Angela Merkel erklärt den Krieg gegen das freie Internet

Lang gehegte Befürchtungen von Piratenpartei und Netzaktivisten, die Bundesregierung könnte die schwammigen Formulierungen zur Netzneutralität im Koalitionsvertrag zugunsten der großen Telekommunikationsanbieter auslegen, bewahrheiten sich:

Am 4. Dezember sprach sich Angela Merkel auf einer VODAFONE-Veranstaltung für eine “bevorzugte Behandlung” von “Spezialdiensten” aus.

In Sachen Breitandübertragung hinkt Deutschland bereits heute stellenweise manchem sogenannten “Entwicklungsland” hinterher. Besonders in den ländlichen Regionen – und zwar aus reinem Gewinnstreben. Anders als der damaligen staatlichen Behörde “Post” geht es den modernen Telekommunikationsriesen nämlich nicht um eine Grundversorgung der Bevölkerung, sondern um reines Gewinnstreben. Und da ist es natürlich viel attraktiver, sich in den Ballungszentren eine Preis-Schlacht nach der anderen um die Gegenden zu liefern, wo mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele zahlungskräftige Abnehmer erreichbar sind.

Ohne staatlichen Zwang wird sich das auch niemals ändern. Netzneutralität muss ins Gesetz! Und obwohl es nur noch ums Gewinnstreben geht, räumen die Altparteien der Telekom als kommerziellem Nachfolger der zerschlagenen staatlichen Fernmelde-Behörde nach wie vor zahlreiche Privilegien und Sonderrechte ein. Statt jedoch nicht nur die Telekom, sondern alle großen Anbieter endlich zu verpflichten, im Sinne des Gemeinwohls den Breitbandausbau konsequent voranzutreiben, betreibt die Kanzlerin unter dem Deckmantel begrenzter Kapazitäten den Ausverkauf der Netzneutralität.

Netzneutralität bezeichnet die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung im Internet – also dass alle Daten bei der Übertragung gleich behandelt werden, unabhängig von Sender, Empfänger, Inhalt oder der Anwendung, die die Datenpakete erstellt hat.

Diese gleichberechtigte Übertragung der Daten hat das Internet zu der bedeutenden Infrastruktur unserer Zeit gemacht, zum elementaren Teil unserer weltweiten Gesellschaft. Merkel, für die das Web offensichtlich immer noch „Neuland“ ist und wohl auch ewig bleiben wird, bedient jetzt wunschgemäß die Lobby der mächtigen Unternehmen im Netz und stellt die Netzneutralität in Frage. Dabei zeigt sich einmal mehr, wie gefährlich die von Lobbyisten gesteuerte Regierung der Altparteien für unsere wichtigen Systeme ist.

Ohne garantierte Netzneutralität wird es keine Startups mehr geben, die mit neuen Ideen einen wirklichen Mehrwert des Netzes für uns Benutzer schaffen. Stattdessen werden sich die Konzerne durchsetzen, die bereits jetzt genug mit unseren Daten verdienen, um sich den bevorzugten Transport ihrer Inhalte zu kaufen.

Angesichts des NSA- und BND-Skandals darf man zudem davon ausgehen, dass im Hintergrund nicht zuletzt weiter ausufernde Überwachungsphantasien stehen. Denn zugleich, Stichwort “Deep Packet Inspection”, wird mit der geplanten Bevorzugung von “Spezialdiensten” der Datenschutz praktisch abgeschafft. Schließlich wollen Inhalte und Metadaten ja erst einmal ausgewertet werden, um festzustellen, ob sie eine “Sonderbehandlung” verdienen.

Fazit: Die “Digitale Agenda” der Bundesregierung erweist sich ein weiteres Mal als Mittel zur Festigung bestehender Machtverhältnisse und nicht als visionäres Zukunftsprojekt. Statt Freiheit und Kreativität fördern CDU und SPD das genaue Gegenteil, um bestimmten Konzernen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Damit gefährdet die Bundesregierung nicht nur die Freiheit des Internets, sondern in hohem Maße auch den so oft beschworenen Bildungs- und Hochtechnologiestandort Deutschland.

Autor:

Uwe Fischer aus Marl

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