Zukunftsschule vor dem Aus?

Die beiden Schulen an der Bruchstraße fürchten nun um ihre Zukunft. | Foto: Jiri Kollmann
  • Die beiden Schulen an der Bruchstraße fürchten nun um ihre Zukunft.
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Drei Tage vor der Ratssitzung sorgt ein Antrag von CDU, Grüne, FDP und MBI für einen Paukenschlag: Sie fordern das Ende des Projektes „Zukunftsschule“.
8,5 Millionen Euro sollten für die Realisierung der Zukunftsschule investiert werden. Diese Summe wollen die Parteien, die gemeinsam eine Mehrheit im Rat haben, lieber über mehrere Jahre in die Bildungsentwicklungsplanung stecken - ohne konkretere Angaben. Begründung: Aufgrund der Haushaltslage sei es nicht vertretbar, das Geld für ein einzelnes Neubau-Projekt zu binden.Die Schulleitungen der Hauptschule Bruchstraße und der benachbarten Grundschule zeigten sich entsetzt.
8,5 Millionen Euro wollte die Stadt in die Zukunftsschule investieren. Ein Nullsummenspiel, denn genau diese Summe braucht man, um die sonst fällige Sanierung der Hauptschule an der Bruchstraße und der Grundschule am Dichterviertel durchzuführen, die wegen des Projektes Zukunftsschule seit Jahren aufgeschoben worden ist.
Umso weniger kann Thomas Konietzka, stellvertretender Leiter der Stadtkanzlei und zuständig für das Projektteam, den Antrag von CDU, Grüne, FDP und MBI zum Stopp des Projektes nachvollziehen: „Wir würden mit den 8,5 Millionen Euro Eigeninvestition ein Gebäude für 40 Millionen Euro nach Eppinghofen holen, ganz zu schweigen vom Mehrwert für den Stadtteil.“ Geht das Geld, wie es im Antrag gefordert wird, ganz allgemein in den Bildungsentwicklungsplan, dann hätte Eppinghofen auf jeden Fall das Nachsehen. „Wenn die Zukunftsschule nicht kommt, ist die Bildungslandschaft in Eppinghofen tot“, macht Konietzka deutlich. Ob entsprechende Förderungen fließen, um das Projekt finanzieren zu können, ist der einzige Knackpunkt. „Das entscheidet sich in den nächsten Monaten“, versichert Konietzka.
Gabriele Klar, Leiterin der Hauptschule, fasste die ersten Reaktionen des Schulkollegiums zusammen: „Entsetzen, Fassungslosigkeit, wie vor den Kopf geschlagen. Und das Gefühl, dass unsere Arbeit nicht wertgeschätzt wird.“ Denn seit drei Jahren arbeitet das Kollegium mit am Projekt Zukunftsschule, hat sich im Stadtteil vernetzt und Partnerschaften aufgebaut. „Da sind ganz viele Institutionen beteiligt, von der Stadtteilkonferenz, dem Stadtteilmanagement über die offene Kinder- und Jugendarbeit bis zu AWO und Caritas.“ Alle arbeiten Hand in Hand, um vom Kindergarten an bis zum Schulabschluss alle Kinder bestmöglichst zu fördern. Ein berufsorientiertes Schulzentrum soll hier entstehen, mit integrierter Kindertagesstätte, Angeboten wie Sprachkursen und einer engen Vernetzung zur Sozial- und Stadtteilarbeit. „Wir setzen dieses Konzept bereits seit zwei Jahren um und können schon die ersten Früchte ernten. Es tut unseren Schülern gut. Und das alles wird kaputt gemacht, von Leuten, die davon keine Ahnung haben.“ Auch Martin Bahr, Schulleiter der Grundschule am Dichterviertel, findet deutliche Worte (siehe Kasten rechts).
Annette Lostermann-DeNil, stellvertretende Fraktionssprecherin der Grünen, verteidigt den Antrag. „Die Grünen haben sich auch in der Vergangenheit gegen dieses Konzept ausgesprochen. Hier soll eine Entscheidung über die Schullandschaft gefällt werden, ohne dass das als solches auch diskutiert wird.“ Denn eine Zukunftsschule hätte nicht nur gravierende Auswirkungen auf die anderen beiden Hauptschulen, sondern auch auf die in der Nähe liegenden Realschulen. „Ein solches Projekt gehört auch eher nach Styrum, wenn man sich zum Beispiel die Anmeldezahlen ansieht. Dass die in Eppinghofen zu gering sind, darüber wird auch nicht gesprochen.“ Zudem wolle man kein Leuchtturmprojekt, sondern Chancengleichheit für alle Kinder.
Da hält Schulleiterin Gabriele Klar entgegen: „Wir haben seit zwei Jahren steigende Anmeldezahlen und sind durchgehend zweizügig.“ Auch Thomas Konietzka hält diese Sichtweise für zu einseitig. „Wir haben nicht die Herangehensweise, einfach nur auf die reinen Zahlen zu schauen. Sondern hier werden individuelle Lebensentwürfe betrachtet, das ist eine andere Ebene. Bei der Zukunftsschule arbeiten überschaubare Systeme zusammen, wie die Jugendhilfe, die Offene Kinder- und Jugendarbeit, Pädagogen und Lehrer. Sie schauen genau hin, wie das einzelne Kind gefördert werden kann. Das macht den Erfolg aus, das wäre aber in einem großen System wie einer Gesamtschule nicht möglich.“
Überrascht von dem Antrag wurde auch die SPD-Fraktion, die Montagmorgen noch mit der CDU gemeinsame Gespräche über den Haushalt geführt hatte. „Dabei ist kein Wort über die Zukunftsschule gesagt worden, das zeugt nicht von offenem Umgang miteinander“, ist Fraktionssprecher Dieter Wiechering erzürnt. Der Antrag sei eine Katastrophe, jahrelange Arbeit von Experten und Lehrern sei für die Katz, viel Geld umsonst ausgegeben.
Wiechering hält die Grünen-Ratsherrin Inge Göricke zudem für befangen, da sie als Lehrerin an einer Mülheimer Hauptschule auch persönlich von der Zukunftsschule betroffen wäre. Die Hoffnung, dass sich die Grünen dennoch bewegen könnten, sah er aber nach Gesprächen am Mittwochmorgen im Ältestenrat nicht bestätigt.
Entschieden wird über den Antrag in der Ratssitzung am Donnerstag, 7. Oktober, im Tagungsraum „Aquamax“ im Aquatorium der RWW, Moritzstraße 16 bis 22. „Wir werden da sein“, verspricht Gabriele Klar, die auf eine aktive Schülerschaft und die Eltern setzt.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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