Dekadente Detailfreude in der Galerie KiR

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Noch bis zum 3. April läuft in der Galerie KiR in Oberhausen, Elsässer Str., die Ausstellung „de-ka-dent“ des Oberhausener Künstlers Frank Gebauer. In großformatigen, oftmals provokativen Werken, deren Stil Gebauer als „Neorealpop“ bezeichnet, setzt er sich mit Größenwahn und Niedergang
auseinander.

Stattliche Popart- Portraits von bekannten Persönlichkeiten dominieren den Raum. David Bowie und Serge Gainsbourg sind ebenso vertreten wie Richard Wagner und Günther Grass. Auf einem Tisch thront ein wuchtiges ledergebundenes Gästebuch, dekorativ eingerahmt von einer Peitsche und einem Pelzmantel. Unter einem schmutzverkrusteten Pissoir zeugen leere Sektflaschen von dem regen Zuspruch bei der Vernissage. Gegenüber blickt aus einem verhüllten Bild, an dem ein Straps baumelt, Louis XIV auf das Geschehen. Erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass das abgetragene Kleidungsstück genau über dem Strumpf des Sonnenkönigs angebracht ist. Besonders rätselhaft wirkt ein schwarzer Jesus, dessen Leib mit Nägeln gespickt ist, wohingegen Arme und Füße mit Klebeband am Kreuz befestigt sind, und dessen Heiligenschein arabische Schriftzeichen zieren.

Zweifellos erschließen viele Details der Werke sich erst auf den zweiten Blick. Die Ausstellung „de-ka-dent“ ist eine große Einladung, zu verweilen, zu hinterfragen, innezuhalten und genauer hinzuschauen … Und exakt 5deswegen bin ich hier.

Obwohl Frank Gebauer sich extra zwischen zwei anderen Terminen Zeit genommen hat, seine Ausstellung nur für mich zu öffnen, wirkt er keineswegs gehetzt. Freudig schlendert er zwischen seinen Werken umher, weiß zu jedem Objekt etwas zu erzählen, posiert charmant mit Rotweinglas vor seinen Lieblingsbildern und sucht voller Elan auf seinem Handy nach den passenden Songs, um seine Erklärungen zu den Gemälden von Amanda Lear und Maria Callas musikalisch zu unterlegen. Zwischendurch kehrt er sogar noch rasch der Boden der Galerie, unterbrochen von einem Sprint nach draußen, wo er den Schatten eines Einkaufswagen fotografiert, den er „total inspirierend“ findet. Eindeutig, Frank Gebauer ist voller Hingabe bei der Sache!

Von seiner Begeisterung und Schaffensfreude zeugt auch sein verspielter, detailfreudiger Umgang mit Themen und Materialien. Das Porträt von Gebauers Mutter – eines der Lieblingswerke des Künstlers – trägt eine echte Koralle als Schleier. Vor dem Bildnis von Maria Callas liegen Rosen, als habe ein enthusiastisches Publikum sie der Diva zugeworfen. Die Installation „Beuys – Die Fettecke“ beinhaltet unter anderem ein großformatiges, buntes Gemälde von Beuys und ein Stück Butter. Der verschmitzte, hintersinnige Humor des Künstlers ist hier unübersehbar. Zu den markantesten Werken der Ausstellung gehört ein Gemälde von Marie Antoinette, das gekrönt ist mit einem aufwändigen Kopfputz aus echtem Zucker sowie getrockneten Croissants und Brioches – eine Anspielung auf das berühmte ihr zugeschriebene Zitat, die Armen mögen Kuchen essen, wenn sie kein Brot haben, sowie die Sage, wonach sie Zucker ausstreuen ließ, um auch im Sommer Schlitten zu fahren.

Andeutungen dieser Art findet der Betrachter reichlich. So beinhaltet das Werk „Die Geburtsstunde des Narzissmus“ ein Gemälde von Dali und eins von einem wütenden Stier. „Dali zählt zu den größten Narzissten in der Kunstgeschichte. Er im Februar 1889 geboren, Adolf Hitler im April desselben Jahres. Und der hat Europa überrannt wie dereinst der Stier in der griechischen Mythologie“, erklärt Gebauer.
Hinter der spielerischen, assoziativen Art, Inhalte miteinander zu verknüpfen, steckt deutlich eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik. Dennoch will Gebauer sich offensichtlich nicht als elitärer Bildungsbürger sehen. Auf seine historischen Fachkenntnisse angesprochen, winkt er lachend ab. „Mann, was meinst du, was ich für diese Ausstellung gegoogelt hab!“

Die Ausstellung „de-ka-dent“ verbindet auf faszinierende Weise Leichtigkeit und Verspieltheit mit Spaß an der Provokation und einer tiefen Ernsthaftigkeit. Neben den farbenfrohen Pop-Art-Gemälden, dem Urinoir und dem Gästebuch mit Pelzmantel und Peitsche finden sich auch ein Gemälde von Leni Riefenstahl, vor dem ein Galgen baumelt, und eine großformatige Fotografie des „schwarzen Schwimmbeckens von Ausschwitz“.

„Dekadent“ kann der Luxus sein, sich mit Skurrilem, Bizarrem zu umgeben, die demonstrativ zur Schau getragene Selbstüberzeugung eines Künstlers wie Dali – aber auch der arrogante Machtanspruch eines Herrschers oder einer Herrschergruppe auf Kosten von Unterdrückten.

Die Ausstellung regt zum Nachdenken, zur kritischen Auseinandersetzung und zum Diskutieren an. Dazu bietet Gebauer viele Gelegenheiten, denn der umtriebige Künstler organisierte in den Ausstellungsräumlichkeiten mehrere Events. So fand kürzlich eine Lesung statt, bei der die AutorInnen Halina Monika Sega, Jenny Canales, Thomas Mittelstraß und Alexander Pentek ihre Geschichten aus der Krimi-Sammlung „Nervenkitzel“ vortrugen. Im Februar gab Axel Kowalik, der Gitarrist von Chris Norman, in der Ausstellung ein Konzert. Nun steckt Frank Gebauer bereits mitten in den Vorbereitungen für die Finissage am 3. April. Es sei geplant, im Rahmen einer Performance mit dem Titel „Die Räumung der Bastille“ die Bilder von Marie-Antoinette, Louis XIV und Yves auf den Hof zu werfen, verrät er. Besucher sind herzlich willkommen.

Noch bis zum 3. April kann die Ausstellung „de-ka-dent“ in der Galerie KiR (Elsässer Straße, Oberhausen), bewundert werden. Geöffnet ist sie mittwochs und freitags von 16 bis 19 Uhr sowie sonntags von 15 bis 18 Uhr. Die Finissage findet am 3. April statt.

Autor:

Mimi Moriarty aus Oberhausen

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