Meine ungewohnte wie folgenschwere Entscheidung

Natürlich ist das Leben nicht nur eine Freudentour. Es gibt Momente, die man gerne nicht erleben möchte, und Entscheidungen, deren Tragweite weitreichend ist und an die Grenzen eigener Verantwortung stoßen lässt.

So einen Augenblick gab es gestern.
Wenn einer 94-jährigen Frau die Haut an einer Zehe kaputt geht, die Wunde den blanken Knochen sichtbar macht. Wenn mir der Arzt empfiehlt, sie in die Klinik zu überweisen, um einen operativen Eingriff machen zu lassen, dann stimmte ich dem freilich zu.

Als ich aber vom Notarzt der Klink angerufen wurde, doch bitte zu ihm zu kommen, war mir doch sehr mulmig. Was mich erwartete war gewiss nichts Gutes.

Im Gespräch mit dem Notarzt, der mir bekannt und ein erfahrener wie kompetenter Chirurg ist, wurde mir die Situation erläutert:

a) Eine Operation wird sich sinnvoller Weise nicht auf eine Amputation beschränken dürfen, wenn sie medizinisch erfolgreich können soll. Es kann nur eine Amputation des betroffenen Beines am Oberschenkel in Betracht gezogen werden.
Das allein haute mich fast um, ließ mich total ratlos erscheinen.

b) Der gesundheitliche Zustand der 94-Jährigen, mit der schon lange weder ein Gespräch geführt werden kann, die sich in keiner Weise bemerkbar machen kann, so dass man weder Gedanken noch Gefühle erkennen kann, lässt allein die zur Amputation notwendige Narkose fraglich erscheinen – ob sie das überleben wird?
Auch sind die Chance einer Heilung der dann großflächigen Wunde mehr als fraglich und wird zumindest eine goße Kraft fordern, welche die Frau kaum haben dürfte.

c) Wenn ich die Amputation ausschließen würde, bleibt der gegenwärtige offene Wundzustand bestehen und ist täglich zu behandeln.

Wie entscheiden sie, fragte mich der Arzt?
Die Wucht meiner Verantwortung erschlug mich förmlich.
Um Zeit zu gewinnen, fragte ich nach, wollte wissen, ob ich das alles richtig verstanden hätte.

Letztlich musste ich aber eine Entscheidung treffen.
Und ich entschied mich für für die letzte Variante.
Auch nachfolgende Überlegungen änderten daran nichts.

Wenn ich alles überdenke, habe ich wohl die beste/richtige Entscheidung getroffen, fühle ich mich heute darin wohl – wenngleich mich die Größe meiner Verantwortung immer noch erschreckt.
Vor solcher Entscheidung stand ich noch nie.

(Es mag vielleicht nicht richtig sein, dies hier zu beschreiben. Aber das musste alles einfach aus mir heraus. Und vielleicht helfe ich damit anderen, ihrerseits schwere Entscheidungen leichter zu treffen.)

Autor:

Uwe Zerbst (Gotha/Thüringen) aus Alpen

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