Schneeberge - Glosse
Schneeberge

Schneeberge
Endlich lag wieder einmal hoher Schnee im Ruhrgebiet, von vielen befürchtet, von vielen genossen, wie eben die unterschiedliche Wahrnehmung eines Ereignisses nun mal ist.
Der öffentlicher Nahverkehr lag lahm, Autobahnstrecken waren gesperrt und wie überall türmte sich auch vor unserem Haus kniehoch diese scheeige Pracht. Keiner im Haus war wirklich ordentlich bereit, die weißen Ungetümer gehtauglich zu entsorgen, man hatte sich ja pro forma etwas bemüht, aber wenig erreicht.
Da kam wie aus heiterem Himmel die Hilfe eines Bekannten, der sich berufen fühlte, hier doch Abhilfe zu schaffen. Seine ausführliche Tätigkeit von mindestens einer Stunde wenn nicht gar mehr vor meiner oder unserer Tür nahm er zum Anlass, zwischenzeitlich mit jedem, aber wirklich auch jedem, einen Plausch zu beginnen, so dass ihn nach und nach das gesamte Haus, beziehungsweise die Bewohner als sehr tüchtigen und aufopfernden Menschen erkannten und auch ich musste ihn für seine große Leistung, den Gehsteig für alle Menschen nah und fern befreit zu haben, außerordentlich loben.
Die Schneepracht war nun akribisch groß und breit aus dem Wege geschafft worden, nur, man kann sich denken, wo war sie denn eigentlich gelandet?
Jemand anderes hatte sein Auto ordnungsgerecht vor dem Haus geparkt, vielleicht halb auf dem Bügersteig, das war nicht ersichtlich, und dieser eifrige Schneeschipper, ganz ordnungsgerecht in Arbeit oder vielleicht mehr in Gesprächen, hatte im Eifer seines Tuns den nicht mehr zu verwendenden Schnee hervorragend ganz an das Auto gescheppt, drum herum in hohen Schneebergen drapiert und nun wurde es unmöglich, das Auto auch nur einen kleinen Schritt zu bewegen, nicht vorwärts, nicht rückwärts, eigentlich überhaupt nicht mehr.
Was konnte man da tun?
Natürlich mussten die Schneeberge vor und hinter dem Auto umgeschichtet werden, nicht gerade auf den Gehsteig zurück, denn das wäre ja kontraproduktiv, eine Syssiphos gleichkommende unpraktische Angelegenheit gewesen, die niemand so recht einsah.
Also schaufelte man vorne, schaufelte man hinten und um das Auto herum mit gelegentlichen Versuchen, es zu mobilisieren, doch es stand wie angeeist fest.

Die Aktion bis zur endgültigen Autobefreiung benötigte eine lange mühsame Zeit, vielleicht mehr als die gesamte vorherige Schneefegen Prozedur, aber man sollte ja nicht bei allem nur den Nutzen, sondern auch das Vergnügen an der Sache sehen, denn der durch den Schneebefreier ausgelöste Klatsch und Tratsch der Nachbarschaft brachte das Ergebnis, dass mich nun hier im Haus alle kannten, ob ich das wollte oder nicht.
Aber eigentlich, als Unterhaltungszweck, konnte man doch irgendwie mit dem Event zufrieden sein, obwohl meine Oma bei solchen Dingen immer einen gewissen Spruch tätigte:
"Es gibt auf der Welt kein größeres Leid, als dass der Mensch sich selbst andeiht." Irgendwie hatte sie ja auch recht.

Autor:

Ingrid Dressel aus Bochum

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