Auschwitz-Gedenkfeier in Marl findet am 27. Januar online statt

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Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar kann auch in diesem Jahr nicht wie gewohnt stattfinden. Stattdessen wird es eine Online-Gedenkfeier in der Scharounschule geben, die als Livestream auf dem städtischen YouTube-Kanal veröffentlicht wird. Vier Schulen,  der Integrationsrat der Stadt Marl und die städtische Musikschule erinnern mit Text- und Musikbeiträgen an die Opfer des Ghettos von Riga.

Tag der Befreiung von Auschwitz

Auschwitz ist das Synonym für den Massenmord der Nazis an Juden, Sinti und Roma und anderen Verfolgten. Auschwitz ist Ausdruck des Rassenwahns und das Kainsmal der deutschen Geschichte.

Der 27. Januar, der Tag der Befreiung von Auschwitz, ist daher kein Feiertag im üblichen Sinn. Er ist ein „DenkTag": Gedenken und Nachdenken über die Vergangenheit schaffen Orientierung für die Zukunft. Die beste Versicherung gegen Völkerhass, Totalitarismus, Faschismus und Nationalsozialismus ist und bleibt die Erinnerung an und die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte. 2022 jährt sich die Befreiung des KZ Auschwitz zum 77. Mal.

Auch 77 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz beobachten wir ein Wiedererstarken des Antisemitismus in Deutschland und eine Zunahme antisemitischer Gewalttaten. Vor diesem Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit den bedrückendsten Wahrheiten unserer Geschichte besonders gefordert.


Woran gedenken wir am 27. Januar?


Während der NS-Zeit ermordeten die Nazis in Auschwitz über anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Gefangenen des Konzentrationslagers.

Der Jahrestag der Befreiung wurde 1996 offizieller deutscher Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.
Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.

Aus Marl vertrieben

Der letzte Überlebende des Holocaust in Marl erinnerte immer an die Gewalterfahrungen in der NS-Zeit, von der Ermordung seiner Familie.

„1938 erlebte ich mit meiner Familie die Pogromnacht am 9.November in meiner Heimatstadt Marl. Unser Haus an der Loestrasse, in dem sich auch unser Geschäft befand, wurde von den Nazis in Brand gesetzt. Mein Vater wurde brutal von SA-Leuten zusammengeschlagen und im brennenden Geschäft zurückgelassen. In letzter Minute konnten wir ihn retten. Mein Vater konnte mit meinem Bruder Hans kurze Zeit später nach Belgien fliehen, meine Mutter, mein kleiner Bruder Nobert und ich sollten nachkommen. Noch bevor wir das Geld für den Fluchthelfer zusammen hatten, wurden die Grenzen dicht gemacht und so mussten wir zurückbleiben.
Zwei Wochen nach der Pogromnacht mussten wir Marl verlassen, die Stadt wollte ja „judenrein“ werden. Unser Haus nahm uns die Stadtverwaltung Marl weg, dort zog die NSDAP ein.

Rolf Abrahamsohn hat das Ghetto in Riga überlebt

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Er erinnerte sich:
Als wir am 1. Februar im Ghetto ankamen, stand gefrorenes Essen auf dem Tisch. Erst später erfuhren wir, dass das Essen für die lettischen Juden bestimmt war, die im Wald von Birneki erschossen wurden, damit wieder Platz im Ghetto war“. Aus dem nördlichen Ruhrgebiet sind insgesamt 938 Juden nach Riga deportiert, die dort fast alle zu Tode kamen. „Riga wurde zum Auschwitz für die westfälischen Juden“.

Die Marler Stadtverwaltung als Unterstützer der NSDAP?

Der Ortsgruppenleiter Becker der NSSAP schrieb damals an den Bürgermeister Willecke:
„Heute konnte die Ortsgruppe Marl der NSDAP ihre neuen Räume im Haus Loestrasse 26 beziehen. Für Ihre tatkräftige Unterstützung, der Partei ein würdiges Heim zu besorgen, spreche ich Ihnen meinen und meiner Mitarbeiter herzlichen Dank aus. Möge das Haus dazu beitragen, das enge Band zwischen der Amtsverwaltung und der Parteileitung noch enger zu gestalten. Das ist mein aufrichtiger Wunsch beim heutigen Einzug. Es würde mir eine große Freude sein, Sie recht bald im neuen Heim begrüßen zu können.
Ortsgruppenleiter Becker

Der Bürgermeister Willeke in Marl

Friedrich Wilhelm Willeke, war bis 1946 Bürgermeister in Marl. Als Bürgermeister setzte er sich 1938 nach der Pogromnacht für den Zwangsverkauf des Hauses des jüdischen Händlers Abrahamson, Loestraße 26, an die NSDAP ein. Nach dem Erwerb durch die Ortsgruppe Marl und dem Bezug als neue Parteizentrale dankte der Ortsgruppenleiter Becker Willeke für die gute Zusammenarbeit.
Ab 1. Mai 1933 war er NSDAP-Mitglied. 1945 beteiligte er sich an der Gründung der CDU. 1947–1965 war Hauptgeschäftsführer der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU. Willeke gehörte dem Deutschen Bundestag von 1953 bis zu seinem Tode an.

Rückblick 1941

Hilde Sherman war 18 Jahre alt, als sie in Düsseldorf-Derendorf auf den Zug wartete, der sie am 11. Dezember 1941 ins lettische Riga bringen sollte. Auf dem Bahnsteig wurde sie zum ersten Mal von einem SS-Offizier geschlagen und sie musste mitansehen, wie ein Mensch neben ihr zu Tode geprügelt wurde. „Doch es war erst der Anfang“, hat Hilde Sherman viele Jahre später als Holocaust-Überlebende gesagt.

Juden wurden nach Riga deportiert

Am 27. Januar – dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – erinnert die Stadt Marl an das Schicksal von Hilde Sherman und an alle Opfer des Ghettos von Riga. Dazu zählen mehr als 25.000 überwiegend deutsche Jüdinnen und Juden, die 1941/42 nach Riga deportiert wurden – darunter auch Marler Familien. Lettische Bewohnerinnen und Bewohner des Ghettos wurden am „Rigaer Blutsonntag“ grausam ermordet, um Platz für die Deportierten aus dem Deutschen Reich zu schaffen.

Programm der Online-Gedenkfeier

 Titel „Doch es war erst der Anfang“. Es gibt Musik- und Textbeiträge von Schülergruppen der Martin-Luther-King-Schule, des Gymnasiums im Loekamp, des Albert-Schweitzer-Geschwister-Scholl-Gymnasiums und der Willy-Brandt-Gesamtschule. Weitere Mitwirkende sind der Integrationsrat der Stadt Marl und die städtische Musikschule. Bereits vor der Gedenkfeier findet der ökumenische Gottesdienst mit Pfarrer Roland Wanke (Evangelische Stadt-Kirchengemeinde Marl) und Pastoralreferent Dr. Philipp Winger (Pfarrei Heilige Edith Stein) um 17 Uhr als Livestream statt.

Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen, den Gottesdienst sowie die Gedenkfeier auf dem städtischen YouTube-Kanal anzusehen.

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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