Das große Interview mit Sonja Northing: Bilanz einer Bürgermeisterin

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Bereits seit zweieinhalb Jahren ist Sonja Northing aus Kleve nicht mehr wegzudenken. Zur Hälfte ihrer Amtszeit hat das Klever Wochenblatt Bürgermeisterin Sonja Northing einige Fragen gestellt. Was sie als Bürgermeisterin bewegt, darüber sprachen wir mit ihr.

1. Haben Sie bislang erreicht, was Sie sich bei Ihrer Wahl vorgenommen haben?
"Ja. Mehr als vorgenommen. In den zweieinhalb Jahren ist viel erreicht worden. Wichtig ist mir, wie man mit den Menschen und den Themen umgeht. Es kommt auf die Haltung an. Transparente, konstruktive, kooperative Zusammenarbeit mit allen Beteiligten ist so erfolgreich. Als Beispiele möchte ich die Workshops zum Neubau des Konrad-Adenauer-Gymnasiums und zum Umbau der Joseph-Beys-Gesamtschule mit den Lehrern, Eltern, Schülern, Schulsozialarbeitern, Politikern und der Verwaltung benennen. Nach dem Motto, fragen wir doch die, die es angeht.
Gleichzeitig werden Zahlen, Daten, Fakten für die wirtschaftlichen Planungen ermittelt. Diese Art der Zusammenarbeit basiert auf Vernunft und macht Freude; mitverantwortete und gemeinsam getragene Ergebnisse stehen auf stabilem Grund. Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung (Infoveranstaltungen zu den Themen Flüchtlinge, Fähre, Bauzeitenpläne aller Objekte im Schulausschuss, Bürgerbeteiligung Barrierefreie Innenstadt, Masterplan Junge Mitte, Platzkonzept, Minoritenplatzbebauung) schaffen einen vertrauensvollen Dialog.
Vorbildlich ist das, angesichts des gemeinsamen Engagements aller Bürgerinnen und Bürger in der Zeit der Flüchtlingswelle ab 2015, gelungen. Der soziale Frieden der Stadt ist erhalten und ausgebaut worden. Keine Spaltung der Gesellschaft, sondern ein friedfertiger, bunter Kosmos mit Menschen aus aller Welt. Kleve ist eine weltoffene, tolerante Stadt, die Vorbild für die ganze Welt sein könnte. Ich bin stolz auf alle Mitwirkenden und kann nur Danke dafür sagen. Ganz neu als Bürgerbeteiligungsprojekt ist die Zusammenarbeit einzelner, engagierter Bürgerinnen und Bürger mit der Wirtschaft, Tourismus & Marketing GmbH zum Thema Wirtschaftsförderung, Einzelhandel und Attraktivierung der Innenstadt. Jeder kann in den Arbeitsgruppen z.B. „Weihnachtliches Ambiente“ in der Stadt mitwirken. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt. Der von mir favorisierte Zusammenschluss der ehemals zwei Gesellschaften zur Wirtschaft, Tourismus & Marketing GmbH im Jahr 2017 ist gelungen. Das letzte, erstmals von der Stadt in Eigenregie organisierte, Stadtfest (bei bestem Wetter) war ein voller Erfolg. Wir werden das Motto „Tag der Vereine“, welches sehr gut angekommen ist, weiter ausbauen. Im nächsten Jahr, zur 777 Jahr Feier der Stadt Kleve, könnte ich mir ein Stadtfest zur Wertschätzung des Ehrenamtes gut vorstellen.
Wichtige Voraussetzung für alles ist natürlich die wirtschaftliche Lage einer Stadt, also die Finanzen. Im Jahr 2015 war die Ausgleichrücklage auf Null geschrumpft. Mit maßvollen Steueranhebungen, Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen und Dank der guten Wirtschaftslage konnten in den Jahren 2016 4,8 Mio € und 2017 10,2 Mio €an Überschüssen erwirtschaftet werden. Kleve ist wirtschaftlich wieder solide aufgestellt und damit handlungsfähig. Mein Dank gehört hier den Gewerbetreibenden, Händlern und Dienstleistern. Getreu dem Motto „Mit Wertschätzung zur Wertschöpfung“ erwirtschaften wir die Mittel, die wir in anderen Bereichen gerne ausgeben. BILDUNG wird dabei groß geschrieben. Schulen werden nicht nur baulich auf den neusten Stand gebracht, sondern auch mit neuester Medientechnik sukzessiv ausgestattet werden. Wir werden jedes Jahr eine halbe Million € dafür vorsehen. Weitere Kitaplätze werden geschaffen und der Offene Ganztag wird untersucht werden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.
Kleve ist aber nicht nur eine soziale Stadt, sondern beschäftigt sich auch stark mit den Themen Klimaschutz und Mobilität. Der Klimaschutzfahrplan wird im Moment aktualisiert, um im nächsten Jahr eine Stelle zum Klimaschutz/Mobilität einzurichten. Wir werden dem Zukunftsnetzwerk Mobilität beitreten, um unsere Verkehre zu optimieren. Fortlaufend arbeiten wir am Radverkehrskonzept, welches stetig im Umwelt- und Verkehrsausschuss vorgestellt wird. Eine Arbeitsgruppe „Kleve - insektenfreundliche Stadt“ wurde gebildet. Noch mehr blühende, bunte Blumen werden unsere Stadt nicht nur für Bienen attraktiv machen. Wir sind eine anziehende Stadt, die mittlerweile 7% Zuwachs in den letzten Jahren zu verzeichnen hatte. Offiziell sind wir nunmehr 51.047 Teile des Gesamtkunstwerks Kleve. Deswegen kümmern wir uns um alle sogenannten weichen Standortfaktoren. Es wird dazu eine neue Analyse in Auftrag gegeben. Die B220 neu ist in der Planungsphase und zur Reaktivierung der Bahnstrecke nach Nijmegen habe ich schon einen Ratsbeschluss einholen können. Die Machbarkeitsstudie zur Schleuse wird vor den Sommerferien der Politik und den Klevern vorgestellt werden. Kleve am Wasser wäre traumhaft schön.
Die Themen Kultur und Sport werden durch einen Kulturleitplan, das Parkpflegewerk und die Aktualisierung des Sportstättenkonzeptes vorangetrieben. In Kleve wird ja schon gewitzelt, dass Spatenstiche inflationär gehandhabt werden, weil es schnell vorangeht. Fazit: Kleve wächst, blüht und gedeiht, so wie ich es im Wahlkampf bereits mehrfach angekündigt habe. Eine großartige Entwicklung für unsere Stadt. Und das waren nur einige Entwicklungen, Vorhaben und Themen, die ich benannt habe. Alles zu benennen, würde hier den Rahmen sprengen.“

