Oberhausener auf dem Matterhorn

Das Matterhorn, als Teil der Ausstellung "Der Berg ruft", im Gasometer. Foto: Carsten Walden
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  • Das Matterhorn, als Teil der Ausstellung "Der Berg ruft", im Gasometer. Foto: Carsten Walden
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Anton Süselbeck hat den Berg vor 35 Jahren bestiegen und seine Geschichte aufgeschrieben. Pünktlich zur Eröffnung der Ausstellung "Der Berg ruft" im Gasometer, erreichte die Redaktion die Geschichte von Anton Süselbeck, der vor 35 Jahren, im Jahr 1983, das Matterhorn in den Walliser Alpen bestiegen hat.

VON ANTON SÜSELBECK

Nachdem es mir vergönnt war mehrere Viertausender im Wallis zu besteigen, habe ich festgestellt, dass die Granitpyramide des Matterhorns optisch immer präsent war. Langsam wuchs bei mir dadurch der Gedanke, dass es ein Traum wäre, auf dem Gipfel zu stehen. (...).
Das Matterhorn ist kein Berg – es ist ein Virus. (...) Ich wollte im August 1983 nichts dem Zufall überlassen und habe zu Bergführer Walter Arnold in Saas Fee Kontakt aufgenommen. Er hatte mein volles Vertrauen, war absolut zuverlässig und ein wenig wortkarg. Für mich die beste Lebensversicherung. Wir haben uns dann auf der Hörnlihütte in 3.200 Metern Höhe für den 21. August 1983 verabredet. (...)

Wettersturz

Kurze Lagebesprechung am Sonntagabend. Wir tranken noch ein Glas Rotwein. Walter wünschte mir eine gute Nacht mit guten Gedanken. Ich ging noch einmal kurz vor die Tür. Wettersturz! Deshalb die beschlagenen Scheiben in der Gaststube! Der Wind trieb Wolkenfetzen und Schneeregen vor sich her. "Schöne Bescherung! Morgen früh also vereister Fels! Gipfelsturm wird nichts! Bei Neuschnee und Eis ist kein Aufstieg möglich! Morgen ist also Ausschlafen angesagt", dachte ich. Die Ausrüstung wurde trotzdem überprüft und der Aufstieg geistig vollzogen.
Gegen 4 Uhr Gepolter im Nachtlager – es geht los. (...) Nach hastigem Frühstück Seil anlegen in der Gaststube und raus in die wohltuende Nachtluft. (...) Der Sternenhimmel in 3.000 Metern Höhe ist unvergessen. 15 Minuten später sind wir im Einstieg. Eine Stunde im leichten Fels wird mit Kopflampe überwunden. (...) Wir überlassen einem Zermatter Bergführer den Vortritt. 200 Meter entfernt von der Normalroute hat offenbar eine Seilschaft biwakiert. Walter meint: „Die haben sich einen kalten Arsch geholt.“
Durch Rufverständigung haben wir auf Steinschlag aufmerksam gemacht und weiter geht’s.

Gewitter

Um 7 Uhr ist die Solvayhütte in Sicht – eine Wohltat für die Augen in dieser Granitwand. An der Biwakschachtel werden Steigeisen angelegt. Jetzt bricht ein Gewitter über mich herein: Meine Steigeisen – jahrelang treue Begleiter – gehören ins Museum raunzt Walter mich an. Ohne Frontzacken habe ich auch Probleme. An den vereisten Fixseilen muss ich viel kräftezehrende Armarbeit leisten. Die Luft wird knapp. Die dünne Schneedecke am Dach verhindert Steinschlag. Der nahe Gipfel beflügelt und gibt Reserven frei. Plötzlich geht es nicht mehr weiter – wir sind auf dem Gipfel! Um 08.35 Uhr Handschlag „Berg Heil“! Anstrengung und Konzentration weichen einem Glücksgefühl. (...) Die Luft ist kristallklar. Mont Blanc und Gran Paradiso sind gut zu erkennen. Zehn Viertausender kann Walter mir erklären - Die Augen können den Überfluss kaum ertragen und saugen sich voll wie ein Schwamm. (...)
Eine Handvoll Haselnüsse, ein Apfel und viel trinken. Der Bergführer mahnt zum Aufbruch. Der Rückzug aus einer Traumwelt beginnt. Die Wirklichkeit ist Schnee und vereister Fels. Unter uns 1.200 Meter steile Wand. Das war die Schlüsselstelle der Katastrophe bei der Erstbesteigung am 14. Juli 1865.

Trügerischer Halt

Die Fixseile am Dach sind vereist und geben nur trügerischen Halt. Jetzt noch über die Schulter der oberen Moseleyplatte – und unvermittelt taucht die hölzerne Solvayhütte auf, auf einem Felsvorsprung erbaut und verankert. Es kommen uns noch Seilschaften entgegen : „Die sind zu spät“ stellt Walter fest. Nachzügler werden den Gipfel an diesem Tag nicht erreichen.
Auch beim Abstieg ist Konzentration erstes Gebot. Walter reicht mir seinen viel zu süßen Tee. Die klare Bergluft verführt zur optischen Täuschung. Der Ausgangspunkt ist zum Greifen nah. Im leichten Fels findet der rechte Fuß eine Kante und wird vom Körpergewicht belastet; Gesicht nach vorn hänge ich plötzlich im Seil. Solche Fehler können tödlich sein. Oberschenkel und Knie werden gefühllos. Die Luft ist raus. Das Matterhorn hat mich geschafft.
Um 12.30 Uhr vor der Hütte die üblichen Gaffer. Wir verschwinden wortlos in der Gaststube. (...) Adrenalin und Kreislauf lassen keine Ruhe zu. (...) Eine warme Suppe rückt den Granitkegel wieder ins rechte Licht. Keiner von uns Beiden ist Sieger. Alle Dinge sind schwer bevor sie leicht werden. Traum und Wirklichkeit waren eine tatsächliche Gratwanderung, ganz intensiv. Bergführer Walter Arnold und Anton Süselbeck vor großer Kulisse.

Bergsteigererlebnisse gesucht

Wenn Sie, liebe Leser, ebenso ein unvergessliches Bergsteigererlebnis wie Anton Süselbeck in den Hochgebirgen dieser Erde hatten, dann freuen wir uns, wenn Sie uns Ihre Geschichte erzählen. Schicken Sie uns einen Text, diesen bitte per E-Mail, und auch aussagekräftige Fotos. Die Redaktion behält sich allerdings vor, über die Veröffentlichung eines Beitrages selbst zu entscheiden. Kontaktmöglichkeiten per E-Mail: redaktion@wochenanzeiger-oberhausen.de. Postalisch (nur Fotos): Wochen Anzeiger, Redaktion, Helmholtzstraße 28-30, 46045 Oberhausen Stichwort LESERAKTION

Das Matterhorn, als Teil der Ausstellung "Der Berg ruft", im Gasometer. Foto: Carsten Walden
Foto: privat
Autor:

Klaus Bednarz aus Dinslaken

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