Das Mülheimer Klimaforum befragte Bundestagskandidaten
Wie hast du’s mit dem Klimaschutz?

Das Podium war besetzt mit Dr. Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne), Edith Bartelmus-Scholich (Linke), Eliseo Maugeri (Linke), Timo Spors (Grüne), Sebastian Fiedler (SPD), Joachim vom Berg (FDP), Jens Geier SPD), Astrid Timmermann-Fechter (CDU) und Marie-Luise Dött (CDU). 
Foto: Henschke
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  • Das Podium war besetzt mit Dr. Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne), Edith Bartelmus-Scholich (Linke), Eliseo Maugeri (Linke), Timo Spors (Grüne), Sebastian Fiedler (SPD), Joachim vom Berg (FDP), Jens Geier SPD), Astrid Timmermann-Fechter (CDU) und Marie-Luise Dött (CDU).
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Was wollen die im September zur Wahl stehenden Parteien für den Klimaschutz tun, was sagen die Bundestagskandidaten? Die Mülheimer Initiative für Klimaschutz lud sie ein in die Stadthalle zu einer seiner regelmäßigen Klimaforum-Veranstaltungen.

100 Bürger und 20 Unternehmen sind Mitglieder dieses 2008 gegründeten, überparteilichen Vereins. Der Vorstand ist prominent besetzt. Dr. Bernhard Leidinger ist Unternehmensberater, war 2003 der Kandidat der CDU im OB-Wahlkampf, ist aber parteilos. Dr. Natalia Balcázar wirkt als Umwelt- und Energieeffizienzberaterin, Volker Weißhuhn ist Bereichsleiter Energieversorgung und Dr. Jürgen Zentgraf wurde den Mülheimern als Chef des Umweltamtes bekannt.

Eingeladen waren fünf Kandidaten für den Bundestags-Wahlkreis 118: Astrid Timmermann-Fechter (CDU), Dr. Franziska Krumwiede-Steiner (Grüne), Sebastian Fiedler (SPD), Joachim vom Berg (FDP) und Eliseo Maugeri (Linke). Flankierend saßen Experten mit auf dem Podium: Marie-Luise Dött von der CDU, der SPD-Mann Jens Geier, Timo Spors (Grüne) sowie Edith Bartelmus-Scholich (Linke).

Bernhard Leidinger legte vor. Mit Ausnahme der AfD würden sich zwar alle Parteien zum Erfordernis einer Verbesserung des Klimaschutzes bekennen. Qualitativ seien die Aussagen der einzelnen Parteien aber kaum voneinander zu unterscheiden. Die anstehende Bundestagswahl werfe da Fragen auf. Man müsse schon sehr genau hinschauen, um das „Was“ und das „Wie“ unterscheiden zu können.

Jahrhundertaufgabe

In zehnminütigen Statements konnten die Parteien ihr Klimaschutz-Wahlprogramm vorstellen, in zuvor ausgeloster Reihenfolge. In vielem war man sich einig: Die nächste Bundesregierung werde sich mit aller Macht der Jahrhundertaufgabe Klimaschutz stellen müssen.

Die Grünen wehrten sich gegen den Vorwurf, alles verbieten zu wollen. Franziska Krumwiede-Steiner verblüffte gar: „Verbrenner müssen wir gar nicht verbieten, da das die Wirtschaft regeln wird.“ Sie stamme aus Ingolstadt, dort werde Audi ab 2026 gar keine Verbrennungsmotoren mehr herstellen. Dann legte die Grüne nach und erklärte, bei Regierungsbeteiligung ihrer Partei sollten steuerliche Anreize den sozial-ökologischen Umbau forcieren. Dass ihr Ansatz nicht zu bezahlen sei, halten die Grünen für ein Scheinargument. Die Schäden durch die jüngsten Klimakatastrophen gingen ja jetzt schon in die Milliarden. Der Vorsitzende des Mobilitätsausschusses Timo Spors ergänzte, Mülheim müsse ganz konkrete Maßnahmen entwickeln: „Wir müssen 2035 klimaneutral werden.“

Kreislaufwirtschaft

Edith Bartelmus-Scholich von der Ökologischen Plattform der Linken redete nicht drum herum. Schwindende Ressource und Umweltschäden sorgten für dringenden Handlungsbedarf: „Wir müssen sofort und sehr konsequent handeln.“ Sozial gerecht und nachhaltig wolle die Linke bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen um 80 Prozent reduzieren. Eine soziale Abfederung solle die Akzeptanz in allen Bevölkerungsschichten zu erhöhen. Wasserstoff solle in der energieintensiven Industrie eingesetzt werden. Bartelmus-Scholich mahnte eine Kreislaufwirtschaft an mit hoher Recyclingquote, längerer Lebensdauer der Produkte und regionaler Produktion. In der Landwirtschaft müsse man weg von den Monokulturen und der Massentierhaltung. Neue Techniken würden Arbeitsplätze schaffen. Ein neues Wohlstandsmodell werde 2,5 Millionen hochqualifizierter neuer Jobs schaffen.