2. An welchen Vorhaben sind Sie bislang gescheitert?
„Es gibt nur Vorhaben, die noch nicht vollendet sind. Mein Traum von einem Kulturzentrum steht angesichts dringender Themen in den letzten Jahren erst jetzt im Fokus. Die Verwaltung wird die Bedarfe für einen Veranstaltungsort mittlerer Größe (für ca. 200 Menschen) ermitteln. Über Finanzierungsfragen, Standorte und Nutzungsmöglichkeiten muss frei diskutiert werden. Ein mittelgroßes Kulturzentrum, ein Ort für Bürgerbegegnung mitten in Kleve wäre großartig. Ich könnte mir persönlich eine Verortung auf dem Minoritenparkplatz in schöner Bauweise vorstellen. Eine Vision könnte die Verlagerung der Bücherei und der Volkshochschule an gleicher Stelle sein. Alles kleinteilig gestaltet und ansonsten alles grün bepflanzt. Leben, auch abends in der Stadt.
Des Weiteren sind wir in Planungen zu einem gemeinsamen Innovationszentrum mit der Hochschule Rhein-Waal. Auch hier soll BÜRGERBEGEGNUNG groß geschrieben werden. Sobald es konkrete Ergebnisse gibt, wird das Vorhaben der Politik und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Auch die schwierige Umwandlung der Sekundarschule in die Joseph Beuys Gesamtschule ist mit einem einstimmigen Ratsbeschluss gelungen und wird von allen Beteiligten getragen. Mein Dank gilt allen Beteiligten dafür.
Fazit: Ich scheitere nicht an Vorhaben, sondern die Vorhaben werden gemeinsam gemeistert.“

