Aus den Tiefen der Schubladen

Die Mülheimer Künstlerin Ursula Hirsch mit ihren Werken OBO 4 und OBO 6 in der Galerie 46. 
Foto: Henschke
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Die Mülheimer Künstlerin Ursula Hirsch mit ihren Arbeiten in der Galerie 46 an der Aktienstraße

Ursula Hirsch strahlt ihr unvergleichliches Lächeln. Petra Steinhardt vom Folkwang-Museum lädt gerade dazu ein, das Gesamtwerk der 87-Jährigen wieder und neu zu entdecken. So berichtet Steinhardt, wie sie mit Künstlerin Gabriele Klages ins Archiv steigen und stöbern durfte: „Immer wieder kam Neues zum Vorschein!“

Dann wird es Ursula Hirsch doch zu bunt: „Genug der Worte!“ Lobhudelei ist ihr fremd geblieben in all‘ den Jahren: „Nun wenden wir uns den Bildern zu und dem Kaffee.“ Doch ein Wort gilt noch Susanne und Michael Strauch: „Wir Künstler kommen gerne zu euch wegen der schönen Werkstatt-Atmosphäre.“ Das Galeristenpaar spürte im übervollen Depot der Künstlerin Schätze auf, bietet ihnen nun bis zum 25. Februar 2017 eine Herberge: „Aus den Tiefen der Schubladen wurde so einiges raus gefischt, was selbst Ursulas Freunde noch nicht kannten.“ Seit Sonntag sind also in den Räumen der Galerie 46 an der Aktienstraße über 60 Arbeiten der Mülheimer Künstlerin zu sehen. Der idyllische Hinterhof mit der Bilderrahmenwerkstatt Vogt wirkt wie aus der Zeit gefallen, eine steile, knarrende Treppe geht es hoch. Dann öffnet sich ein ganz eigener Raum unter der Dachschräge, der in komprimierter Hängung doch den Stücken ihren Freiraum, sie atmen lässt.

Ein 60-jähriges Werkschaffen

Vor dem Betrachter breitet sich eine kunstvolle Welt aus, sie ist umfassend und abwechslungsreich und spielt mit höchst unterschiedlichen Materialien. Abstrakte Malerei, Grafiken, Radierungen, Collagen: Ursula Hirsch wollte und ließ sich nie festlegen, festzurren. Eine offene Haltung den Mitmenschen und der Natur, auch Spirituellem gegenüber. Das half ihr, stets neue Kraft zu schöpfen, die Ausdruck in bewegender Kunst fand. Früh-Konkretes, minimalistisch-pointiert, kleine subtile Arbeiten. Freie Grafiken geben Einblicke in Reisen, ihre Liebe zum Theater, geradezu übermütige Collagen lassen den charmanten Witz der Künstlerin aufblitzen. Ein atemberaubendes, 60-jähriges Werkschaffen. Doch alleine das Retro in „Retrospektive“ lässt sie erschauern: Hirsch blickt lieber nach vorn, ist immer interessiert, saugt auf, kommentiert auf ihre ganz eigene Weise. Nie fehlen Offenheit, Neugier und das spielerische Element.

Chevalier de l‘Ordre des Arts et des Lettres

Die 1929 geborene Ursula Hirsch absolvierte eine künstlerische Ausbildung und anschließend eine Glasmalerlehre, 1958 folgte die Meisterprüfung. Für die selbstständige Glasmalerin war beim Wiederaufbau viel zu tun, so gibt es ein Hirsch-Fenster in der Katherinenschule. Auch gestaltete sie den Kreuzweg im Kloster Saarn. In Südfrankreich entstanden in einer kleine Kapelle Fenster, für die sie sogar den Orden „Chevalier de l‘Ordre des Arts et des Lettres“ verliehen bekam. Ursula Hirsch ist aktives Mitglied im „Ruhrländischen Künstlerbund“ und in der „AG Mülheimer Künstler“. Doch die 87-Jährige ist weit davon entfernt, sich eitel als „künstlerische Autorität“ zu inszenieren. Ihre höchst vitale, oft geradezu kindliche, verschmitzte Art, sie wischt die die Jahre einfach weg. Dennoch wird es wohl ihre letzte Einzelausstellung sein, die Teilnahme an der Jahresausstellung im Kunstmuseum bleibt aber Ehrensache.

Ruhestand?

„Ja, ich werde immer langsamer, immer vergesslicher. Da geht es nur noch in kleinen Schritten.“ Doch das böse Wort „Ruhestand“ würde der freischaffenden Künstlerin nie über die Lippen kommen. Denkt man in diesem gesegneten Alter an die Zeit danach? Ja, Ursula Hirsch hat Archivar Bernd Eichhorn damit beauftragt, zu sichten, zu katalogisieren, für die Nachwelt zu dokumentieren. So lief schon die Zusammenarbeit beim Nachlass ihres 1978 verstorbenen Ehemanns Werner Graeff, bekannter Bauhauskünstler. Dessen Œuvre ist nun dem Museum Wiesbaden vermacht. Ob es später auch einen Ort für das Hirsch‘sche Schaffen geben wird?

Ausstellung bis zum 25. Februar

„Ursula Hirsch – Arbeiten von 1962 bis 2016“ in den Räumen der Galerie 46 an der Aktienstraße 46. Bis zum 25. Februar 2017 läuft die Ausstellung, ihre Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 10 bis 18.30 Uhr und samstags von 10 bis 15.30 Uhr. An Feiertagen sowie vom 23. Dezember bis 9. Januar bleibt die Galerie geschlossen.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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