Für die FDP warb Joachim vom Berg für eine marktwirtschaftliche Lösung. Man solle den Emissionshandel auf alle Sektoren ausweiten: „Wer CO2 ausstößt, muss ein Zertifikat kaufen.“ Diese Zertifikate würden nach und nach begrenzt und sich damit verteuern: „Das ist Marktwirtschaft.“ Das Land sei selbstzufrieden und satt geworden. Das hätten die jüngsten Krisen eindeutig dokumentiert. Die FDP wolle das ändern und auf Wissenschaft und Forschung setzen. Klimaschutz sei zwar existenziell, dürfe aber nicht technikfrei gedacht werden: „Wir Deutschen haben das Auto erfunden.“ Innovative Technologien würden Energie bezahlbar halten. Grüner Wasserstoff solle die zweite Säule im Energiemix werden. Auch sei die FDP für mehr Freude am Erfinden als am Verbieten.

Globales Problem

Das sieht die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU im Bundestag Marie-Luise Dött genauso. Sie setze auf Anreize statt Verbote, der nationale Emissionshandel werde fossile Techniken teuer machen. Klimaschutz sei eine Aufgabe, die auf allen Ebenen gelöst werden müsse, auch in den Kommunen. Sie zählte Erfolge der amtierenden Regierung auf. Das Klimaziel für 2020 sei sogar übertroffen, das Bundesklimaschutzgesetz gebe die Ziele vor. Für die Union gehe dieser „nationale Kraftakt“ nur mit den Komponenten ökologisch ökonomisch und sozial. Sie sprach angesichts der Flutkatastrophe die Schaffung von „Schwammstädten“ an. Da der Klimawandel ein globales Problem sei, helfe da auch nur internationale Klimapolitik. Deutschland werde einen wesentlichen Beitrag leisten zum Pariser Abkommen.

Was der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier noch vertiefte: „Die wesentlichen Richtlinien werden in Europa umgesetzt.“ Deutschland sei noch ambitionierter als der europäische „Green Deal“ und wolle bereits 2050 klimaneutral werden. Seine Partei wolle die Energieversorgung bis 2040 komplett umgestellt haben, mit Netz- und Speicherausbau. Die SPD sehe erhebliche Arbeitsplatzzugewinne durch Digitalisierung und intelligente Systeme: „Klimaschutz ist die soziale Aufgabe der nächsten Jahrzehnte. Wir wollen alle mitnehmen und werden den Angstmachern keinen Platz geben.“ SPD-Bundestagskandidat Sebastian Fiedler sprach über die richtigen Strategien, den Wandel hinzubekommen: „Zunächst muss das Problem deutlich gemacht werden. Nur so können wir möglichst viele Menschen mobilisieren bei der Klimadebatte.“

Kohleverstromung

In der anschließenden Fragerunde wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede spürbar. An der Kohleverstromung schieden sich die Geister. Während Grüne und Linke einen Ausstieg bis 2030 fordern und die Linken das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4 sofort wieder vom Netz nehmen möchten, warb zum Beispiel die CDU für einen Kohleausstieg „bis spätestens 2038“ und Strukturhilfen für die betroffenen Gebiete. Die sichere Versorgung mit Energie müsse gewährleistet sein und Datteln 4 sorge nun mal für Netzstabilität. Jens Geier betonte, die Kohle früher obsolet machen zu wollen. Timo Spors appellierte, man müsse zunächst die dreckigsten Kraftwerke vom Netz nehmen.

Klimaschutz dürfe nicht auf Kosten der Schwächsten unserer Gesellschaft gehen, die soziale Komponente hoben alle Parteien hervor. Nicht jeder wollte so weit gehen wie der Linke Eliseo Maugeri, der die „Big Player“ zur Verantwortung ziehen möchte: „Wir müssen uns mit den reichen Konzernen anlegen, die für 71 Prozent der industriellen CO2-Produktion verantwortlich sind.“ Ärmere Menschen seien ungleich mehr betroffen von den Auswirkungen des Klimawandels: „Wer vermögend ist, kann sich in Sicherheit bringen.“ Die Sozialdemokraten möchten soziale Ausgleiche schaffen für die CO2-Bepreisung. Astrid Timmermann-Fechter (CDU) stellte fest, dass man bei der „größten Herausforderung dieser Zeit“ die Ökonomie und das Soziale mitdenken müsse.

Ein Tempolimit?

Die Mobilitätswende mit intelligent gesteuertem ÖPNV ist Konsens. Nutzerfreundlicher soll er werden, damit deutlich mehr Fahrgäste anlocken. Die Linken betonten, Güter gehörten auf die Schiene, Flüge unter 500 Kilometern dürften nicht mehr erlaubt sein und überflüssige Flughäfen müssten zurückgebaut werden. Für die FDP haben neuartige synthetische Kraftstoffe ihren Reiz, die ohne teure Umrüstung der Verbrennungsmotoren einsetzbar sein. Von einem Tempolimit wollte Joachim vom Berg nichts wissen: „Verkehr, der fließt, bringt deutlich mehr Einsparungen.“ Was Jens Geier konterte: „Mit hohem Tempo steigt der CO2-Ausstoß enorm.“

Bei Windkraft und Photovoltaik müssten die Genehmigungsverfahren entbürokratisiert werden. Marie-Luise Dött verdeutlichte die Probleme, die Photovoltaik zum Beispiel bei Mietshäusern aufwerfe. Sebastian Fiedler warf ein, zurzeit erlebe man in Heimaterde exemplarisch, wie Klima- und Denkmalschutz kollidierten und der Konflikt vor Gericht lande: „Das ist doch grotesk.“

Das Klimaforum wurde im Stream gesendet und ist nun auf Youtube zu sehen.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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