Die Vereinigten Staaten von Europa – ein Ideenkonstrukt mit Zukunft

Um die EU steht es schlecht. Das geeinigte Europa ist in vielen Bereichen in Bedrängnis. Die Schuldenkrise bzw. die Euro Finanzsystematik, der äußerst unvernünftige Brexit, die Flüchtlingskrise mit dem unsicheren Mittelmeerraum, die unklare Situation mit Katalonien, die Gefährdung durch Terror und Cyberwar, sowie die Bedrohung durch Russland. Es bröckelt an allen Enden. Die üblichen Meinungsverschiedenheiten und alltags Probleme im Bündnis tun ihr übriges:
„In Uneinigkeit geeint“.
Dabei könnte doch alles so schön sein. Europa erlebt die längste Friedensphase aller Zeiten, die EU als führende Wirtschaftsmacht ist unangefochten und in der Gesellschaft tut sich ein Umdenken auf. Die zahlreichen Kritiker, die sich meist in den politisch rechten Lagern sammeln bewirken oftmals jedoch eine Diskussion mit ungewollten Nebeneffekt. Bei dem Versuch die Bevölkerung im Wahlkampf davon zu überzeugen, dass die EU schlecht für uns alle ist, schießt man sich selbst ins Bein, denn die Pro Argumente überlagern Contra in einem solchen Maße, dass die Diskussion selbst zur Face wird.
Im internationalen Wettstreit der Supermächte würden die europäischen Länder alleine zermahlen. Gemeinsam jedoch gibt es unbegrenztes Potential. Dieses wird bisher jedoch nicht genutzt. Es liegt an der jüngeren Generation für Europa einzustehen. Der Umschwung der Wähler hin zu jungen pro europäischen Politikern wie Macron und Kurz ermöglichen es einen neuen Impuls zur Stabilisierung der Situation zu geben und so Zweifler nicht nur verstummen zu lassen, sondern auch vom Projekt zu überzeugen und mitzureißen. Ein Schlüssel dazu ist die gemeinsame Sicherheitspolitik. Der vorbildliche Vorstoß der EU Außenbeauftragten Federica Mogherini zu einer engeren Verteidigungspolitik ist dabei maßgebend. Die Ursprungsidee dazu geht mit dem Pleven-Plan bis zum Anfang der 50er Jahre zurück. Den Kalten Krieg und die Sowjetunion gibt es heute so zwar nicht mehr, aber Russland zeigt sich vorwiegend unseriös und feindselig gegenüber der EU. Man versucht die Gemeinschaft zu schwächen, indem man europafeindliche Parteien aus dem rechten Spektrum finanziell unterstützt, es werden Ex – Agenten kaltblütig ermordet, Stellvertreterkriege angezettelt, Cyberangriffe durchgeführt, unverhohlen mit Atomwaffen gedroht und strategische Häfen im Schwarzmeer und Mittelmeer besetzt, um durch den Einsatz von Militär politischen Druck ausüben zu können. Allen Putin-Verstehern zum Trotz muss die EU sich als Europäische Verteidigungsgemeinschaft im Kontext der NATO weiterentwickeln. Dialog ist immer richtig und wichtig. Vor allem mit Russland. Dieser darf aber nicht aus der Position der Schwäche, sondern aus der Position der Stärke stattfinden. Verständnis für Russlands Außenpolitik und eigenen Interessen muss man dabei nicht zu ernst nehmen. Bei realen Kriegen und Bedrohungen muss Schluss sein. Angekratztes Ego und Selbstverständnis hin oder her.
Deutschland als Lokomotive in Europa gibt dabei nur ein sehr schwaches Bild ab. Die Bundeswehr wurde in den letzten 20 Jahren von linker Politik und permanenter Weichspülung in führenden Positionen wie Ministerium und Generalstab in die nahezu vollkommene Kampfunfähigkeit gesteuert. Eine Korrektur, wenn nicht sogar ein kompletter Neuanfang dieser Armee wird Jahre bis Jahrzehnte andauern. Bis zum Ende der 80er Jahre galt die Truppe als durchaus schlagfertig und konnte immer reale Abschreckungskraft aufbauen. Heute weiß der Kreml, dass von der EU de Facto keine Gefahr ausgehen kann.
Maßnahmen wie die (leichte) Erhöhung von Wehretats, aber vor allem die Kooperation in Rüstung und die Aufstellung gemeinsamer Verbände ist für die Zukunft zwingend.
In der Bundesrepublik wird eine Stärkung der Armee und des Bündnisses unter Europäern schwer werden, denn das Alibiargument eines falschverstandenen Pazifismuses, sowie Dekadenz und bequemer Überfluss hat das Augenmerk auf staatstragende Elemente verlieren lassen.
