Die Katze (Für Franziskus Firla)

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Die Sonne schien freundlich und wärmend auf ihn herab, aber seine Miene war finster und kalt. Verbissen kniff er die Lippen zusammen, und haderte mit dem Schicksal, das ihn auf den Liegestuhl auf seinem Balkon zwang.
Er hatte sich auf dem letzten Glatteis des Winters, den Fuss gebrochen. Nun lief er an Krücken und jammerte den lieben, langen Tag lang. Freunde und Verwandte kamen nur noch selten. Sie konnten es einfach nicht mehr hören.
Auch sein Arzt kam nicht mehr. Er könne laufen, er müsse es nur wollen. Schmerzmittel bekam er auch keine mehr, und das machte ihn noch verdrossener. Krankengymnastik hat er kategorisch abgelehnt. Ein Fremder im Haus, das hätte ihm grade noch gefehlt.
Fremde schnüffeln doch nur rum, und am Ende klauen sie noch. Nicht mit ihm!

Er hatte einmal viele Freunde und war gut gelitten. Auf keiner Party fehlte er, und er wurde oft eingeladen. Dann kam der Tag, an dem er berentet wurde. Lehrer war er, an einer Grundschule. in einem Problemviertel. Und das hiess für ihn nicht nur unterrichten, sondern auch Lebenshilfe geben.
Es hatte ihn stolz und zufrieden gemacht, wenn er sah, das seine Arbeit Früchte trug.
Wenn der Zappelphilipp von dem Lauftraining zu müde zum zappeln war, der starke, aggressive Junge, im Sportverein seine Aggression los wurde, und Teamgeist entwickelte, wenn das schüchterne Mädchen mit der Brille beim Ausflug in den Wald, zeigte wie man mit einer Brille Feuer machen konnte, und auf einmal etwas hatte, das die anderen nicht hatten, und sie nicht mehr Brillenschlange, sondern Feuerfrau hiess.
Er wusste, das er gute Arbeit leistete, wenn die Frau zu ihm kam, die nicht genug Geld für die Schulausflüge für die 3 Söhne hatte, und er ihr half, das Geld zu beschaffen. Oder der junge Witwer, dessen Tochter sich immer mehr in sich zurückzog, nach dem Tod der Mutter, und er dem Mann den Weg zu Selbsthilfegruppen ebnete.

Doch davon war nichts übrig geblieben. Er traf auch niemanden aus dieser Zeit mehr. Der Bezirk, in dem er unterrichtete, lag 20 Kilometer weit weg. Er war aufs Land gezogen, als die Kinder noch klein waren. Doch da wurde seine Frau depressiv. Sie brauchte Menschen. Und so wohnte sie unter der Woche in der Stadt, und am Wochenende bei ihm. So entfremdeten sie sich langsam. Nach dem Abitur der jüngsten trennten sie sich friedlich. Er lernte jemanden kennen, und das ging auch gut, bis… ja bis er in Rente ging. Sie sagte, er sei unleidlich geworden, und nach einem Jahr war sie weg. Nun war er 2 Jahre alleine und immer griesgrämiger geworden. Aber natürlich war er nicht Schuld daran. Wie auch? In seinen Augen war er noch derselbe wie früher.

Während er dort sass und mit allem haderte, hörte er eine Katze schreien, und gleich darauf das Jaulen eines Hundes, dann ein lautes Fauchen und er ärgerte sich über den Lärm.
In seinem Kopf entstand eine kleine Szene mit einem Hund, der grade eins über die Nase gezogen bekam, und den Schwanz einkneifend, davon zog. Er musste lächeln, und als dann eine Katze mit einem beherzten Sprung von Baum gegenüber auf seinem Balkongeländer landete, so geschickt, wie ein Seiltänzer, musste er lachen. Laut lachen! Er erschrak fast, vor seinem eigenen Laut. „Na!“ meinte er dann. „Hast du dem Kläffer eins draufgegeben?“
Die Katze legte den Kopf zur Seite und sprang auf den Balkon. Sie schaute ihn an, fast dachte er, als würde sie ihn abschätzen. Dann legte sie eine ihrer Weissen Pfoten auf sein Knie und richtete sich dabei auf. Leise maunzte sie, und hielt den Kopf gesenkt. Unwillkürlich strich er darüber, und sie drückte den Kopf in seine Hand.

