Ein unvergessliches Erlebnis: Udo Hußlein erinnert sich an WM-Finale '74
"Die Stimmung war der Wahnsinn. Ich hätte nie gedacht, dass Deutschland gewinnt", erzählt Udo Hußlein, während er sich an den 7. Juli 1974 zurückerinnert. Es scheint, als wüsste der mittlerweile 75-Jährige noch jedes Detail des Sonntags, an dem die Deutsche Nationalmannschaft im Münchener Olympiastadion zum zweiten Mal Weltmeister wird. Live im Stadion dabei, auf einem ganz besonderen Platz, verfolgte er die spannende Partie gegen die Niederländer. Dass es überhaupt dazu kam, verdankt er dabei einer frühzeitigen Planung und Geduld, vor allem aber einigen Zufällen.
Ein Jahr zuvor, 1973, stellte sich Hußlein in die Schlage vor einem Lüner Reisebüro, das die sogenannten Anrechtsscheine für die WM-Spiele in ganz Deutschland verkaufte. Hier kaufte er nach längerem Warten gleich elf Eintritsskarten für Spiele in Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf, Frankreich und München. Doch eine Tatsache trübte seine Freude – ausgerechnet für das Finalspiel erhielt er keine Sitzplatzkarte.
Kein Schlafplatz
Nichtsdestotrotz: die Vorfreude auf die Fußballspiele war groß und so war die Partie Brasilien gegen Jugoslawien die erste, die er im Frankfurter Stadion gemeinsam mit seiner Frau sah. Die anderen Partien schaute er sich größtenteils alleine an. So auch die beiden letzten in München. Das Spiel um Platz drei, Brasilien gegen Polen, und das Finale.
Schon am Abend vor dem Finale gab es aber ein Problem: "Ich hatte keinen Schlafplatz gebucht. Ich hatte mir gedacht: 'Ach du findest schon einen", erzählt Hußlein. Erst alleine, dann in Begleitung eines fremden Amerikaners, ebenfalls ohne Schlafplatz, stellte er dann aber fest, dass dem nicht so war. Halb München klapperten sie in einem Taxi ab, doch trotz Hilfe des Fahrers, nirgends fanden beide eine Unterkunft für die Nacht. "Irgendwann hielt der Taxifahrer dann vor einem Haus, stellte den Motor aus und ging hinauf. Als er einige Minuten später wieder runterkam, verstanden wir erst, dass es sein zu Hause war." Obwohl der Taxifahrer weder ihn, noch den Mann aus Amerika kannte, ließ er die beiden bei sich und seiner Familie schlafen. Hußlein: "Am nächsten Morgen haben wir sogar noch ein Frühstück bekommen, haben wollte die Familie nichts dafür."Eine Geste, die er so nie vergessen wird.
Große Überraschungen
Nach dem Frühstück machte er sich, mit der Stehplatzkarte in der Hand, auf den Weg durch ein euphorisch gestimmtes München. Vor dem Stadion kam ihm eine Frau entgegen. Für 80 Euro – Originalpreis – verkaufte sie eine Sitzplatzkarte. "Ich hatte zwar erst Zweifel an der Echtheit. Ich habe die Karte aber genommen, meine verkauft und als ich drin war dachte ich: 'Die ist ja wirklich echt'", erzählt Hußlein.
Auf die erste Überraschung folgte dann die nächste. Mitten auf der Haupttribüne durfte er auf Platz zwei in Reihe 28 Platz nehmen. Beim Blick auf den Sitz neben ihn erkannte er: kein geringerer als Ex-Nationalspieler Helmut Haller saß neben ihm. Hußlein: "Im Nachhinein habe ich dann vermutet, dass es seine Frau war, die die Karte verkauft hatte."
Viel Prominenz
Doch Haller war nicht der einzelne Prominente, mit dem Hußlein zusammen im Block saß. Auch die Spielerfrauen der Niederländer, sowie die polnische und brasilianische Nationalmannschaft hatten in den Reihen über ihm Platz genommen. Ein paar Plätze neben ihm saß außerdem die US-amerikanische Schauspielerin Liz Taylor. "Um keinen Ballast zu haben, habe ich mein Autogrammheft oder eine Kamera nicht mitgenommen", einer Tatsache, über die sich Hußlein auch 44 Jahre später noch ärgert. Doch das konnte seine Freude an diesem Tag nicht trüben.
Direkt zu Beginn des Spiels waren es aber erst einmal die niederländischen Spielerfrauen über ihm, die Grund zur Freude hatten. Die Elf aus dem Nachbarland ging durch einen Foulelfmeter in Führung. Für Helmut Haller ein Grund, Udo Hußlein auf das Bein zu hauen und zu sagen: "Jetzt gewinnen se, wenn se zurückliegen." Und so kam es dann auch. Ebenfalls mit Foulelfmeter glich Deutschland rund 25 Minuten später aus, kurz vor Ende der ersten Halbzeit schoss Gerd Müller das entscheidende Tor zum 2:1. Der zweite Weltmeistertitel für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft.
Lebenslange Erinnerungen
Nach Spielende genoss Hußlein die Feierstimmung in München. Mit dem Nachtzug ging es danach zurück nach Dortmund. Mit im Gepäck Erinnerungen, an verrückte Tage, an die er sein Leben lang gerne zurückdenken würde und wird.
Autor:Carolin Rau aus Lünen |
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