Junge Gedanken zur Altstadt

Generationswechsel im Zollhäuschen. Pascal Lütz übernahm dort im November die Zapfhähne von Edith Jenschewski. Foto: Michael de Clerque
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  • Generationswechsel im Zollhäuschen. Pascal Lütz übernahm dort im November die Zapfhähne von Edith Jenschewski. Foto: Michael de Clerque
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An diesem Weihnachtsmarkt-Wochenende steht die Monheimer Altstadt wieder ganz im Mittelpunkt des Geschehens. So voll wie traditionell zum dritten Adventswochenende ist es in den Gassen zwischen Schelmenturm und Kapellenstraße freilich längst nicht immer.

Doch Grund für Schwarzmalerei sieht zumindest ein junger Mann nicht. Pascal Lütz hat nach dem „Biergarten zur Altstadt“ im November auch das „Zollhäuschen“ als Wirt übernommen und dort mit Edith Jenschewski ein echtes Urgestein der Monheimer Gastronomie-Szene abgelöst. Er sieht in der Altstadt auch für die Jugend eine Chance und zündet in der dunklen Jahreszeit mehr als eine Kerze der Hoffnung an. Der studierte Wirtschaftsinformatiker und junge Existenzgründer im Schlagwort-Interview mit dem Wochen-Anzeiger.

Leben und leben lassen

„Was ich schade finde, ist die Tatsache, dass die Altstadt oft viel schlechter gemacht wird, als sie tatsächlich ist. Vor allem die Politik redet die Altstadt häufig schwach. Auch die Journalisten sind da nicht ganz unschuldig. Da entsteht nach außen hin manchmal eine völlig falsche Wahrnehmung. Ich persönlich denke, dass die Altstadt auf einem sehr guten Weg ist. Und die Leute, die tatsächlich am Altstadtleben teilnehmen, bekommen das durchaus mit. Von denen beschwert sich auch niemand. Manchmal habe ich das Gefühl, diese zuweilen übertrieben negative Stimmung wird oft von Leuten hereingetragen, die gar nicht zu den regelmäßigen Altstadtbesuchern gehören. Die meinen es vielleicht gut. Aber es schadet zuweilen eher als das es nützt.“

Das Glas ist eher halbvoll als halbleer

„Im Winter kann man sicherlich hier oder da noch nachlegen. Wer jedoch im Sommer durch die Altstadt, bei uns im ‚Biergarten‘ oder ‚Bormacher’s‘ reinschaut, zum ‚Spielmann‘ oder in den ‚Pfannenhof‘ geht, der wird feststellen: Da ist überall was los!“

Alte Zeiten gleich bessere Zeiten?
„Klar, vor 20, 25 Jahren war es hier voller. Da fuhr auch noch kein Bus nach Düsseldorf und die S-Bahn pendelte nicht die ganze Nacht von hier zu den umliegenden Großstädten. Ich bin froh, dass das heute geht. Und in der Altstadt geht trotzdem was.“

Wiederbelebung der Altstadt

„Ich kann es wirklich nicht mehr hören. Immer wenn ein großes Event ansteht heißt es gleich wieder: das dient der Wiederbelebung der Altstadt. Die Altstadt ist aber nicht tot!“

Gefühlte Fülle

„Nach dem Martinszug hat hier bei mir ins ‚Zollhäuschen‘ kein Mensch mehr reingepasst. Um 3 Uhr bin ich dann noch zu Marcel (‚Spielmann‘-Wirt Marcel Mayer; d.Red.) rübergegangen. Da war auch immer noch was los. Also, was wollen wir? Ich kenne von unseren Wirte-Runden keinen Wirt, der sich wirklich beschwert.“

Verändertes Ausgehverhalten

„Bei den Menschen hat in den letzten 10 bis 20 Jahren gerade mit Blick auf das Ausgehverhalten ein Umdenken stattgefunden. Ich kann mich erinnern, dass meine Eltern sich über die Karnevalstage früher immer frei genommen haben. Wer macht das denn heute noch so? Es wird auch seltener einfach mal so blau gemacht. Das ganze Arbeitsverhalten hat sich geändert. Die Arbeitsplätze sind nicht mehr so sicher. Das schlägt sich natürlich auch beim Ausgehverhalten wieder. Gerade in der Woche.“

