformation.

Geschichten wie diese könnten Concordia und Virginia stundenlang erzählen. 35 Pferde beherbergen die Schwestern derzeit auf ihrem Hof, keines davon hat eine rosige Vergangenheit. Offene Wunden, Geschwüre, Missbildungen, Brüche, Entzündungen...die Liste der Grausamkeiten ist lang und wird immer länger. Jede Woche melden sich Tierschützer, Polizisten, Spaziergänger oder auch Nachbarn, um ein misshandeltes oder vernachlässigtes Pferd zu melden. Anrufe bekommen die engagierten Spanierinnen oft – Hilfe selten.

„Wir haben Platz für 70 Pferde, doch uns fehlt einfach das Geld, um weitere aufzunehmen“, erzählt Concordia Márquez, Vorsitzende des Vereins. Vor sieben Jahren gründete die gebürtige Madrilenin, die nach einem Aufenthalt in Deutschland entsetzt war vom Zustand der Pferde in Andalusien, den Verein CYD Santa María. „Ich habe gemerkt, dass es nicht reicht, einfach nur Tiere aufzunehmen. Man muss die Umstände radikal ändern“, erklärt sie ihre Beweggründe. Seitdem kämpft Concordia, wie ihr berühmter Landsmann Don Quijote, gegen Windmühlen – und gegen das spanische Tierschutzgesetz, das Tierquäler kaum zur Rechenschaft zieht. „In Spanien werden keine Haftstrafen bei Missachtung der Tierrechte auferlegt, es werden lediglich Geldstrafen erhoben. Ist eine Person aber zahlungsunfähig, passiert einfach gar nichts. Genauso bleiben gequälte Tiere bei ihren Besitzern, wenn sich keine Tierherberge findet, die sie aufnimmt.“ Zuschüsse vom spanischen Staat erhält Concordias Verein nicht, weder von den Kommunen noch von sonstigen öffentlichen Institutionen. „Wir leben allein von Spenden, von denen wir nicht nur das Futter, sondern auch Material und vor allem die teuren Medikamente oder Operationen bezahlen müssen.“

Unterstützt wird Concordia nur von ihrer Familie, vor allem von ihrer Schwester Virginia, und freiwilligen Helfern, ohne die das tägliche schwere Arbeitspensum kaum zu schaffen wäre. Gemeinsam müssen jeden Tag die Stallungen und Paddocks gemistet, Pferde geputzt, gefüttert, spazieren geführt und vor allem Wunden versorgt werden. Nebenbei wollen Benefizveranstaltungen oder Aufklärungsstunden in Schulen organisiert werden.
„Schlimm sind die Tage, an denen Rettungsaktionen durchgeführt werden müssen“, erzählt Concordia. „Vor kurzem ging beispielsweise ein Notruf bei uns ein, bei dem über 30 Esel, Pferde und Ponys, die unter schlimmsten Bedingungen lebten, aus einem Nachbardorf gerettet werden mussten. Die Rettungsaktion dauerte mehrere Tage, an denen wir kaum Zeit hatten zu schlafen, da wir Neuankömmlinge mindestens 24 Stunden beobachten, um Koliken oder andere Schwierigkeiten sofort beheben zu können.“ Schafft es ein Pferd trotz aller Bemühungen nicht, wird es von Concordia und ihren Helfern begraben. Wird es, und daran arbeiten alle Helfer mit Leidenschaft, wieder gesund, ist das oberste Ziel die Vermittlung in ein neues Zuhause. Verkauft, das betont Concordia immer wieder, wird allerdings kein Pferd, denn schließlich wolle CYD Santa María keinen Profit aus den Tieren schlagen. „Das wichtigste für uns ist, dass diese gequälten Kreaturen einen friedlichen Lebensabend verbringen können. Wer bei uns ein billiges Reitpferd erwerben will, ist definitiv an der falschen Adresse.“ Don Bombón ist nur ein Beispiel für ein gutes Ende. Der Wallach wurde mit einem blutenden und entzündeten Huf gefunden, vom Verein aufgepäppelt und lebt heute glücklich in seiner Adoptivfamilie. Sein Platz im Stall blieb nicht lange leer. Fünf bis sechs Neuankömmlinge pro Monat erfordern die Zuwendung von Concordia und ihren Helfern.

Eine der acht freiwilligen Helferinnen ist die 38-jährige Cathrin Straub. Die Ulmerin lebt seit 13 Jahren in Málaga und erfuhr aus dem Fernsehen von der Existenz der Pferdeherberge. „Was mich von Anfang an völlig vom Verein überzeugt hat, ist der gesunde Umgang und der Verstand, mit dem hier die Pferde behandelt werden – denn falsches Mitleid oder falsche Tierliebe richten ja bekanntlich mehr Schaden an, als sie Gutes tun”, erklärt sie. Seit einem halben Jahr packt Cathrin Straub nun mehrmals wöchentlich mit an.

Mit Hilfe des Bundes deutscher Tierfreunde mit Sitz in Kamp-Lintfort, der als erster deutscher Verein seine Unterstützung anbot und unbürokratisch eine Soforthilfe von zweimal 500 Euro bereitstellte, sollen nun noch mehr Deutsche mit ins Boot geholt werden. Helfen können Tierfreunde auf viele Arten: „Was wir am dringendsten brauchen ist natürlich Geld, zum Beispiel durch eine Mitgliedschaft”, so Straub. „Selbst ein ganz geringer Betrag hilft, wenn er regelmäßig gespendet wird“, versichert auch Concordia Márquez. Wer möchte, kann die Patenschaft über ein Pferd übernehmen und wird dann regelmäßig über dessen Zustand informiert. Ständig benötigt werden auch Materialspenden, zum Beispiel Bürsten, Fliegenspray, Decken und so weiter. So sammelten Reitschüler des RC Altfeld in Kamp-Lintfort Bürsten, Halfter, Stricke etc. und schickten diese in den Süden.

Wer selber mit anfassen möchte, kann im Urlaub auf dem Hof vorbeischauen oder auch ein längeres Praktikum dort absolvieren. Spanisch müssen Interessierte dazu nicht sprechen, ein Mindestmaß an Englisch sollte aber vorhanden sein. „Im Moment läuft’s echt super, tolles Wetter, tolle Leute und auch immer bessere Pferde” , schreibt zum Beispiel Noraila Fischer, die über den Bund deutscher Tierfreunde auf den Hof aufmerksam wurde und daraufhin im April ein mehrwöchiges Praktikum dort absolvierte. „Ich fange morgens um 9.30 Uhr an zu misten, das Wasser zu prüfen, zu füttern und so weiter. Das geht so bis etwa 13 Uhr, dann ist Siesta. Um 16 Uhr geht’s dann weiter. Ich habe vier Pferde, die ich betreue, die ich bewege und mit denen ich arbeite. Danach wird wieder gefüttert und gegen 20 Uhr bin ich fertig. An meinem freien Tag besichtige ich ein bisschen die Umgebung wie Malaga, Marbella und Torremolinos. Die Gegend ist echt wunderschön, ich kann mich gar nicht satt sehen.“

Mehr Informationen über den Verein CYD Santa María sowie Fotos der Anlage und der Pferde finden Sie auf dessen Internetseite unter www.asociacioncydsantamaria.es.

Fotos: © CYD Santa María

Autor:

Wochen Magazin Kamp-Lintfort aus Kamp-Lintfort

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.