Die Kinderschutzambulanz in Datteln ist Anlaufstelle für junge Gewaltopfer

Jedes zweite Kind wird in seinem Leben Opfer von seelischer oder körperlicher Gewalt. Dies geschient in den meisten Fällen im vertrauten Umfeld. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder ernst genommen werden. Foto: Krusebild
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  • Jedes zweite Kind wird in seinem Leben Opfer von seelischer oder körperlicher Gewalt. Dies geschient in den meisten Fällen im vertrauten Umfeld. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder ernst genommen werden. Foto: Krusebild
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Das Telefon steht nicht still. Beinahe im Minutentakt bekommt Joachim Kantus Anrufe auf seinem Handy. Der Diplom Sozialarbeiter steht im ständigen Kontakt zu Jugendämtern und der Kripo. Fast jeden Tag ein neues Kind, das seine Hilfe braucht.
Joachim Kantus engagiert sich für die Medizinischen Kinderschutzambulanz in der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln. Zusammen mit seinen Kollegen, Dr. Tanja Brüning (verantwortliche Ärztin) Hannah Iserloh (Referentin für Öffentlichkeitsarbeit) und Prof. Dr. Michael Paulussen (Ärztlicher Direktor der Klinik) kümmert er sich um Kinder und Jugendliche, die Gewalt und Missbrauch erleiden mussten.
Jedes zweite Kind macht im Laufes seines Lebens Erfahrungen mit Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch. Deshalb ist es wichtig, die Zeichen von Gewalt zu erkennen und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Seit nun zwei Jahren gibt es die Medizinische Kinderschutzambulanz in Datteln.
Dass die Ambulanz dringend benötigt wird, zeigen alleine die Aufnahmezahlen. 2011 begleiteten Joachim Kantus und seine Kollegen 160 Fälle von Gewalt an Kindern und Jugendlichen. In diesem Jahr sind es bislang schon 260 neue Fälle. „Wir werden bis Jahresende die 300ter-Marke auf jeden Fall überschreiten“, da ist sich Hannah Iserloh sicher.
Beinahe jeden Tag erreicht ein neuer Patient die Ambulanz in Datteln. Vom Säugling bis zum Jugendlichen, die Gewalt kennt keine Grenzen. Sechs bis acht Kinder werden durchschnittlich pro Woche von den Jugendämter des Kreises überstellt. „Die Jugendämter stehen unter einem großen Druck. Meist wissen sie nicht, wo sie die Opfer hinbringen sollen“, sagt Joachim Kantus. „Wir haben hier sowohl die Technik und das Fachwissen, als auch die Zeit, um uns um die Opfer zu kümmern.“
Die Ambulanz kann auf alle Bedürfnisse der Opfer reagieren, sei es in Form einer ärztlichen, psychologischen oder sozialen Begleitung.
Die Opfer erfahren in ihrem vertrauten, privaten Umfeld Gewalt. „Die Kinder stehen, wenn sie zu uns kommen, unter einem starken Druck. Sie sind körperlich und seelisch verletzt, haben Ablehnung erfahren und schämen sich häufig. Viele haben Angst vor den Untersuchungen. Die Erfahrung, dass sie jemand ernst nimmt, sich um ihre Verletzungen und ihre Geschichten kümmert, ist ein erster Schritt zur Genesung. Viele Kinder seien nach den Untersuchungen erleichtert, so Hannah Iserloh.
Dr. Tanja Brüning ist eine von wenigen Ärtzen in Deutschland, die eine international anerkannte Ausbildung in Kindergynägologie haben. Bei den Untersuchungen ist es das oberste Ziel, dass die Opfer nicht noch mehr traumatisiert werden. Die Untersuchungsergebnisse und Bilder, die die verantwortliche Medizinerin anfertigt, werden in den meisten Fällen sofort an die Gerichtsmedizin weitergeleitet und sind vor Gericht verwertbar.
Darüber hinaus hat die Ambulanz eine beratende Funktion. „Wir sind keine ermittelnde Behörde. Wir begleiten die Opfer und beraten die Jugendämter und die Polizei, aber auch die Täter“, erklärt Hannah Iserloh. Oft sind Peiniger im nahen Umfeld der Opfer zu finden, oft sind es die einigen Eltern. „Wir ermutigen die Eltern in den Gesprächen zu gestehen.“ Ein Schuldeingeständnis ist für besonders wichtig. Schließlich geht es um die Genesung und eine sichere Zukunft der Kinder. Die Jugendämter können so besser abwägen, ob sie die Kinder aus ihrem Lebensumfeld herausholen können.
Da die Krankenkassen in der Regel nicht für die Behandlungen aufkommt, ist die Ambulanz in ihrer täglichen Arbeit auf Spenden angewiesen. „Bei den Kassen, aber auch bei Politikern, ist zwar das Verständnis da, Geld kommt trotzdem nicht. Es fehlen die Gesetze und die Gewaltgeschichten der Opfer sind den Leuten nicht klar“, so Joachim Kantus. „Der Bedarf ist groß. Menschen, die uns - und damit den Kindern - helfen wollen, sind immer herzlich willkommen“, sagt Hannah Iserloh. Schließlich soll in die Augen der Kinder schnellst möglich wieder das Leuchten zurückkehren.

Information

Kontakt zur Medizinischen Kinderschutzambulanz unter Tel. 02363/975375 oder per E-Mail kinderschutz@kinderklinik-datteln.de

Spenden unter dem Verwendungszweck „Kinderschutzambulanz“ bei der Volksbank Waltrop, Kontonummer 100268100, Bankleitzahl 42661717

Jedes zweite Kind wird in seinem Leben Opfer von seelischer oder körperlicher Gewalt. Dies geschient in den meisten Fällen im vertrauten Umfeld. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder ernst genommen werden. Foto: Krusebild
Joachim Kantus (Sozialarbeiter) und Hannah Iserloh (Referentin für Öffentlichkeitsarbeit) engagieren sich für die Medizinische Kinderschutzambulanz. Foto: Martin Meyer
Autor:

Martin Meyer aus Datteln

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