Bei der Bürgerversammlung zum ÖPNV sammelte Dezernent Peter Vermeulen Anregungen ein
„Die Kürzungen gehen an unseren Bedürfnissen völlig vorbei“

Dezernent Peter Vermeulen informierte über die viel diskutierte Liniennetzoptimierung.
Foto: PR-Fotografie Köhring/AK
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  • Dezernent Peter Vermeulen informierte über die viel diskutierte Liniennetzoptimierung.
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Zur Haushaltskonsolidierung hat der Rat der Stadt Mülheim am 6. Dezember 2018 beschlossen, bis zum Jahr 2023 im ÖPNV nachhaltig und dauerhaft 7,0 Millionen Euro pro Jahr einzusparen.

Und solange das so ist, kann der zuständige Dezernent Peter Vermeulen der interessierten Bürgerschaft nur eingeschränkte Angebote machen: „Uns ist wichtig, dass wir uns mit Ihnen austauschen und Ihre Anmerkungen und Hinweise aufnehmen. Aber über eines können wir nicht diskutieren: Über die Einsparvorgabe der Politik. Sollte allerdings die Akzeptanz weiterhin fehlen, könnte die Politik da noch mal rangehen. Eine Alternative wären Grundsteuererhöhungen, da haben wir massive Bürgerproteste erlebt. Mülheim greift den Bürgern da schon tief in die Tasche.“ Im Ruhrfoyer der Stadthalle nehmen an die hundert Interessierte an der Bürgerversammlung teil. Verstärkung hat er sich mitgebracht, der Dezernent. Neben den beiden Geschäftsführern der Ruhrbahn Uwe Bonan und Michael Feller sitzt unter anderem Heinrich Böckelühr im Plenum, der Präsident der Gemeindeprüfungsanstalt NRW.

Die Gründe der Misere?

Zunächst möchte Vermeulen den Versammelten deutlich machen, was da im Raume steht: „Worüber reden wir hier eigentlich?“ Er erläutert kurz die Hintergründe der „viel diskutierten Liniennetzoptimierung“. Das Busnetz werde mit dem Ziel überplant, das Schienennetz zu bedienen. In Mülheim müssten höhere Zuschüsse in den ÖPNV gesteckt werden als in anderen Städten. Deutlich mehr. Allerdings betont Vermeulen: „Das ist nicht der Ruhrbahn anzulasten!“ Das wissen alle im Saal: Die Gründe der heutigen Misere liegen teils Jahrzehnte zurück. Einleuchtendes Beispiel seien gleich drei unterschiedliche Schienen- und Zugsysteme in der Stadt: „Wir haben ein Grundnetz an Straßenbahnen. Das wollen wir auch erhalten. Aber Parallelverkehre müssen nicht sein. Die zugegeben wenig attraktiven Bedarfsverkehre werden wir durch On Demand verstärken. Und wenn wir Leerfahrten abschaffen, ist das doch keine Verschlechterung des ÖPNV. Das verbliebene Schienennetz wäre die Grundstruktur. Nach Neuordnung und Reduzierung der Buslinien von 14 auf 11 würden zum Beispiel nur noch zwei Linien über die Schlossbrücke fahren und nicht mehr sechs. Die Reisezeiten könnten durch Aufgabe einzelner Haltestellen verkürzt werden. Wir wollen die Flexibilität steigern, dabei die Fahrgastzahlen noch genauer betrachten. Klarheit und Transparenz in die Strukturen bringen.“ Soweit der Dezernent. Was folgt, ist neben durchaus verständlichen Unmutsbezeugungen auch erstaunlich tiefschürfende Betrachtungen der verfahrenen Situation von offenbar höchst kundigen Bürgern.

Geharnischte Proteste

Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn lässt kein gutes Haar an den ursprünglichen Planungen, die ja von der Politik bereits höchst kritisch betrachtet worden sind: „Wenn Sie im ÖPNV 30 Prozent wegfallen lassen, müssen Sie auch im Verwaltungsapparat reduzieren. Sonst ist ihre relative Wirtschaftlichkeit noch schlechter. Auch rechnen wir mit einer deutlich höheren Minderung der Fahrgastzahlen als Sie.“ Nun prasseln gut durchdachte Anmerkungen und geharnischte Proteste auf den fürs Verkehrswesen zuständigen Beigeordneten ein. Die Stadt wolle die Straßenbahnen anscheinend aus ideologischen Gründen abschaffen zugunsten des Autoverkehrs: „Doch was ist mit denen, die sich kein Auto leisten können? Die es sich nicht leisten können, aus Mülheim wegzuziehen?“ Die Straßenbahn nach Saarn wurde ins Spiel gebracht. Nicht nur hier sollen die Vorschläge der Tramvia geprüft werden. In vielen Stadtteilen wie etwa in Speldorf-Süd entstünden zukünftig „Schwarze Löcher“. Aber es müsse doch in den ÖPNV investiert werden, und nicht gekürzt, sonst gingen noch mehr Fahrgäste verloren. Rund um die Haltestelle Waldschlösschen sei Zuzugsgebiet junger Familien. Überall dort werde gebaut, gleichzeitig der ÖPNV gekappt: „Wie haben Sie sich das vorgestellt?“

Schülerverkehre

Eine Mutter aus der Heimaterde hatte beobachtet, wie sich jetzt schon die Schüler in den Bus quetschen müssen. Ein Schulvertreterin betont, wie wichtig ein funktionierendes Netz zum Beispiel für das Gymnasium Heißen ist: „Unsere rund 1.000 Schüler nutzen fast alle den ÖPNV und sind auf die Linien angewiesen. Die Kürzungen gehen an unseren Bedürfnissen völlig vorbei.“ Hier wies Vermeulen darauf hin, dass die Verwaltung viele Signale in der Richtung erhalten habe: „Wir werden uns den Schülerverkehren noch einmal widmen. Die Schulen müssen da aber auch flexibler werden.“
Vollbesetzte Busse seien deutlich gefährlicher für ältere Menschen als die stabileren Bahnen. Und überhaupt wird angezweifelt, dass die Straßenbahn wirklich teurer sei als der Bus. Man müsse nur sämtliche Kosten wie zerstörte Straßenbeläge einrechnen. Die Uni Kassel habe zum Beispiel so festgestellt, dass in München der Bus achtmal teuer sei. Was sei mit den gewährten Landesmitteln, wenn deren Grundlage gestrichen würde? Vermeulen gibt zu: „Da stehen immer Rückzahlungen im Raum. Zum Beispiel am Oppspring. Aber wir müssen Investitionen tätigen, solange wir dort fahren. Deshalb denken wir über ein Gesamtkonzept nach. Dann wird man die Zuschussfrage gesamt diskutieren mit der Bezirksregierung.“
Peter Vermeulen endet mit der Einladung an alle, bei den Planungen am neuen Netz 23 mitzuwirken: „Und vielen herzlichen Dank für Ihre konstruktive Kritik.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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