Familientreffen nach über 50 Jahren

Die „Großfamilie“ vom Eisenbahn-Ausbesserungswerk. Foto: privat
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„Das ist doch der August“, schallt es über die Maybachstraße. August fängt an zu lachen. Seit einem halben Jahrhundert hat er seine Arbeitskollegen nicht mehr gesehen. Nun haben sie sich zum ersten Mal auf dem ehemaligen Gelände des Eisenbahn-Ausbesserungswerk am Recklinghäuser Ost-Bahnhof wiedergetroffen.
Viele waren es nicht, die sich bei böigem Wind und Nieselregen vor dem ehemaligen Werkstor an der Maybachstraße getroffen haben. Von den knapp 50 Lehrlingen des letzten Ausbildungsjahrgangs von 1953 schaffte es Organisator Dieter Salzmann, einer der damaligen Elektrikerazubis, zehn seiner Arbeitskollegen zu dem Treffen zusammen zu sammeln.
So standen sich vier Elektriker und Schlosser und ein Dreher gegenüber. Sie gehörten, als sie am 2. April 1953 ihre Lehre im Ausbesserungswerk anfingen, zu den stolzen Recklinghäuser „Eisenbahnern“. Unter ihnen war auch August, der mit richtigem Namen Willfried Reising heißt. „Wir waren wie eine große Familie“, sagt er. Vor allem die Elektriker, die sich auch in den 50 Jahren schon das eine oder andere Mal gesehen haben, waren eine „kleine Werkstatt in der Werkstatt“, fügt er hinzu.
Die Maybachstraße war für sie nicht nur der Arbeitsort. Fast alle Mitarbeiter des Werkes wohnten in Fußnähe zu dem Gelände. Zu Spitzenzeiten arbeiteten an die 3.000 Menschen in dem Werk, das auf eine lange Tradition zurückblicken konnte. Im Jahr 1905 wurde das „AW“, so die umgangssprachliche Abkürzung der Betriebsstätte, von der Deutschen Reichsbahn gegründet. Die Wirren der beiden Weltkriege über stand es gut, so dass es bis zur Schließung im Jahr 1961 Güterwagons aus dem gesamten Bundesgebiet wieder in Stand setzen konnte.
Danach wurde es aus Rationalisierungsgründen von der Deutschen Bahn geschlossen. Bis heute betreibt die Bahn in ganz Deutschland noch rund 18 AWs. So werden heute noch am Standort Paderborn-Nord, wie damals in Recklinghausen, Güterwagons repariert. Zu diesen 18 Werken gab es in der Vergangenheit 65 weitere Ausbesserungsstätten im gesamten Bundesgebiet.
Das fast einen Quadratkilometer große Gelände an der Maybachstraße stand bis 1964 leer. Anschließend bezog die britische Rhein-Armee das Areal und baute dort die bekannten „Preston Barracks“, ein Fahrzeugdepot und Instandsetzungswerk, auf.
Nach dem Abzug der Briten 1991 lag die Maybacher Heide brach. Seit 2001 erschließt die Stadt Recklinghausen mit ihrer Tochterfirma „Stadtentwicklungsgesellschaft RE mbH“ das Gebiet. Es entstanden und entstehen bis heute Wohnhäuser. Im Jahr 2007 wurden auch die beiden letzten Gebäude des ehemaligen Industriestandortes, die 40.000 Quadratmeter große Werkshalle und das alte Kesselhaus abgerissen.Viel ist nicht gebleiben von ihrer alten Wirkungsstätte. So schweift auch der Blick von Horst Klöpper, ehemaliger Elektriker und bis zu seinem Ruhestand Technischer Oberamtsrat der Deutschen Bundesbahn, durch die neue Wohnsiedlung.
Nur der alte Hochbunker liegt von Sträuchern umwuchert und mit Moos überzogen am Rande des neuen Wohngebiets. „Wir hingen sehr an dem Standort“, sagt Horst Klöpper. „Wir haben hier eine gute Ausbildung in einer besonderen Werkshalle von spezialisierten Fachkräften bekommen.“
Auf ihrem Rundgang durch das neu entstandene Wohngebiet merkte man den ehemaligen Werksangehörigen aber keinen Wehmut an. Zwar liegt ihre Ausbildungzeit schon eine ganze Weile zurück und die Wege, die sie nach dem Ende ihrer Lehre im Jahr 1957 gegangen sind, waren sehr unterschiedlich. Dennoch war die Freude groß, mit ihren alten Kameraden über die gute alte Zeit zu reden.

Die ehemaligen Lehrlinge des Ausbesserungswerks an der Maybachstraße suchen weiter nach ihren Arbeitskollegen. Wer an einem Treffen Interesse hat, der kann sich bei Dieter Salzmann unter 02361-22152 oder unter 0160-7066857 melden.

Autor:

Martin Meyer aus Datteln

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