3. Was haben Sie in der Verwaltung geändert?
„Die Anforderungen an die Verwaltung sind in den letzten Jahren immer größer geworden. Neue Gesetze, Fokussierung auf bestimmte Themen wie z.B. Schulbauten, Klimaschutz, Feuerwehr, Verkehre müssen mit hoher Qualität abgearbeitet werden. Dazu braucht es gute Rahmenbedingungen innerhalb der Verwaltung und einen in der Anzahl angemessenen und gut qualifizierten Mitarbeiterstamm. Insofern wurden in verschiedensten Bereichen Organisationsuntersuchungen und Personalbemessungen durchgeführt. Als ein Ergebnis wurde der Bereich des Gebäudemanagements aufgestockt, damit die Umsetzung der Schulbauten erfolgen kann. Gleichzeitig setzen wir auf Fortbildung und bilden mehr Auszubildende aus. Die Stadt Kleve hat erstmalig an der „Nacht der Ausbildung“ teilgenommen. Ein voller Erfolg mit 96 interessierten Jugendlichen, die sich vor Ort ein Bild von der Verwaltung und den Umweltbetrieben der Stadt Kleve machen konnten.
Die gute Zusammenarbeit mit dem Personalrat ist mir wichtig, wie die Wertschätzung der Mitarbeiter durch ein betriebliches Gesundheitsmanagement, welches in diesem Jahr gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen erarbeitet wird. Z.B. wurde ein zweites Dienstpedelec beschafft. Wir prüfen gerade, ob wir uns als Verwaltung am Carsharing beteiligen können. Mit dem Einzug in das neue Rathaus wurden erstmals elektrisch höhenverstellbare Schreibtische angeschafft. Sukzessive soll dies zum Standard werden. Wir lassen uns einiges einfallen, um die Mitarbeiterzufriedenheit und die Qualität noch weiter zu erhöhen. Intern muss alles stimmig sein, damit die Ergebnisse im Außen gut werden.
Die Bürgerinnen und Bürger spiegeln mir im Übrigen, dass sie mit dem Bürgerservice der Verwaltung sehr zufrieden sind.
Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mir wichtig und ich schätze sie sehr. Sie alle tragen zum Wohl der Stadt Kleve engagiert bei und deswegen arbeite ich gerne mit ihnen zusammen.“

4. Verwaltungschefin und Repräsentantin der Stadt- ist diese Doppelfunktion eigentlich zeitlich zu schaffen?
„Ich schaffe das, ich gebe mein Bestes. Mein persönlicher Anspruch an eine optimale Aufgabenerfüllung ist jedoch höher. Alle Bereiche abzudecken kann inhaltlich und zeitlich nicht zu 100 % von einer Person abgedeckt werden. Als ich vor 30 Jahren als Inspektoranwärterin meine Ausbildung bei der Stadt Kleve machte, hatte Kleve lediglich 45.820 Einwohner. Bestimmte Aufgaben wie z.B. den Bereich des SGB II (Hartz IV) gab es noch gar nicht. Die Verwaltungsspitze sah wie folgt aus: Der Stadtdirektor als Chef der Verwaltung, dazu drei Dezernenten und einen ehrenamtlicher Bürgermeister mit drei Stellvertretern. Heute gibt es eine Bürgermeisterin, die gleichzeitig Verwaltungschefin, Bürgermeisterin als Repräsentantin und Dezernentin des größten Dezernats ist. Drei Stellen bzw. Aufgabenbereiche die zu einer Stelle zusammengefasst worden sind. Die Aufgabenwahrnehmung könnte meines Erachtens und unabhängig von meiner Person durch die Schaffung einer dritten Dezernentenstelle erheblich verbessert werden. Als Bürgermeisterin würde ich gerne noch mehr Zeit für die Repräsentation verwenden. Diese Form von Wertschätzung hat Kleve verdient. Leider gelingt das zeitlich nicht. Und so muss ich leider immer wieder Prioritäten setzen. Viele Bürgermeister empfinden allein die Koppelung der beiden Funktionen als schwierig.
Aus sachlichen Erwägungen könnte eine bessere Lösung für Kleve gefunden werden. Die Schaffung einer dritten Dezernentenstelle darf meines Erachtens kein Politikum sein.“

