„Glücklich über die Entwicklung“

Foto: PR-Foto Köhring/KP
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Schrottverarbeiter Jost zieht ans Wasser und weg von der Speldorfer Wohnbebauung

Es glänzt in der Sonne. Direkt am Wasser blinken Haufen von Metall. Besteck, Töpfe, Pfannen, Spülbecken, alte Boiler, Teile von Waschmaschinen, Tabletts, Rohre, ausgestanzte Bleche. Ein paar Meter weiter türmen sich völlig verrostete Knäuel an Stangen und Rohren. Konrad Jost schmunzelt: „Dies war mal unsere Fallwerksanlage!“ Auseinander genommen, wartet sie aufs Einschmelzen.

Schrott. Lärm. Eine Kombination, unter der die Anwohner in Speldorf lange litten. An der Weseler Straße standen riesige Falltürme, die den angefahrenen Schrott unter Getöse zerkleinerten, um ihn weiter verarbeiten zu können. Die Firma Paul Jost gab zum Jahreswechsel den alten Standort auf, zog im Hafengebiet rund zwei Kilometer weiter, direkt ans Wasser, weit weg von der Wohnbebauung. Jetzt stellte das Traditionsunternehmen, seit 1950 in dritter Generation in Mülheim ansässig, der Politik seine neuen Betriebsanlagen vor. Seit Juli 2015 wird an der Timmerhellstraße gewerkelt, es entsteht Großes. Konrad Jost erläutert die Entwicklung, die es seinem Betrieb ermöglichte, auf die frei gewordene Fläche an der Kaimauer umzuziehen. Vorgänger wie Intersehro und TSR Rhein-Ruhr nutzten die Fläche ähnlich, nun zieht eine moderne Anlage mit hohen technischen Standards ein.

Direkter Zugang zum Wasser

Denn das ursprüngliche Geschäftsmodell des Zerkleinerns von Guss-Schrott spielt etwa seit 2004 kaum noch eine Rolle: „Wir interessieren uns bei unserem Recycling hauptsächlich für Edelstahl, hier die Legierungen mit Nickel, Chrom und Molybdän. Von unserer monatlichen Umschlagsmenge 17.000 Tonnen sind rund 12.000 Tonnen Edelstahl, 1.000 Tonnen Kupfer und Aluminium. Der Rest ist dann unlegierter Schrott.“ Die überwiegend aus Deutschland, aber auch schon mal aus Kasachstan stammenden Schrotte kommen mit dem LKW in geringen Mengen an, werden von betriebseigenen Chemikern analysiert, die Beschaffenheit der Stoffe untersucht. Es wird auf höchstem Niveau von Umweltstandards gearbeitet, die Mitarbeiter laufend im Umgang mit Analysengeräten, Radioaktivitätskontrollen sowie im Umgang mit wassergefährdenden Stoffen geschult. Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier betont: „Ein in allen Facetten kontrollierter und genehmigter Betrieb.“
Der direkte Zugang zum Wasser ist absolut notwendig für das Geschäft, denn 98 Prozent des verarbeiteten Schrotts gehen ins Ausland. Per Bahn, besonders aber auf dem Wasserweg, werden Kunden in Asien, Finnland, Spanien, Belgien, Frankreich im großen Stil beliefert: „Es ist nicht mehr das Kleinklein von früher, wir denken in großen Einheiten.“ 200 Millionen Euro Jahresumsatz kommen nicht von ungefähr. Weite Wege schrecken inzwischen auch nicht mehr, die Preise spielen verrückt: „Wahnsinn. Einen Übersee-Container mit dem Schiff nach Asien zu versenden, kostet heute nicht mehr, als einen LKW nach Frankfurt zu schicken.“

So ein Umzug dauert

Nächster Vorteil für Jost: Die neue Fläche ist mit 68.000 Quadratmetern doppelt so groß wie die bisherige. Der Umzug eines so großen Unternehmens dauert seine Zeit, weiß Konrad Jost: „Aber wir haben hier so viel Freifläche, dass wir im laufenden Betrieb umziehen konnten. Die Bebauung rückte näher, die Beschwerden häuften sich, daher haben wir seit 2004 in Mülheim, aber auch in Dortmund, Wesel und anderswo einen alternativen Standort gesucht.“ Dass das Unternehmen Mülheim treu bleibt, zeigen die 40 Jahre, für die das Erbbaugrundstück, in städtischem Besitz befindlich, gepachtet wurde: „Plus weitere 30 Jahre Option.“ Oberbürgermeister Ulrich Scholten verweist darauf, dass 70 Arbeitsplätze gehalten wurden, es könnten rund zehn neue Mitarbeiter dazu stoßen: „Wir sind froh, das Unternehmen in Mülheim halten zu können und hoffen, dass es sich prosperierend entwickelt, möglicherweise auch erweitert. Der Prozess des Umzuges hat so lange gedauert und alle Beteiligten viele Nerven gekostet. Aber nun ist das Ergebnis den Schweiß wert. Wir freuen uns auf jede Tonne, die Sie hier verarbeiten.“

