Nicht nur am Gymnasium Heißen gab es Probleme
Schnelltests im Schulalltag

Die Q1-Schülerinnen Thea Schenk (vorne) und Luisa Reichwein waren an Tag Zwei des Schnelltest-Pilots an der Reihe. | Foto: PR-Fotografie Köhring/AK
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  • Die Q1-Schülerinnen Thea Schenk (vorne) und Luisa Reichwein waren an Tag Zwei des Schnelltest-Pilots an der Reihe.
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"Testen, testen , testen und möglichst viele impfen" - das ist der Weg der Bundesregierung aus der Pandemie. Noch ist er steinig. Wie sehr, zeigte uns das Gymnasium Heißen exemplarisch.

Von Andrea Rosenthal

Um die Schulen trotz steigender Inzidenzwerte offen halten zu können, setzt auch Landesbildungsministerin Yvonne Gehbauer auf Schnelltests. Zweimal in der Woche soll jeder Schüler auf das Coronavirus geprüft werden.

Doch von der Ankündigung bis zur Umsetzung dauerte es. Erst in dieser Woche kamen die Tests in den Mülheimer Schulen an. Und mit ihnen die nächsten Probleme.

"Die Tests von der Firma Roche sind nicht einzeln verpackt, sondern in 25er-Einheiten", berichtet Dr. Sigrun Leistritz, Schulleiterin des Gymnasiums Heißen. Um für die jeweils geteilten Klassen- oder Kursstärken Sets zusammen zu stellen, mussten die Lehrer diese unter hygienischen Bedingungen selbst packen. Handschuhe und Desinfektionsmittel wurden benötigt, beides wird weder vom Land noch von der Stadt als Schulträger gestellt.

Theorie trifft auf Praxis

Als nächstes stellte sich die Frage nach der praktischen Durchführung. Dr. Leistritz stellt klar: "Wenn man sich einen Klassenraum mit 15 Schülern vorstellt, dann sind Abstände von 1,5 Metern schon nicht immer einzuhalten. Selbst bei geöffneten Fenstern bleibt ein ungutes Gefühl, wenn alle gleichzeitig die Masken abnehmen, um sich zu testen." Befürchtet worden sei zudem ein Niesreiz, der durch das Teststäbchen im Naseninneren ausgelöst werden könnte. Dann säßen alle in einer Aerosolwolke. Das sei weder Schülern noch Lehrern zuzumuten.

Blieb der Test auf dem Schulhof. Doch auch dort gibt es Schwierigkeiten. Es fehlen die direkten Möglichkeiten zu Handhygiene, da die Stadt Desinfektionsmittel als Gefahrstoffe ansieht und verbietet. "Außerdem stellte sich heraus, dass die Tests nicht kälter als 15°C werden dürfen, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen", weiß die Schulleiterin nun.

Also wurde die kleine Turnhalle, die auch die Grundschule am Sunderplatz mitbenutzt, zum Testzentrum deklariert. Die Temperatur stimmt, es gibt Waschmöglichkeiten und ausreichend Platz für den Abstand. Statt Sportunterricht nun medizinische Aufklärung. Nasenabstrich unter Aufsicht.
Raumfrage gelöst! Doch das war nicht das Ende der Probleme. "Was passiert mit dem ganzen Müll? Wie gehen wir mit positiven Schnelltests um? Wer betreut die Schüler?", formuliert Dr. Sigrun Leistritz einige Fragen.

Für die erste Woche fand die Schulleiterin eine Lösung, indem sie die Malteser aus Bottrop beauftragte. Die schickten am Mittwoch und Donnerstag ein fünfköpfiges Team um Notfallsanitäter Tobias Steinecke zur Kleiststraße, das die Aufklärung der Kinder, die Testdurchführung und die Müllentsorgung übernahm. Die Kosten, ein hoher dreistelliger Betrag, trägt die Schule in Eigenregie. Die Lehrer ergänzten die Maßnahme, indem sie die Kinder in Kleingruppen zu den Teststationen brachten, die wartenden Schüler beaufsichtigten und gegebenenfalls die positiven Fälle zu beruhigen. Auch die Information der Eltern und die sofortige Quarantäne nach einem positiven Test wollen in diesen Fällen organisiert sein.

