Erklärung zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit Derivatgeschäften der CDU Lünen

Wir möchten den vorgetragenen Vorwürfen, aber auch Unterstellungen im Zusammenhang mit den Derivatgeschäften gerne entgegentreten, in dem wir die Entwicklung und Hintergründe für die Derivatgeschäfte noch einmal aufführen und erläutern.
Wir ärgern uns sehr über die Entwicklung der Derivatgeschäfte bzw. der Kredite auf der Basis des Schweizer Franken und wir hätten uns auch bessere und angenehmere Ausgaben für unsere arme Stadt gewünscht als diesen Vergleich zu zahlen. Wir unterliegen seit Jahrzehnten der Haushaltssicherung und des Sparens – klar fragen wir uns da auch, was hätten wir mit dem Geld nicht alles machen können?
Die miese Finanzlage unserer Stadt war strukturell bedingt und wir unterlagen bereits seit den 80er Jahren der freiwilligen Haushaltskonsolidierung. 2006 gerieten wir sogar trotz vieler vorheriger Maßnahmen in den Nothauhalt und der vorläufigen Haushaltsführung. Das hieß Haushaltssperre und alle freiwilligen Leistungen standen auf dem Prüfstand – die kommunalen Bezuschussungen standen zur Disposition. Unsere Gemeinde stand dadurch unter einem unheimlichen Druck.
Wir hatten das Ziel – parteiübergreifend – die Haushaltsgenehmigung zu erhalten und damit die Selbstständigkeit unserer Stadt. Darin haben wir den „Generalauftrag“ gesehen, Schaden von unserer Stadt abzuwenden und die Stadt positiv zu entwickeln.
Um wieder einen genehmigungsfähigen Haushalt zu bekommen und die Eigenverantwortung der Stadt zu erhalten, mussten wir – gemeint sind die Verwaltung und der Rat mit externer Hilfe - eine Haushaltskonsolidierung erarbeiten, die das Defizit ausgleichen und langfristig zu positiven Abschlüssen führen sollte. Das sogenannte „Mutterpapier“ umfasste 115 Einzelmaßnahmen und sollte in den Jahren 2007-2012 den Haushalt um 15,3 Mio. entlasten.
Eine dieser Maßnahmen war die Fortführung des in 2002 bereits beschlossenen Schulden- bzw. Zinsmanagements – der Haushalt sollte so zusätzlich um rund 2,5 Mio. entlastet werden, das sind 17% der gesamten geforderten Entlastung für den Haushalt. Neben Lünen standen viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen zu dieser Zeit in der gleichen Situation der „Haushaltssicherung“ und griffen zu Zinsentlastungsmaßnahmen, die allerdings in der Entscheidung und Durchführung der Geschäfte letztlich nicht den Räten sondern den Verwaltungen unterlagen.
Nun gibt es sicherlich verschiedene Derivate mit unterschiedlichen Risiken und sie sind in der Wirtschaft durchaus üblich.

