Das Sternbuschbad: Flugsekunde zur Seligkeit

Nur Fliegen ist schöner: Der Sprung vom Zehn-Meter-Brett gehörte zu dem Höhepunkten beim Besuch des Sternbuschbades | Foto: Kurt Michelis
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  • Nur Fliegen ist schöner: Der Sprung vom Zehn-Meter-Brett gehörte zu dem Höhepunkten beim Besuch des Sternbuschbades
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Der Zehner! Sicher, vom Sprungturm im Klever Sternbuschbad konnten Besucher auch aus drei, fünf und siebeneinhalb Metern Höhe ins Wasser springen. Doch die eigentliche Grenzerfahrung einer unschuldigen Adoleszenz war die Betonplattform zehn Meter über dem Wasserspiegel.

Der Zehner war ein mystischer Ort, der unbarmherzig die Mutigen von den Zaghaften schied, der Teenagern durch eine Sekunde freien Falls zu Helden erhob oder, wenn oben doch die Angst Oberhand gewinnen sollte und die Metalltreppe für den Rückweg zur Erde gewählt wurde, die schlimmsten Demütigungen für einen bereithielt.

Das Wahrzeichen des Sternbuschbades

Der Sprungturm war das Wahrzeichen des Sternbuschbades. 1975 wurde es eröffnet, architektonisch eine Perle der – heute leider nicht mehr so geschätzten – Betonarchitektur der Siebzigerjahre, idyllisch mitten im Wald gelegen. Wer nicht im Sommer seiner Jugend nach der Schule dorthin ging, um die sich entwickelnden Neigungen einem durch knappe Badekleidung beförderten Praxistest zu unterziehen, war nicht von dieser Welt. Die Coolsten lagen auf den Betonstufen neben dem 50-Meter-Becken und präsentierten ihre Körper, als hätten sie noch nie von ultravioletten Strahlen gehört. Hatten sie auch nicht.
Das 50-Meter-Becken war neben dem Sprungturm der zweite Fixpunkt der Anlage. Wer häufiger dort zu Gast war, hört heute noch nachts in seinen Träumen, wie es einem aus dem Lautsprecher auf dem Schwimmmeister-Kommandostand entgegen scheppert: „Nicht vom Beckenrand springen!“ In den Siebziger- und Achtzigerjahren mussten die Schwimmer noch Badekappen tragen, aus hygienischen Gründen, bis das Ganze irgendwann als Unsinn entlarvt wurde.
Nirgendwo konnte man seine Bahnen schöner ziehen als in diesem Bassin, das wegen seiner Maße Olympiabecken genannt wurde – bei gutem Wetter, wenn die Besucher zu Tausenden anbrandeten, allerdings nur frühmorgens oder kurz vor der Schließung, wobei der Unterschied in der Wasserqualität im Verlauf eines Tages beeindruckend war. Empfindlichere Naturen kamen also lieber früher.

Fünf Zentimeter fehlten dem Becken

Ein Besuch des Sternbuschbades war erst perfekt, wenn Fixpunkt Nummer drei aufgesucht worden war – der Imbiss im Eingangsbereich der Anlage. Die Schlange vor der Fritteuse vermittelte einen Eindruck vom Leben in der DDR, doch sobald der juvenile Besucher eine Schale Pommes in den Händen hielt, war der Gipfel menschenmöglichen Glücks erreicht. Vielleicht waren die Kartoffelstäbchen wirklich so gut, wahrscheinlicher aber sorgte das Gefühl, eine Herkulesaufgabe bewältigt zu haben, für eine besondere Form der Seligkeit – womöglich noch verstärkt durch den vorher absolvierten Sprung vom Zehner.
Konzipiert worden ist das Sternbuschbad als Sportbad. Nachdem die Klever Schwimm-Ikonen Klaus und Angela Steinbach bei den Olympischen Spielen 1972 in München an den Start gegangen waren (Klaus gewann die Silbermedaille in der 4x200-Meter-Freistilstaffel), schien dem Schwimmsport in Kleve eine große Zukunft bevorzustehen.
Doch ausgerechnet das Olympiabecken war für offizielle Wettkämpfe nicht zu gebrauchen. Das ausführende Bauunternehmen hatte die Beckenlänge exakt mit 50 Metern abgemessen – aber leider nicht daran gedacht, dass an den beiden Enden noch jeweils eine Lage Kacheln nötig war. So maß das Becken exakt 49,95 Meter – fünf Zentimeter zu wenig.
Von alldem wird nichts mehr übrig sein, wenn im Sommer 2018 das neue Sternbuschbad eröffnet wird: Der Sprungturm ist geschleift, das Olympiabecken von acht auf zwei Bahnen geschrumpft. Nur die Schlangen vor der Pommesbude werden vermutlich nicht mehr so lang sein. Aber wollen wir das? Ralf Daute

Teilen Sie Ihre Erinnerungen mit uns.

Haben Sie sich einen Sprung vom Zehn-Meter-Brett getraut, liebe Leser? Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem Sternbuschbad? Erkennen Sie sich oder andere Menschen auf den Bildern wieder?
Dann schreiben Sie uns gerne an die NRZ-Lokalredaktion, Hagsche Straße 96 in Kleve, E-Mail: lok.kleve@nrz.de, oder rufen Sie uns an unter Tel. 02821/725228.

Autor:

Lokalkompass Kleve aus Kleve

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