Es braucht Routine

Und dann ging es los: Mit dem Abstrichstäbchen auf den Schulhof, auf den Abstand achten und Maske ab! Nun mussten die Schüler die Stäbchen in die Nase einführen, mindestens zwei Zentimeter tief. In jedem Nasenloch etwa zehn Sekunden drehen und ab in die Turnhalle damit. Dort warteten die vorbereiteten Teströhrchen. Die Stäbchen wurden in die Röhrchen gesteckt, zehnmal gerührt und hoch und runter gestampft. Danach das Teströhrchen mit der Pipettenkappe verschließen und exakt vier Tropfen auf das Testfeld geben.

Was den Maltesern nach zahlreichen Einsätzen in Alten- und Pflegeheimen gekonnt von der Hand geht, müssen die Schüler noch üben. Nach den Ferien müssen sie es ohne Anleitung schaffen. Nach 15 bis 30 Minuten ist das Testergebnis da. Ein Strich lässt aufatmen - negativ. Doch genau darin sieht die Schulleiterin Dr. Sigrun Leistritz eine Gefahr: "Die Tests lassen die Schüler leichtsinnig werden, nicht alle achten dann auf den Abstand. Doch sie müssen verinnerlichen, dass es genauso falsch negative wie falsch positive Tests geben kann." Also bleibt es trotz der Tests beim wichtigen AHA+L.

Die Bilanz

Nach dieser Woche zieht Dr. Sigrun Leistritz Bilanz: "Ich hoffe nach den Ferien auf das österreichische Modell, also darauf, dass die Kinder die Tests schon zuhause durchführen." Die letzte Schulmail des Ministeriums von Donnerstag, 25. März, hält jedoch an den Tests in der Schule fest. Im Praxistest zeigte sich, dass die Vorstellungen aus Düsseldorf und die Schulrealität nicht zusammenpassen. Der Zeitaufwand: mindestens eine Schulstunde werden für die Tests und die Abfallentsorgung benötigt. Der Lehreraufwand: Für eventuelle positive Fälle müssen immer Lehrer zur Betreuung bereit stehen, während der jeweilige Unterrichtende sich um die Klassengruppe und die Testdurchführung kümmert.

Auf Kosten des Unterrichts

"Sollte aus Düsseldorf keine Erlaubnis für die Testungen zuhause kommen, wird weiterhin viel Unterricht ausfallen", ist sich die Heißener Schulleiterin sicher. Da das Ergebnis nur für etwa zwölf bis 24 Stunden sicher ist, weil die Viruslast bei einer Infektion von nicht nachweisbar bis bereits ansteckend in ungefähr dieser Zeit steigt, müssen die Schüler im Wechselunterricht zweimal pro Woche getestet werden. Das heißt pro Klasse vier Testrunden also vier Stunden Unterrichtsausfall pro Woche. Wenn Lehrer, die nicht in Präsenz unterrichten, sondern in der Zeit das Distanzlernen betreuen, sich nun um die positiven Fälle kümmern müssen, fehlt es auch in dem Bereich.

Bleibt noch das Ergebnis der Schnelltests in Heißen aus dieser Woche: Getestet wurden fast alle der 965 Schüler. Ein Testergebnis war positiv. "Dies wurde sehr schnell im Diagnosezentrum bestätigt. Nun gehen alle Kontaktpersonen in Quarantäne", erklärt die Schulleitung die Folgen.

Die Corona-Zahlen für Mülheim

(Stand 26.3., 6.01 Uhr)
>> Inzidenzwert: 133
>> Infizierte: 317
>> Quarantänen: 1098
>> Infizierte unter 20 Jahre: 100 
>> Quarantäne in KiTas: 3 Gruppen
>> Quarantäne in Grundschulen: 9 Klassen bzw. Lerngruppen
>> Quarantäne in der Hauptschule: 2 Klassen
>> Quarantänen an Gesamtschulen: 6 Lerngruppen
>> Quarantänen an Realschulen: 0
>> Quarantänen an Gymnasien: 3 Lerngruppen

Einen Kommentar zu den Schnelltests in Schulen finden Sie hier.

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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