Peter Paul Rubens - barocker Malerfürst und europäischer Diplomat

Peter Paul Rubens - Venus und Amor, um 1615; Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid
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  • Peter Paul Rubens - Venus und Amor, um 1615; Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid
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Voller Stolz präsentiert das Von der Heydt-Museum Wuppertal im Reigen seiner großen Ausstellungen vom 16.10.2012 bis zum 28.03.2013 den barocken Malerfürsten Peter Paul Rubens.

Bei "Rubens" denkt man spontan an üppige Frauen mit drallen Kurven, den sogenannten "Rubensfiguren". Unbestritten ist Rubens Meisterschaft in der Darstellung des menschlichen Fleisches in all seinen sinnlichen Ausprägungen. Aber der Maler Rubens wollte nicht nur barocke Sinnesfreuden und pralles Leben darstellen. Er steht für weitaus mehr!

Peter Paul Rubens (1577 - 1640) war nicht nur das Genie in der Malerei und Grafik, er war auch einer der gelehrtesten Persönlichkeiten seiner Zeit. Umfassend gebildet und mehrsprachig war er an den außenpolitisch umwälzenden Entwicklungen seiner Epoche interessiert.

Er schuf Porträts, Landschaften, Genrebilder und mythologische Werke, vor allem aber historisch-politische Bilder und religiöse Werke aus dem Geist der katholischen Reform. Rubens verkehrte mit Königen, Fürsten und den bedeutendsten Heerführern seiner Zeit, er bewegte sich auf den
politischen Bühnen Europas und korrespondierte mit wichtigen Intellektuellen.
Abgesehen von Rubens‘ umfangreichem und vielfältigem, künstlerischem Schaffen,
avancierte er in den frühen zwanziger Jahren auch zu einem der angesehensten Diplomaten
des 17. Jahrhunderts. Als Ratgeber und Unterhändler entfaltete er im Einklang mit den
Interessen seiner Vaterstadt Antwerpen und der Landesherren in Brüssel an den Höfen in
Madrid, Paris, Den Haag und London seine Vision eines geeinten Europas. Gemälde, aber
auch Zeichnungen, Tapisserien, Buchillustrationen, Grafiken und Briefe gaben seinen
politischen Ideen weit über Europa hinaus einprägsame Gestalt. Unter Einsatz seiner
tagespolitisch zu deutenden Historienbilder leistete er seinen Beitrag, um den 30-jährigen
Krieg zu beenden. Kein anderer Künstler wirkte mit seiner Kunst so direkt auf die politischen
Prozesse seiner Zeit. Malend gelang es ihm gerade in schwierigen Missionen, den
politischen Akteuren Visionen mit tagespolitischer Zuspitzung vor Augen zu führen und so
Möglichkeiten zur Überwindung der Konflikte zu eröffnen.

In Rubens Leben wie in seiner Kunst spiegelt sich die Leidenschaft einer bewegten Epoche.
Die Zerrissenheit zwischen den religiösen Positionen der Katholiken und Protestanten sowie die Machtgier der jeweiligen Fürsten führte zu jahrzehntelangen Kriegen in ganz Europa und brachte großes Leid über die Menschen in allen Staaten.
Rubens verkörperte als Mensch und Maler den Drang des Barock nach umfassendem Begreifen, humanistischer Weltsicht und vorbildlichem Gesamtkunstwerk.
Zwischen den verfeindeten Positionen seiner Zeit suchte er den "Dritten Weg" in der Rückbesinnung auf die antike Philosophie.
Ausgehend von dem antiken Denken, dass die Welt aus Atomen besteht, welche sich in Körpern verdichten um später zu zerfallen, stellt sich die Frage, ob es darüber hinaus Götter gibt und wie sie zu bewerten sind. In der Antike wurde diese Frage ausweichend damit beantwortet, dass es für den Fall, dass es neben den "Atomknäuelen" überhaupt Götter gibt, den Göttern die An- oder Abwesenheit der menschlichen Atomknäuele egal ist. Bei soviel Gleichgültigkeit seitens der "Götter" lohne es sich auch für die Menschen nicht, um Götter zu streiten. Rubens folgert, dass Religionskriege auch im 17. Jahrhundert damit unsinnig seien. Es gehe darum, hier auf Erden ein gutes Leben zu führen, wozu der Frieden in Europa unabdingbar sei.

Als Maler mit diplomatischen Sonderfunktionen bemühte sich Rubens daher, die großen europäischen Kriege zu beenden und an der damals noch utopischen Vorstellung eines in Frieden geeinten Europas zu bauen.

Die von Herrn Dr. Gerhard Finckh vom Von der Heydt-Museum Wuppertal und Frau Dr. Nicole Hartje-Grave vom Museum der Schönen Künste in Antwerpen kuratierte Ausstellung präsentiert mit rund 50 Exponaten großformatige Gemälde sowie kleinformatige Ölskizzen und Grafiken des in Siegen geborenen, nach Köln verzogenen und später zum Familiensitz in Antwerpen zurückgekehrten Flamen.

Die Ausstellung gliedert sich in acht, an Rubens' Biografie orientierte Kapitel, welche die komplexe Verbindung zwischen den künstlerischen und politischen Themen erfahrbar machen.
Den Ausstellungsmachern ist es gelungen, nicht nur einzelnen Werken zu großer Strahlkraft zu verhelfen, sondern auch Rubens' Art zu denken, Probleme für seine Auftragsgeber attraktiv aufzubereiten und in einer Bildsprache vorzutragen, die in visueller Darstellung die mögliche Lösung politischer Verwicklungen vorwegnimmt.

Rubens' Gemälde sind stets in komplexen Strukturen aufgebaut. Damals wie heute bedeutete Diplomatie, mehrdeutig zu sein. Rubens' Bilder sind nie direkt so gemeint, wie sie vordergründig erscheinen. Die Gemälde sind vielfältig interpretierbar und mehrfach kodiert - was nicht zuletzt die riesige Rubens-Literatur belegt.

Die Komplexität der Rubens'schen Bilderzählungen ist für den nicht mehr in Allegorien denkenden Mitteleuropäer unserer Tage schwierig nachzuvollziehen.
Die Ausstellungsmacher leisten mit ihren Interpretationen einen Beitrag dazu, Rubens' künstlerische Kraft und sein diplomatisches Geschick wieder erkennbar werden zu lassen.

Dank der internationalen Leihgeber und der finanziellen Unterstützung durch die Jackstädt-Stiftung wird eine abgerundete Ausstellung gezeigt, welche durch einen 360-seitigen Katalog, eine Film-DVD und ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzt wird.
Kleiner Tip: Das ZDF zeigt den Rubens-Film am 27.10.12 um 22 Uhr im Fernsehen!

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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