Bücherkompass

Beiträge zum Thema Bücherkompass

Kultur

Terézia Mora: „Muna oder Die Hälfte des Lebens"
Walnussbaum in der Nacht

„Wenn ich jetzt versuchen würde, von außen meine Werke zu betrachten, so tauchen doch immer und immer wieder diese bedrängten und ohnmächtigen und suchenden und traurigen Figuren auf, weil es offensichtlich das ist, was ich am besten verstehe von den Phänomenen der Welt“, hatte Terézia Mora vor vier Jahren ihre überaus erfolgreichen Romane selbst zu erklären versucht. Als sie 2018 mit dem Georg-Büchner-Preis quasi den literarische Ritterschlag bekam, lobte die Darmstädter Jury: „Schonungslos...

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  • 05.09.23
Kultur

Philipp Oehmkes Debütroman „Schönwald“
Das große Schweigen in der Familie

Er habe einen Roman schreiben wollen, „den ich auf Deutsch immer lesen wollte, aber nur in der amerikanischen Literatur fand“, bekannte Spiegel-Journalist und Tote-Hosen-Biograf Philipp Oehmke vor Erscheinen seines Romandebüts „Schönwald“. Was der ehemalige New Yorker Spiegel-Korrespondent im Sinn hatte, ist ein Familienroman mit praller gesellschaftspolitischer Hintergrundmusik. Ausschweifend wie Thomas Mann, gesellschaftskritisch wie sein nicht zu verleugnendes Vorbild Jonathan Franzen und...

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  • 31.08.23
Kultur

Valery Tscheplanowa: „Das Pferd im Brunnen“
Wir sind alle geliehen

„Ich habe einiges erfunden, einiges ist dazu gekommen aus anderen Familien. So habe ich ein Bild gebaut“, hat kürzlich die 43-jährige, in Kasan (Russland) geborene Valery Tscheplanowa, die mit acht Jahren mit ihrer Mutter nach Deutschland kam, in einem Interview erklärt. Ihr eigenes Leben hat sie einmal als Groschenroman bezeichnet. Bisher war Tscheplanowa als Schauspielerin in Erscheinung getreten, hatte in Heiner Müller-Stücken (unter Dimiter Gotscheff) und kürzlich in Salzburg im „Nathan“...

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  • 23.08.23
Kultur

Maxim Billers Roman „Mama Odessa“
Anders und doch ähnlich

"Im Mai 1987 – ich war erst sechsundzwanzig Jahre alt – schrieb mir meine Mutter auf einer alten russischen Schreibmaschine einen Brief, den sie nie abschickte." Mit diesem Satz eröffnet Maxim Biller seinen äußerst facettenreichen, stark autobiografischen Roman „Mama Odessa“, der um eine komplizierte, aber liebevolle Mutter-Sohn-Beziehung und um das Gefühl des Fremdseins kreist. Der inzwischen 63-jährige Maxim Biller gilt seit rund drei Jahrzehnten als „enfant terrible“ des deutschsprachigen...

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  • 16.08.23
Kultur

Kathrin Rögglas Roman „Laufendes Verfahren“
Vielstimmige Collage

„Wir werden die sein, die man nicht wirklich wahrnimmt im Gericht, aber von denen man weiß, dass sie da sein müssen. Die Neugierigen und scheinbar Unbeteiligten, die, die erst mal auf keiner Seite stehen, sondern dem Handwerk des Richters zusehen wollen, dem Funktionieren der Maschine, die historisch und zeitgeschichtlich Erschreckten, die Aufgeschreckten, dass so eine Mord- und Terrorserie in Deutschland möglich sein kann. Wir werden die sein, die sich wundern“, lässt die österreichische...

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  • 31.07.23
Kultur

Zum 90. Geburtstag von Cees Nooteboom
Immer noch neugierig

„Manchmal geschieht so etwas, man hat Dinge in aller Unschuld geschrieben, und Jahre später hat ein italienischer Bildhauer sie gelesen und einen Zusammenhang mit dem entdeckt, was er selber macht“, schreibt Cees Nooteboom in seinem jüngst erschienenen Band „In den Bäumen blühen Steine“, in dem er sich mit den Berührungspunkten seiner Gedichte und den Skulpturen des italienischen Künstlers Giuseppe Penone (Jahrgang 1947) auseinander setzt. Dem niederländischen Schriftsteller geht es darin aber...