5. Hat sich ihr Mann daran gewöhnt?
„Mein Mann hat mich von Anfang an unterstützt und ist diesen Weg gemeinsam mit mir gegangen. So sind wir an den neuen Herausforderungen gewachsen, jeder für sich persönlich und vor allem gemeinsam. Mein Ehemann, meine Familie, meine Freundinnen und Freunde und mein Hund Dexter sind mir extrem wichtig. So einen herzlichen, verständnisvollen und fröhlichen privaten Kosmos zu haben, das würde ich jedem Menschen wünschen. Nur eine glückliche Bürgermeisterin ist eine gute Bürgermeisterin. Die Kleverinnen und Klever verstehen mich, wenn ich nicht bis zum Schluss einer Veranstaltung an einer Theke bleibe, sondern mich mit meinen Mann treffe. Der Satz: „Ich bin glücklich verheiratet und mein Mann sieht das genauso“, stimmt immer noch. Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen ist eher ein Problem aufgrund des Zeitmangels. Das gelingt nicht immer, aber es läuft ganz gut und ist immer in meinem Bewusstsein.“

6. Haben Sie eine Gesamtvision davon, wohin es mit Kleve in 20 bis 30 Jahren gehen soll?
„Ja, ich habe schon immer eine Gesamtvision von Kleve. Wir werden Kleves Potentiale nutzen, diese weiter ausbauen und uns eine freie, multikulturelle, dynamische, sichere, tolerante, weltoffene Stadt für Jung und Alt vorstellen, die als starker Wirtschaftsstandort allen Bürgern eine emotionale Heimat bietet. Kleve wird noch schöner, blühender, reicher, und glücklich sein durch den Einsatz und der Liebe aller Beteiligten für unsere Stadt. Ich möchte noch mehr lächelnde Menschen in der Stadt sehen. Das Glas soll immer halb voll für Kleve sein. Wir sollten uns alle als Teile eines Gemeinwesens verstehen, die gemeinsam das Gesamtkunstwerk „Kleve“ erschaffen.“

7. Wie wollen Sie mit der demografischen Entwicklung umgehen?
„Ich persönlich möchte diese Entwicklung erst mal selber miterleben. Scherz beiseite. Kleve wächst. Wir werden dem demografischen Wandel nicht nur passiv begegnen, sondern gehen aktiv damit um.
Es wird viel gebaut und neu gestaltet in Kleve, z.B. der Bahnhofsvorplatz, das Stadthallenumfeld, das Bensdorpgelände. Barrierefreiheit ist nicht nur ein Thema bei Bauvorhaben. Wohnbedarfe für alle Personengruppen wie Familien, Singles, Senioren, Studierende etc. sind zu ermitteln. Diesbezüglich wurde ein Wohnraumkonzept für Kleve beauftragt. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, haben wir gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer, der Stadt Emmerich und den Gemeinden Bedburg-Hau und Kranenburg das „Klever Schulmodell“ entwickelt, welches der Politik und den Bürgern im nächsten Schulausschuss vorgestellt wird. Das Kombibad am Sternbusch als weitere Freizeitmöglichkeit wird in diesem Jahr fertig gestellt. Schwimmen, Sport, Spaß Gesundheit! Zur Gesundheitsvorsorge engagieren wir uns beim Thema „Ärztemangel“. Im Juni werde ich im Rahmen der Bürgermeisterkonferenz des Kreises Kleve den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn treffen. Ich bin gespannt auf seine Antworten.
Ein weiteres Thema ist die Stärkung der freiwilligen Feuerwehr der Stadt Kleve. Aufgrund des Wachstums der Stadt und der Einwohnerzahl wäre eine hauptamtliche Feuerwehr vorzuhalten. Es gibt jedoch nichts Besseres als die freiwillige Feuerwehr, die mit Herzblut, Kameradschaft und Engagement uns vor Gefahren schützt und uns in der Not rettet. Dazu braucht es gute Rahmenbedingungen, die die Politik durch den Brandschutzbedarfsplan beschließen wird. Wir stehen zu unserer Feuerwehr. Kleve wird auch bei Wachstum gut behütet sein. Das Ehrenamtliche Engagement ist mehr zu würdigen, der gesellschaftliche Zusammenhalt ist zu stärken. Das kulturelle Angebot wird Jung und Alt verbinden.
Die Bedarfe aller Kleverinnen und Klever in allen Bereichen sind dabei stetig im Blick zu haben.“

8. Werden Sie für eine weitere Amtszeit antreten?

„Ja.“

Autor:

Silvia Decker aus Emmerich am Rhein

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