Unabhängig von der supranational ausgerichteten Verteidigungspolitik ist aber in erster Linie die Geisteshaltung der Bürger entscheidend. Die EU Institutionen haben bei Ihren Bürgern einen schlechten Ruf. Man fühlt sich „von oben“ „bis in den Suppentopf“ hineinregiert und reguliert. Dies ist jedoch bezogen auf den Gesamtumfang dieser Gemeinschaft ungerechtfertigt. Ganz ohne Bürokratie und Zentralisierung geht es nicht.
In erster Linie muss der Bürger an die großen Freiheiten der EU erinnert werden. Der Europäer genießt Vorzüge, die sonst kaum ein anderer Mensch auf der Erde hat. Rechtssicherheit, freie Meinungsäußerung, freie Arbeitsplatzwahl oder Reisefreiheit sind nur einige Punkte.
Jeder Bürger muss verstehen, dass er Teil dieser EU ist. Jeder Bürger muss sich selbst als Europäer sehen, wie ein Europäer handeln und sich für die EU einsetzen. Ein jeder der versteht, wie lange es gedauert hat, dass sich dieses Bündnis geschlossen hat, ein jeder, der rekapituliert wie viele Millionen Menschen (meist aus Dummheit) dafür gestorben sind, ein jeder der sich für das gigantische Kulturangebot und die Vielseitigkeit interessiert, dem wird das Herz aufgehen und das fantastische an dieser Union begreifen. Der Nachteil der Differenzen zwischen Völkern mit unterschiedlicher Sprache und Identität wird sich zum Vorteil wandeln, wenn die gesamte europäische Idee in den Köpfen der Menschen ankommt. Von Kiruna nach Valletta, von Talinn über Köln nach Lissabon und darüber hinaus bis zu den Azoren, von St. Andrews über Oxford und Löwen nach Salzburg und Palermo. Französisch Guyana nicht einmal erwähnt und viele erahnen wie viel Vielfalt ein geeintes Europa beinhaltet. Eine Vielfalt von der Amerikaner und Chinesen nur träumen können. All dies entspringt im Kleinen, im Lokalen. Die heimischen Bräuche, Gepflogenheiten, Traditionen und Dialekte müssen erhalten werden. Sie geben den Menschen ihren Halt, ihre Identität, ihre Stärke. Sie sind es, die die Vielfalt ausmachen und müssen für Europa zur Verfügung stehen. Dies macht das Bündnis aus, darin sind alle geeint. Übertriebener Nationalismus und Protektionismus würden nichtig. Global denken, lokal handeln heißt die die Devise. Der Europatag muss auch in jeder Kleinstadt wie ein schönes großes Volksfest gefeiert werden. Die europäische Fahne muss auch auf dem Land über jedem Rathaus wehen. Es soll sich ein positiver und ehrlicher, von sich selbst aus dem Inneren kommender Patriotismus entwickeln.
Vor 100 Jahren ging der erste Weltkrieg zu Ende. Damals schlugen sich die Urgroßväter in den Feldern Frankreichs noch mit Säbeln die Köpfe ein. Heute kann man die selben Felder aus einer anderen Sicht sehen: Nämlich aus dem Panoramafenster vom TGV Bordbistro mit Ziel-Bahnhof Paris. Vor 75 Jahren warfen deutsche Bomber ihre tödliche Last auf London. Heute fliegen wir in einer Stunde von Düsseldorf in die britische Hauptstadt, um Geschäftspartner zu treffen. Vor nicht ganz 400 Jahren zogen schweizer Söldner durch Mitteleuropa, um die Einwohner im Auftrag irgendwelcher Könige gegen Sold vom rechten Glauben zu überzeugen. Heute herrscht Religionsfreiheit.
Diese Errungenschaften dürfen nicht von Demagogen und Scharfmachern grundlos wieder kaputt gemacht werden. Leute wie Nigel Farage, die mit ihrer Ideologie immer schon gut im kaputt machen waren, aber für Aufbau nie zu gebrauchen waren, muss man die Augen öffnen.
Eine gemeinsame Sicherheitspolitik und ein höheres Engagement auf lokaler Ebene sind die richtigen Ideen für die EU.
Wenn die EU und ihre Bürger die richtigen Ideen, auf dem Weg in die Zukunft umsetzen können, dann ist der nächste Schritt zum Konstrukt der Vereinigten Staaten von Europa getan.

Jan Westerwalbesloh

Autor:

Jan Westerwalbesloh aus Mülheim an der Ruhr

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