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  • 28.07.23
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Kultur

Felix Stephans Roman „Die frühen Jahre“
Ausbruch und Umbruch

„Dieses ganze autobiografische, autofiktionale Zeug, wozu soll das gut sein. Diese geheuchelte Authentizität, die verlogener ist, als jede Erfindung es je sein könnte. Nie lügt man so schamlos, wie wenn man von sich selbst erzählt“, hatte der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm zu Beginn des Jahres erklärt. Aber vor allem bei jungen Autoren boomt die Autofiktion in diesem „Buchjahr“ dennoch. Wie schon Anne Rabe (37) in ihrem Roman „Die Möglichkeit von Glück“ und Theresia Pleitner (32) in „Über...

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  • 03.07.23
  • 1
Kultur

Michael Stavaričs Roman „Das Phantom“
Bilanz des Scheiterns

„Ich habe tatsächlich auch immer so eine Art fiktiven Thomas Bernhard vor mir gehabt. Am ehesten noch den aus der ,Ursache', wo er über Salzburg und den Nationalsozialismus und so weiter schimpft“, hat der 51-jährige Schriftsteller Michael Stavarič über seinen neuen Roman „Das Phantom“ und die Hauptfigur Thom erklärt. Jener Thom ist ein paradigmatischer Außenseiter, der uns in einem ausschweifenden Monolog über die einstigen Probleme mit seinen Eltern und seiner vergeblichen Suche nach einem...

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  • 21.06.23
Kultur

David Schalkos Roman „Was der Tag bringt“
Der Kuckuck und Duchamp

"Im Eigentlichen ist es ein existenzialistischer Roman, weil es um das geht, was übrig bleibt, wenn Arbeit wegfällt oder andere Dinge, die den Tag strukturieren“, hat der österreichische Autor David Schalko über seinen neuen Roman „Was der Tag bringt“ erklärt. Der Wiener David Schalko, der im Januar seinen 50. Geburtstag gefeiert hat, ist vor allem bekannt geworden als Autor von Fernsehserien wie "Willkommen Österreich" und "Braunschlag" und mit Filmen wie "Aufschneider" mit Josef Hader....

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  • 16.06.23
Kultur

Theresa Pleitners Romandebüt „Über den Fluss“
Ambitionen und Ernüchterung

Trauma spielte eine große Rolle. Ich finde es aber wichtig zu betonen, dass die Leute nicht nur traumatisiert ankommen, weil sie in den Herkunftsländern oder auf der Flucht Traumata erfahren haben. Auch die Umstände vor Ort können traumatisierend sein oder zu Retraumatisierungen führen“, erklärt die 32-jährige Theresa Pleitner, die als Psychologin in einer Unterkunft für Geflüchtete arbeitete und aus diesen Erfahrungen ihren ersten Roman geschrieben hat. Eine autofiktionale Bestandsaufnahme,...

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  • 09.06.23
Kultur

Neuer Roman von Nobelpreisträger J.M. Coetzee
Zwischen Chopin und Dante

Als einen „Akt des Widerstands gegen die kulturelle Hegemonie des Nordens“ hat Nobelpreisträger John Maxwell Coetzee den Umstand bezeichnet, dass sein neuer, schmaler Roman „Der Pole“ zuerst auf Spanisch in einem argentinischen Kleinverlag erschienen war. Ein Buch über Liebe und Tod, über Musik und Poesie – ein kleines Werk mit ganz vielen hintersinnigen Zwischentönen und reichlich Anspielungen auf Dante und Chopin. Wie bei Dantes Beatrice haben wir es auch bei Coetzees Protagonistin Beatriz um...

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  • 30.05.23
Kultur

Debütroman von Anne Rabe
Du darfst nicht weinen

„Ich konnte die Wende als Kindergartenkind zwar noch nicht politisch einordnen, aber die Erfahrung, dass die eigenen Eltern aus der Bahn geworfen sind, war für viele meiner Generation prägend“, erklärte die 1986 in Wismar geborene Anne Rabe, die sich in ihrem Debütroman an der eigenen Familiengeschichte abgearbeitet hat. Schon während ihres Studiums (Germanistik und Theaterwissenschaft) wurden ihre Theaterstücke im In- und Ausland aufgeführt. Hauptfigur Stine, deren biografische Eckdaten große...

