Stadt Ratingen umwirbt Erzieher
Politiker beschließen Maßnahmen zur Personalgewinnung

Auch in die Kita Ost kehrt mit den Vorschulkindern zumindest ein Stück Normalität zurück. | Foto: Thomas Zimmermann
2Bilder
  • Auch in die Kita Ost kehrt mit den Vorschulkindern zumindest ein Stück Normalität zurück.
  • Foto: Thomas Zimmermann
  • hochgeladen von Thomas Zimmermann

Die Betreuung von Kindern, die noch nicht schulpflichtig sind, war am Dienstag (26.5.) das beherrschende Thema im Ratinger Jugendhilfeausschuss. Nach teilweise aufreibenden Wochen für viele Familien konnten zumindest die Vorschulkinder am Donnerstag wieder in die Kitas zurückkehren. Ab 8. Juni bieten die Einrichtungen dann außerdem einen eingeschränkten Regelbetrieb für alle anderen Kindergartenkinder an.

Dass NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) am gleichen Tag ankündigte, für Juni und Juli die Beiträge für die Kindertagesbetreuung zu halbieren, betraf die Ratinger Eltern nicht: Der Ratinger Haupt- und Finanzausschuss hatte am 12. Mai bereits beschlossen, ihnen die Beiträge komplett zu erlassen, wie Bürgermeister Klaus Pesch in einer Pressemitteilung betonte. Dass die Abstimmung zwischen Land und Kommunen in der täglichen Praxis nicht immer reibungslos funktioniert, hatte in der Ausschussitzung am Dienstag bereits der Erste Beigeordnete Rolf Steuwe durchblicken lassen.

Verspätete ministerielle Vorgaben

Bei der Umsetzung der diversen Landes-Erlasse fehlen den Städten nämlich nicht nur Kita-Plätze und Erzieher, sondern gelegentlich auch konkrete Vorgaben der Ministerien, erklärte Steuwe. Außerdem habe er bisweilen, wie zuletzt bei der Entscheidung über die bevorstehende Kita-Öffnung, zuerst aus der Presse von den Entscheidungen der Landesregierung erfahren.

Generell, so der Sozialdezernent, könne man sich allerdings die Informationsdichte in den letzten Wochen kaum vorstellen. Für die Schulen etwa gebe es seit Corona-Beginn schon die 22. Info-E-Mail.

Durchgearbeitete Wochenenden 

Ausdrücklich lobte Steuwe deshalb den Einsatz der Mitarbeiter in den zuständigen Ämtern sowie die Kita-Leitungen: "Sie haben viele Wochenenden durchgearbeitet, um die Erlasse umzusetzen", sagte er.
Zu den Corona-bedingten Herausforderungen kommen bei der Kinderbetreuung Pandemie-unabhängige Schwierigkeiten hinzu, etwa der Fachkräftemangel. Deshalb beschlossen die Politiker am Dienstag gleich zwei Maßnahmen, um dringend benötigte Erzieherinnen und Erzieher anzuwerben.

Werbekampagne für 47.000 Euro

Zum einen eine Werbekampagne, für die der Hauptausschuss bereits 47.000 Euro zur Verfügung gestellt hatte. An der Kampagne kritisierte Rainer Vogt von der Bürger-Union allerdings, dass sie in anderen Städten trägerübergreifend angelegt sei. Es dürfe nicht sein, so Vogt, dass Stadt und freie Träger sich gegenseitig Bewerber wegnehmen.

Christian Wiglow, SPD, wies darauf hin, dass der Düsseldorfer Internet-Auftritt gegenüber der Dauer-Ausschreibung auf der Homepage der Stadt Ratingen wesentlich transparenter sei. Vergütungen und Aufstiegsmöglichkeiten würden dort besser dargestellt. Angesichts der mauen Lage auf dem Arbeitsmarkt mahnte er außerdem mehr Flexibilität bei der Einstellung an, etwa wenn es um Verträge für Teilzeitkräfte geht.