„Ein schönes Tier bist du!“ sagte er.

Sie war Pechschwarz mit weissen Pfoten und einem Lätzchen. Auf einmal war sie wieder auf dem Geländer, schaute sich noch einmal kurz um, und war dann weg. Leises Bedauern kroch in ihm hoch. Ein Gefühl, das er nicht mehr kannte. Er stand auf, und schaute nach ihr. Sie war nicht mehr zu sehen. Ein leises Seufzen entfloh seiner Brust, als er sich wieder auf seine Liege zurück legte. Er schlummerte weg.
Plötzlich wurde er von etwas Warmen in seinem Schoss wach, das sich auch noch bewegte. Als er die Augen öffnete, glaubte er noch zu träumen. Er riebe seine Augen, schaute nochmal hin, und wusste nun, das er wach war. In seinem Schoss lagen 2 junge Kätzchen. Die Mutter war nicht zu sehen. Er war ratlos.
Als er noch überlegte, ob er die kleinen, schwarz-weissen Fellknäuel anfassen sollte, fiel ein Schatten auf sie, und schwups, fiel noch ein Baby in seinen Schoss. Ein rotgetigertes diesmal. Er bemerkte die geschlossenen Augen, und das sie Angst hatten. Die Kätzin war schon wieder weg, und kam noch 2 mal mit einer fast weissen süssen, kleinen Last und einem weiss-rot-schwarz gefleckten Baby zurück. Dann setzte sie sich aufrecht und auffordernd vor ihn hin, als wolle sie ihn auffordern, etwas zu unternehmen.
Ihm wurde klar, das sie vorhin ihre Babys vor dem Hund geschützt hatte, und dann schnell einen neuen Platz suchte. So war sie bei ihm gelandet, hatte ihn berochen und für gut befunden, und brachte ihn nun ihre Babys. Doch was nun? Soviel Vertrauen hatte er einst von seinen Schülern bekommen. Erinnerungen an schöne Zeiten wurden wach, und er zog fast mechanisch sein Shirt aus, bettete die Babys hinein, und stand dann auf um sie auf die Liege zu legen.

Was nun? Er überlegte kurz und ging dann in die Wohnung. Er nahm Geldbörse, Einkaufsbeutel und Schlüssel, verliess die Wohnung so rasch er konnte auf seinen Krücken und stand nach 5 Minuten in dem Supermarkt. Dort legte er seine Krücken in den Einkaufswagen und begann, einzukaufen.
Katzentoilette, Katzenstreu, einen Korb, Futter, Spielzeug, eben alles was er glaubte, für seine neuen Mitbewohner zu brauchen. Er hatte es eilig. Und so bemerkte er erst zuhause, das er den Rückweg ohne Krücken gemacht hatte.
Ein zufriedenes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er daran dachte, das sie nun alleine an der Theke standen, wo er das Hackfleisch gekauft hatte. Er öffnete seine Wohnungstüre und sofort stand die Katzenmama da, maunzte als wolle sie ihn begrüssen und fragen, hast du auch an alles gedacht? Dann lief sie Richtung Wohnzimmer und führte ihn zur Couch. Und 4 winzige Katzenköpfchen wackelten auf seinem Lieblingsplatz herum. Er sah sie an, stemmte die Hände in die Hüften, und fing an zu lachen.

Er lachte, und lachte, und lachte….

Autor:

Claudia Jacobs aus Mülheim an der Ruhr

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