Derivatgeschäfte auf Basis von Fremdwährungen sind sicherlich risikoreicher - aber es war u.a. die Gemeindeprüfungsanstalt, die den Kommunen zu diesen Derivatgeschäften deutlich riet – eben auch zu Kreditaufnahmen in Schweizer Franken. Die Kredite in Schweizer Franken waren zinsgünstiger – im Schnitt bis zu 2%. Auch wenn die Kommunen im Vergleich bei den inländischen Kreditinstituten günstigere Kredite erhielten als andere Kreditnehmer, konnten sie bei ihren hohen öffentlichen Krediten trotzdem noch Zinsen im 6- bis 7stelligen Bereich pro Jahr einsparen. Sie verließen sich letztlich auf die Empfehlungen der übergeordneten Behörden wie das Innenministerium, der Gemeindeprüfungsanstalt, dem Kreis und der Bezirksregierung - wurden ihre Haushalte doch schließlich von ihnen geprüft und genehmigt. Der Begriff Empfehlung ist hier auch fast zu kurz gegriffen, sie legten den Kommunen nahe – das geht schon etwas weiter.
Die gesparten Zinsen entlasteten dann die Haushalte zunächst – auch unseren in Lünen. Diese Entlastung müsste man sicherlich gedanklich gegenrechnen.
Die Zinsentlastungen im Haushalt haben so wie auch die anderen Maßnahmen dazu beigetragen, dass die Haushalte in den folgenden Jahren genehmigt wurden und Lünen nicht weiter dem Nothaushalt unterlag. Die damit gewonnene Selbstständigkeit unserer Stadt in ihren Entscheidungen hat auch viele Vorteile gehabt. Die freiwilligen Leistungen wie Theater, Musikschule etc. konnten erhalten bleiben und wurden nicht geschlossen. Diese standen nämlich in der Haushaltsperre zur Disposition und konnten nur durch geschickte Maßnahmen in der Konsolidierung erhalten bleiben. Die Unterstützungen von Vereinen konnten erhalten bleiben, sie standen schließlich auch zur Disposition. Wir können uns noch gut an die Not und den Druck der Vereine erinnern, denn während der Haushaltssperre wurden ihnen die Zuschüsse nicht ausgezahlt. Ohne die städtischen Zuschüsse hätten viele Vereine nicht mehr existieren können. Wir konnten in den Jahren auch viele Investitionen durchführen, die unter einer fremden Haushaltsführung nicht getätigt werden konnten – die Schule in Lünen-Süd, die neue Feuerwehr, die Kunstrasenplätze innerhalb des Sportentwicklungskonzeptes, Schul-und Ogata-Anbauten an mehreren Schulen, Neubau und Erweiterung von Kindergärten, Ausbau der südlichen Innenstadt etc.
Ich meine, diese Hintergründe darf man den vorgebrachten Vorwürfen entgegenhalten – ohne genehmigte Haushalte hätten wir in Lünen viele Entbehrungen hinnehmen müssen und unsere Stadt hätte sich in dieser Zeit nicht so positiv weiter entwickeln können.
Zurück zum Schweizer Franken; er galt viele Jahrzehnte - genau von 1973 – 2011 - in der Finanzwirtschaft als sicher, auch wenn die Welt von politischen und wirtschaftlichen Katastrophen erschüttert wurde. Das änderte sich grundlegend als die Schweizer Nationalbank der anhaltenden Überbewertung des Schweizer Franken entgegen trat und später auch noch die feste Bindung an den Euro aufgab. Das brachte viele Kommunen in große Schwierigkeiten. Darunter Oer-Erkenschwik, Osnabrück als Landkreis und Stadt, Essen, Bochum, Mülheim, Münster, Hagen, Kamen und Bergkamen und den Kreis Unna - um nur ein paar der über 100 Gemeinden – davon alleine über 60 aus NRW - anzusprechen, die mit Derivaten oder Krediten auf Basis des Schweizer Franken gearbeitet haben. Die Kredite sollen alleine in NRW ca. 1,9 Mrd. Euro betragen haben.
Das führen wir deshalb noch einmal auf, weil das Risiko an vielen Stellen zu gering eingeschätzt bzw. gar nicht gesehen wurde - eben auch bei den bereits genannten übergeordneten Verwaltungen und Ämtern, die die Haushalte der Gemeinden prüften und genehmigten. Hier möchten wir noch auf Martin Lehrer bzw. den Städte – und Gemeindebund verweisen, die in diesem Zusammenhang sagen, dass den Kommunen hier kein Vorwurf zu machen sei.
Zum Schluss sollte auch noch einmal erwähnt werden, dass letztlich vor Gericht nicht abschließend geurteilt wurde. Die West LB hat lt. Aussage von Experten eben nicht explizit auf die Risiken hingewiesen. Hierin lag lt. BGH in 2011 ein Beratungsfehler - dieses Urteil nahmen viele Kommunen zum Anlass zu klagen. In 2014 wich das BGH vom ursprünglichen Urteil aus 2011 ab und bei den klagenden Kommunen entstand ein ganz neues Verfahrensrisiko in Richtung Verjährung. Das haben eben alle Städte und Lünen als letzte Stadt durch Vergleiche abgewandt. In Wikipedia wird das wie folgt beschrieben: Obwohl die Falschberatung durch die seinerzeitige WestLB vom Gericht festgestellt wurde, war der Vergleich aus Sicht der Kommunen sinnvoll, da sich die Bank auf die Verjährung bei fahrlässiger Falschberatung berufen konnte.
Hierin liegt der eigentliche Grund des Vergleiches – der sehr schmerzlich für unsere Stadt ist, den wir aber letztlich tragen müssen, um eventuell weiteren Schaden abzuwenden.

Autor:

Martina Adam aus Lünen

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