Attraktive Konditionen für Erzieher

Um die Arbeitungsbedingungen für städtische Erzieher noch attraktiver zu machen, beschloss der Ausschuss als zweite Maßnahme, in der Innenstadt ein Gebäude anzumieten, um dort eine Betriebskindertagespflege einzurichten. Die Plätze sollen vom Personalamt jenen Erziehern angeboten werden, die gern in ihrem Beruf arbeiten würden, aber in ihrem jeweiligen Wohnort keinen Betreuungsplatz für ihre eigenen Kinder finden.

In einer Pressemitteilung begrüßte CDU-Fraktionschef Ewald Vielhaus am Mittwoch "den umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Personalgewinnung und -bindung". Aktuell würden in Ratingen vier Einrichtungen für weitere sieben Gruppen gebaut. "Allein dafür werden 25 Erzieher gesucht", heißt es in der Mitteilung. 

500 Kitaplätze fehlen

 
Dass zusätzliche räumliche Kapazitäten mindestens ähnlich dringend benötigt werden wie Fachkräfte, zeigte sich in der Diskussion um die aktuellen Anmeldezahlen. Trotz der groß angelegten städtischen Initiative zum Kita-Ausbau können ca. 500 Anfragen derzeit nicht bedient werden (das Ratinger Wochenblatt berichtete). Gegenüber der bisherigen Planung kommt es in Einzelfällen auch zu Verzögerungen, etwa bei der Kita Am Schluchtor in Eggerscheidt, die nicht zum 1. August in Betrieb genommen werden kann. "Wir planen aber eine Öffnung in der zweiten Jahreshälfte 2020", hieß es von Seiten der Stadt.

Auf Nachfrage von Hannelore Hanning, FDP, erklärte Rolf Steuwe, die neue Kita Mozartstraße in Homberg sei fristgerecht fertiggestellt worden. Über die Ausgestaltung der Inbetriebnahme werde in den nächsten Wochen - "in engem Austausch mit der evangelischen Gemeinde" - entschieden.

"Bislang kein Anstieg der Missbrauchszahlen"

In ihrem Bericht über die Arbeit des Amtes für Kinder, Jugend und Familie während der Pandemie, betonte dessen Leiterin Sabine Klocke schließlich, dass in Ratingen keine Erzieherin über 60 Jahre von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich altersbedingt vom Dienst freistellen zu lassen. Lediglich Erzieherinnen mit Vorerkrankungen hätten zuhause bleiben müssen.

Zur Frage, ob während der Pandemie mehr Kinder Opfer von Gewalt wurden, erklärte sie: "Wir haben in den vergangenen Wochen keinen gravierenden Anstieg von Missbrauchsfällen verzeichnet." Die Sorge vieler Menschen, dass die Dunkelziffer ungemeldeter Fälle sehr hoch sei, an die Ute Meier von den Grünen erinnerte, wollte Sabine Klocke nicht bestätigen. Die dem Jugendamt bekannten Familien seien von Mitarbeitern aufgesucht worden, erklärte sie. Alles weitere sei bislang Spekulation.

Jedes 5. Kind in Notbetreuung

Zwischen 21 und 23 Prozent der Kinder, so Klocke, hätten in den zurückliegenden Wochen eine erweiterte Notbetreuung in Anspruch genommen. Wenn am 8. Juni der eingeschränkte Regelbetrieb beginnt, dürfen alle Kinder wieder in die Kita kommen. Sie haben dann Anspruch auf einen reduzierten Betreuungsumfang von 35, 25 oder 15 Stunden pro Woche (statt 45, 35 bzw. 25 Stunden).

Auch in die Kita Ost kehrt mit den Vorschulkindern zumindest ein Stück Normalität zurück. | Foto: Thomas Zimmermann
Plakate und Aktionen, die trotz der Corona-bedingten Distanz den Zusammenhalt beschworen, konnte man in den vergangenen Wochen an vielen Ratinger Kitas und Schulen sehen. | Foto: Thomas Zimmermann
Autor:

Thomas Zimmermann aus Ratingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.