LWL-Klinik Marl-Sinsen: Tierische Therapeuten und Entspannung im Wald

Der Umgang mit den Tieren stärkt das Selbstvertrauen.
Foto: LWL
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Wenn die 15-jährige Alina (Name geändert) zu ihrer Therapiestunde geht, kann sie einige ihrer Co-Therapeuten meist schon hören. Mit einem Lauten "Ia!" verkünden Esel Friedemann und seine Gefährtin Marta, dass sie bereits wach sind. Zu ihren vierbeinigen "Kollegen" in der LWL-Klinik Marl-Sinsen gehören Ziegen, Heidschnucken, Meerschweinchen, Kaninchen und Damwild. Sie alle wohnen im zwei Hektar großen Tiergehege der Marler Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Ihre Aufgabe: Jungen Menschen mit psychischen Erkrankungen bei ihrer Gesundung zu helfen.

tiergestützte Intervention

"Die Stunden mit Friedemann und den anderen Tieren sind für mich der Höhepunkt der Woche", sagt das junge Mädchen. Sie wurde in der Schule ausgegrenzt und gemobbt, zog sich daraufhin völlig zurück und verweigerte sogar den Schulbesuch. Anders als ihre Mitschülerinnen nehmen die Tiere auf dem Klinikgelände Alina an, wie sie ist. Und genau dort liegt ein großer Vorteil der tiergestützten Therapie: "Den Tieren ist egal, ob jemand dick oder dünn ist, blaue oder rote Haare hat", erklärt Petra Wiethoff. Sie ist eine von drei zertifizierten Fachkräften für tiergestützte Intervention und begleitet die Kinder und Jugendlichen bei ihren tierischen Therapiestunden. "Durch diese Akzeptanz fühlen sich die Kinder und Jugendlichen gewertschätzt."

Arbeit im Tiergehege

Durch die Interaktion mit den Tieren lernen die jungen Patienten auch, Vertrauen zu anderen Lebewesen zu fassen - häufig das erste Mal überhaupt in ihrem Leben. "Hinzu kommt, dass die Kinder nicht sprechen müssen, denn die Kommunikation mit Tieren läuft in erster Linie nonverbal ab." Das sei für viele Patienten eine Erleichterung, gerade bei traumatischen Erfahrungen, über die zu sprechen sie noch nicht bereit seien. Gleichzeitig werden sie durch die Arbeit im Tiergehege der Klinik auch körperlich gefordert: "Viele unserer Patienten sind im Alltag nicht sehr aktiv, häufig bedingt durch ihre psychische Erkrankung. Das ändert sich im Kontakt mit unseren 'Co-Therapeuten' - Fellpflege, Füttern, Spaziergänge, all das wirkt aktivierend."

Therapiestunden im Wald

Neben der tiergestützten Therapie macht sich die LWL-Klinik Marl-Sinsen die Natur noch auf andere Art und Weise zu Nutze: "Wir bieten in unserer Klinik Therapiestunden im Wald", erklärt Konrad Staschenuk, einer von mehreren Waldpädagogen und Waldpädagoginnen der LWL-Klinik Marl-Sinsen. Das liegt nahe, denn das 34 Hektar große Klinikgelände liegt mitten im Waldgebiet Haard. "Den Wald nutzen wir als natürlichen Ort, um der Unruhe im Alltag entgegenzuwirken." Übungen wie etwa ein paar Minuten innezuhalten und sich voll und ganz auf die Geräusche der Natur zu konzentrieren wären anfangs für viele Kinder ungewohnt und häufig auch schwierig durchzuhalten. "Nach und nach gelingt es in dieser ruhigen Atmosphäre aber immer besser, sich zu entspannen. Im Wald gibt es keine Überstimulierung, die Geräusche werden als sehr beruhigend empfunden." Gleichzeitig biete die Natur den idealen Rahmen für die jungen Patienten, um selbst kreativ zu werden und zu lernen, Herausforderungen aus eigener Kraft zu bewältigen.

Gesprächstherapie

Tiergestützte Therapie und Waldpädagogik allein reichen natürlich nicht aus, um schwere psychische Erkrankungen zu überwinden. Dr. Claus-Rüdiger Haas, Direktor der LWL-Klinik Marl-Sinsen: "Neben Therapieformen wie der Gesprächstherapie ist gerade für Kinder und Jugendliche das familiäre Umfeld extrem wichtig." Deshalb seien die Therapeuten regelmäßig in engem Kontakt mit den Angehörigen der Patienten, mehrmals pro Woche würden die Eltern ihre Kinder außerdem in der Klinik besuchen.
Auch Alina ist bewusst, dass noch ein weiter Weg der Genesung vor ihr liegt. Aber: "Friedemann und seine Freunde unterstützt mich dabei."

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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