Die Stadthalle

Ich habe einer so großen Stadthalle, wie sie dort geplant war, von Beginn an kritisch gegenübergestanden. Die Altstadtbewohner sind wirklich sehr tolerant, wenn es hier mal lauter wird. Es gibt praktisch keine Probleme. Aber sie haben sich natürlich auch ein wenig darauf eingerichtet, dass hier nicht mehr ganz so viel lost ist wie früher. Dass man bei bis zu drei Terminen in der Woche, an denen da unten auf dem Schützenplatz Bambule hätte sein sollen, nicht begeistert gewesen ist, kann ich schon verstehen. Und auch das Parkplatzproblem ist nicht von der Hand zu weisen. Hier wäre wahrscheinlich immer alles zugeparkt gewesen. Mein Standpunkt ist klar: Wir brauchen keine Stadthalle, zumindest nicht in dieser Dimension! Für drei, vier Monheimer Veranstaltungen mehr, die man dort vielleicht realisieren könnte, lohnen sich einfach die Nachteile nicht.“

Dunkle Tage

„Im Frühjahr kommen die Menschen von allein. Der Karneval und die Weihnachtszeit sind Selbstläufer. Schwieriger ist es halt im November und im März. Da müssen wir eben durch. Ansonsten muss man halt immer wieder eine Einladung an die Gäste aussprechen, etwas tun, Konzerte organisieren oder mehr.“

Die Altstadt als autofreie Zone?

„Die Altstadt als Autofreie Zone an den Wochenende. Das wäre was! Und es kostet nichtmal nicht viel. Man sieht das zum Beispiel an den Jazztagen oder bei anderen Festivals. Da ist gleich eine ganz andere Stimmung in der Stadt, wenn sich die Leute frei bewegen können. Mit Durchfahrtscheinen für die Anwohner könnte man da sicherlich eine gute Regelung finden.“

Eine eher miese Außendarstellung

„Das Außenbild der Altstadt muss verbessert werden. Über den Marktplatz brauchen wir nicht zu reden. Der ist eine Schande! Der Brunnen läuft nicht. Höchstens wenn gerade mal Filmaufnahmen gemacht werden. Da war die Altstadt auch plötzlich sauber. Die Edith hat mit 75 Jahren hier noch regelmäßig selbst gefegt und das Unkraut rausgezupft. Das mache ich auch. Aber ich sehe nicht ein, warum ich den Marktplatz sauberhalten muss. Da muss auch die Stadt etwas machen. Da könnte auch die Politik mal ansetzen. Und auch das kann nicht die Welt kosten.“

Hoffnung für 2013

„Immerhin: Für das nächste Jahr ist an eine einheitliche Bepflanzung gedacht. Es tut sich auch was bei der Stadt. Da wird wohl darüber nachgedacht, dass für die Außengastronomie künftig kein zusätzliches Geld mehr verlangt wird. Dass der Marktplatz wieder belebt wird, ist zum Beispiel ganz wichtig für das Gesamtbild. In der alten Pizzeria wird sich wohl nichts mehr tun. Aber der ‚Spielmann‘ oder das ‚Gasthaus Alter Markt‘ könnten das schon leisten – wenn es sich rechnet.“

Konkurrenz und Miteinander

„Es gibt kein Konkurrenzdenken unter uns Wirten. Wenn hier etwas los ist, sind alle Kneipen voll. Ich profitiere auch von den Speisegaststätten, hab‘ hier in diesen Tagen jeden Abend Gäste, die vom Gänseessen aus dem ‚Drüje‘ oder dem ‚Pfannenhof‘ kommen. Jeder Laden der offen ist, ist gut für die Altstadt. Das sehen hier inzwischen auch alle Wirte so. Der Bernhard (Firneburg; d.Red.) hat mir in seiner Schreinerei die Tische und Bänke für den Wintergarten gebaut. Der Marcel (Mayer; d.Red) fragt mich, wenn er zur Metro fährt, ob ich auch was brauche. Die Stimmung ist gut.“

Mit dem Herzen dabei

„Wenn man einmal drin steckt kommt man nicht mehr raus. Gastronomie ist ein hartes Geschäft. Aber ich habe einfach Spaß daran. Sicher, in diesem Metier scheitern viele. Und natürlich kann ich auch scheitern. Aber ich denke, ich gehöre nicht zu denen, die einfach nur sagen: Ich kann Bier trinken, dann kann ich auch Bier verkaufen. Und dann gehen sie doch den Bach runter. Schauen Sie nur, wie oft allein im ‚Spielmann‘ in den letzten Jahren die Wirte gewechselt haben. Das ist nicht gerade gut fürs Image. Letztlich ist es wie mit einem Fliesenleger. Da gibt es Meister, die es wirklich können – aber inzwischen auch ganz viele Schwarze Schafe. Die können es nicht. Und auch Bier kann eben nicht jeder verkaufen. Das ist einfach so. Manchmal geht es wirklich ganz einfach: Nach meinem Uerige-Alt sind die Leute zum Beispiel ganz verrückt. Und das gab es hier vorher einfach nicht.“

Autor:

Thomas Spekowius aus Monheim am Rhein

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