Der Unbeugsame
Wieviel Zeit bleibt mir noch?

Vor einem Jahr musste Egon Schottek sein Motorrad abgeben, mittlerweile kann er selber nur noch mit einem elektrounterstützten Dreirad durch die Gegend fahren. | Foto: Dirk Kleinwegen
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  • Vor einem Jahr musste Egon Schottek sein Motorrad abgeben, mittlerweile kann er selber nur noch mit einem elektrounterstützten Dreirad durch die Gegend fahren.
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Das Leben mit einer seltenen Krankheit

Egon Schottek ist weit über die Reeser Stadtgrenzen hinaus als Musiker und Gesicht des Buena Ressa Music Clubs bekannt. Dass er seltener auf irgendwelchen Bühnen oder im Club zu sehen ist, liegt nicht nur am aktuellen Lockdown. Der 66-Jährige ist auch an CBD erkrankt, einer äußerst seltenen Krankheit, die bei ihm einige Jahre mit Parkinson verwechselt wurde. In einem sehr persönlichen Gespräch hat er mit dem Stadtanzeiger über seine persönliche Situation gesprochen.

Egon Schottek ist seit 44 Jahren mit seiner Frau Iris verheiratet, er hat drei Kinder zwischen 32 und 40 und mittlerweile sechs Enkelkinder. Früher hat er viel Sport - wie Segeln, Schwimmen oder Judo - gemacht, seine großen Hobbys waren aber die Musik und das Motorradfahren.
Nach der Schule hielt er es als Beamter bei der Post nur kurz aus, er wurde Schwimmmeister und leitete vier Jahre lang das Niebelungenbad in Xanten. Den Großteil seiner beruflichen Laufbahn verbrachte er als Außendienstmitarbeiter für Sanitärprodukte.
       Der Reeser leidet seit sechs Jahren an einer Kortikobasalen Degeneration. Durch eine teilweise Auflösung des Gehirns und der Nervenzellen werden die körperlichen und kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen stark beeinträchtigt. Die Lebenserwartung liegt nach Ausbruch der Krankheit selten über zehn Jahre. Wie weit die Krankheit bei ihm genau fortgeschritten ist, kann man nicht feststellen, dazu wäre eine feingewebliche Untersuchung des Gehirns notwendig, die kann aber nicht zu Lebzeiten erfolgen.

Es fehlen einfach die richtigen Worte

       Bei dem 66-jährigen Rentner ist die linke Gehirnhälfte betroffen, diese ist für die Bewegung der rechten Körperhälfte und das Sprachzentrum zuständig. Der rechte Arm und die Hand können für gezielte Tätigkeiten kaum genutzt werden, langes Laufen oder längeres Stehen ist nicht mehr möglich. „Die rechte Körperhälfte fühlt sich wie einbandagiert an, ich kann sie nicht richtig bewegen und merke dort keine Berührung mehr“, erläutert Schottek. Mit dem Sprechen hat er manchmal Schwierigkeiten, dann fehlen einfach die richtigen Worte. Seinem Hobby, der Musik kann er nur noch eingeschränkt nachgehen. Das Bass-Spielen geht nicht mehr, das Singen nur mit Aufwärmübungen und auch nicht allzu lange. 
       Anfang des letzten Jahres musste er schweren Herzens sein Motorrad abgeben. „Seit einigen Monaten ist auch das Autofahren nicht möglich. „Ich hatte einfach kein Gefühl mehr, ob ich mit meinen rechten Fuß auf der Bremse oder dem Gaspedal stand. Das war dann einfach zu gefährlich.“, erinnert sich Schottek. Auch das Fahrrad kam nach kürzester Zeit nicht mehr zur Fortbewegung in Betracht. Zurzeit legt er regelmäßig längere Strecken mit seinem elektrounterstützten Dreirad zurück.
       Das Kortikobasale Syndrom (CBS) tritt äußerst selten auf, man schätzt weniger als 1 von 100.000 Menschen. Daher hat es auch mehrere Jahre gedauert, bis die Krankheit bei ihm festgestellt werden konnte. Nach einem Verdacht auf einer Verletzung des Nackenwirbels wurde er längere Zeit auf Parkinson behandelt, da hier viele Symptome übereinstimmen. Da die dafür verabreichten Medikamente auf Dauer nicht anschlugen, musste er zahlreiche weitere Untersuchungen wie MRT, Hirnzintigraphie oder PET-CT über sich ergehen lassen.
       Bis schlussendlich die Ärzte der Düsseldorfer Uniklinik zu dieser niederschmetternden Diagnose kamen. Denn eine Behandlung bei CBS ist nicht möglich. Nach der Diagnose bezahlt die Krankenkasse nicht einmal mehr die Medikamente, die gegen die Symptome helfen. Die Kosten muss der Betroffene selber übernehmen.

Für meine Familie tut es mir leid

       Bei der Frage, wie die Familie mit seiner Krankheit zurechtkommt, ist es äußerst schwer für ihn, die Fassung zu bewahren. „Die Familie ist sehr fürsorglich. Er weiß, dass er sich immer melden kann, wenn er Hilfe braucht. Aber sie lassen ihn sein Leben auch leben“, springt seine Ehefrau Iris ein.
„Für meine Familie tut es mir leid, ich habe immer so gelebt, wie ich wollte, jetzt mache ich auf der anderen Seite Ärger“, ergänzt er. Egon Schottek hat in seinem Leben bereits einige persönliche Tiefpunkte durchleben müssen. Aber er hat sich weder damals von den Problemen, noch heute von seiner Krankheit und seiner eingeschränkten Lebenserwartung, unterkriegen lassen.
       Der behandelnde Arzt in der Düsseldorfer Uniklinik hatte ihm empfohlen, eine To-Do-Liste aufzustellen, mit Sachen, die er in seinem restlichen Leben noch unbedingt erledigen wolle. „Da konnte ich ihm sagen, ich habe mein Leben immer so gelebt, dass kaum Dinge übriggeblieben sind, die ich jetzt noch unbedingt machen muss“, erklärt Schottek, „ich möchte einfach so mit meiner Familie weiterleben. Was mich eher traurig macht, dass das nur noch von so kurzer Dauer sein wird. Wenn Egon von seiner Familie erzählt, merkt man deutlich, wie sehr er in seine Familie eingebunden ist und wie sehr er sie liebt.

Heute ist noch nicht Schluss

       Nach dem Motto „Heute ist noch nicht Schluss“ will er solange wie möglich weiterleben und im Buena Ressa Music Club als Geschäftsführer weitermachen. „Der Club ist für Iris und mich wie ein zweites Zuhause“, erklärt er. Auch auf die Bühne zieht es ihn noch regelmäßig: „Und wenn es mit dem schnellen Singen nicht mehr richtig klappt, dann werde ich halt Balladenkönig.“
       In den nächsten Wochen will er eine Selbsthilfegruppe für CBS-Kranke ins Leben rufen. Im Austausch mit Leidensgenossen möchte er mehr über die Krankheit, deren Verlauf und was man gegen die Symptome tun kann, erfahren.

Die Selbsthilfegruppe für an Kortikobasale Degeneration erkrankte Menschen und deren Angehörige ist unter:

  • Website: cbd-selbsthilfe.de
  • Facebook: facebook.com/cbd.selbsthilfe
  • Mail: kontakt@cbd-selbsthilfe.de

Dirk Kleinwegen / Stadtanzeiger Emmerich-Rees-Isselburg

Autor:

Dirk Kleinwegen aus Rees

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