Lärm hat abgenommen

In Abstimmung mit Bauamt, Umweltschutz, Wasserbehörde werden die einzelnen Schritte vollzogen, der erste Bauabschnitt zeigt bereits Konturen. Eine 18 Meter hohe Halle wird wie ein Riegel wirken, den Lärm zusätzlich dämpfen. „Die größte Umweltbelastung Mülheims“, betont Lothar Reinhard von den Mülheimer Bürgerinitiativen, habe sich erfreulich verringert. Nun ist er angetan von der Entwicklung: „Der Lärm für Speldorf hat deutlich abgenommen. Das muss man loben!“ Konrad Jost wohnt selbst nicht fern, konnte anhand der Geräusche sogar die Beschaffenheit des Zerkleinerten bestimmen: „Da klingt jeder Schrott anders. Die Materialien, die besonderen Lärm entwickeln, haben wir hier gar nicht.“ Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier hakt nach: „Das Gelände bietet viele Vorteile. Zum Beispiel können sich die anliefernden LKWs anders als an der Weseler Straße auf dem Betriebshof aufstellen.“ Oberbürgermeister Ulrich Scholten ergänzt: „Alle sind glücklich über die Entwicklung. So viele Jahre gab es Diskussionen, mit Nachbarn, anderen Betrieben. Ich bin sehr froh, dass wir alle mit der heutigen Situation zufrieden sein können. Nicht nur wirtschaftlich, auch ökologisch sinnvoll und wertvoll.“
Konrad Jost weiß sein Unternehmen auf einem guten Weg, obwohl die allgemeine Tendenz der Branche nach unten zeigt: „Die Zahl der Schrottplätze in Deutschland nimmt ab, es bleiben nur die übrig, die so eine gute Lage wie jetzt wir haben!“ Angst vor Diebstählen? Konrad Jost wird ernst: „Natürlich, ohne ständige Bewachung geht es nicht.“ Licht und technische Überwachung sollen die Langfinger fern halten. Es gibt auch andere „schwarze Schafe“. So wurden einst Rohre angeliefert, die an den Seiten zugekniffen waren. Im Kern versteckte sich Blei. Darauf fiel die Firma Jost natürlich nicht herein: „Dafür sind wir zu lange im Geschäft!“

Selbst vermarkten

Was wird mit dem alten Betriebsgelände, welches der Jost GmbH gehört? Konrad Jost ist zuversichtlich: „Wir werden die 31.000 Quadratmeter selbst vermarkten, haben bereits eine Bauanfrage gestellt für eine Tankstellenanlage. Darüber hinaus stehen wir in Kontakt mit der Wirtschaftsförderung über mögliche Vermarktungen, dort soll standortverträgliches Gewerbe angesiedelt werden, also gewiss kein weiterer Schrotthandel. Industrielle Nutzung verbietet sich im Mischgebiet, gewerbliche Nutzung ist sinnvoll.“
Die Anlagen und ein Bürogebäude sind schon abgetragen, ein Wohnhaus wird demnächst abgerissen. Die alte Betriebsfläche wurde auf Kontamination hin untersucht: „Es handelt sich um ein nach Kriegsende aufgeschüttetes Gelände, da war früher eine große Mulde. Auffälligkeiten gibt es eher in Tiefen von mindestens fünf Metern, rasterförmige Proben haben ergeben, dass an der Oberfläche die Belastungen im ganz normalen Bereich für Hafengebiete liegen. Die schützenden Betonplatten werden aber erst dann weggenommen, wenn die neue Nutzung feststeht. Danach wird die Fläche wieder versiegelt.“
Ulrich Scholten zeigt sich beeindruckt vom Unternehmen und seiner Offenheit: „Von Anfang an gab es hier Transparenz und Informationsfluss. Das ist gut so und vermeidet schräge Diskussionen.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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