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  • 24.05.23
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Kultur

Neues von Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss
Keine Pause, keine Ruhe, keine Kraft

„Welchen Faden ich auch immer aufnehme, hinter der nächsten oder spätestens der übernächsten Ecke führt er zu einem Massengrab“, hatte der 52-jährige Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss in seiner Dankesrede erklärt, als er 2019 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde. Bärfuss' Blick ist stets an den Rand unserer Gesellschaft gerichtet, er erzählt von den „Abgehängten“, die täglich Niederlagen einstecken müssen, weil sie nicht dazu gehören, weil sie Bildungsverlierer (in den Augen der...

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  • 04.05.23
Kultur

Annika Büsings zweiter Roman „Koller“
Roadtrip und Schöpfungsgeschichte

Annika Büsing, die im letzten Jahr mit ihrem Romandebüt „Nordstadt“ gleich mehrere angesehene Literaturpreise eingefahren hat, widmet sich auch in ihrem zweiten Werk wieder Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben und einzelkämpferartig auf der Suche nach dem kleinen Glück sind. Waren es in „Nordstadt“ eine Schwimmlehrerin und ein behinderter Teenager, die (über Umwege) emotional zueinander fanden, so steht nun ein schwules Paar im Mittelpunkt. Kolja (Koller) und der Ich-Erzähler Chris...

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  • 03.05.23
Kultur

John Irvings Roman „Der letzte Sessellift“
Essenz des Lebenswerkes

„Ich wollte nicht Schriftsteller sein wegen eines Langweilers wie Ernest Hemingway. Ich wollte Schriftsteller sein wegen Hardy, Dickens, Melville“, hatte der amerikanische Schriftsteller John Irving einmal in einem Interview bekannt. Typisch für ihn – etwas provozierend und abseits des Mainstreams. So hat der 81-jährige, inzwischen in Toronto lebende Irving auch immer geschrieben. Seine 15 Romane, in denen gesellschaftliche Außenseiter (oftmals mit ausschweifendem Sexualleben) im Mittelpunkt...

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  • 21.04.23
Kultur

Roman von Georg-Büchner-Preisträger Arnold Stadler
Reif für die Insel

"Ich hatte den Verdacht, dass sie auf Schloss Sayn eigentlich Greta Thunberg hatten hören wollen und mir übelnahmen, dass ich nicht Greta Thunberg war, sondern ein weißer Alter, der für alles verantwortlich gemacht werden konnte“, lässt Georg-Büchner-Preisträger Arnold Stadler seinen verzweifelten Protagonisten resümieren. Ein Schriftsteller, der dem Autor nicht unähnlich ist und der aus einem seiner Romane lesen wollte. Doch die Veranstaltung auf Schloss Sayn (10 Kilometer östlich von Neuwied...

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  • 18.04.23
Kultur

Frank Goosens Roman „Spiel ab“
Zwischen Grätsche und Abseits

„Ich habe zwar auch an der Verklärung mitgeschrieben, aber immer versucht, das ironisch zu brechen“, hatte Frank Goosen vor einigen Jahren über seine Rolle als „Ruhrgebiets-Autor“ in einem Interview erklärt. Der 56-jährige Goosen war einst mit seinem Partner Jochen Malmsheimer als kabarettistisches Tresenleser-Duo zu respektabler Popularität gelangt und hatte erst relativ spät zur Literatur gefunden. Dann startete er aber mit seinem später erfolgreich verfilmten Romandebüt „Liegen lernen“...

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  • 13.04.23
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Kultur

Andreas Maiers Roman „Die Heimat“
Das schwarze Loch

Der 55-jährige Schriftsteller Andreas Maier hat den nächsten literarischen Mosaikstein seines monumentalen autofiktionalen Erzählprojekts fertig gestellt. Kindheit, Jugend und Pubertät im Landstrich zwischen Gießen und Frankfurt standen in den Vorgängerwerken im Mittelpunkt. Dann hat Maier im unmittelbaren Vorgängerwerk „Die Städte“ den Radius etwas größer gezogen und über die Studienjahre in Frankfurt erzählt. Nun folgt unter dem Titel „Die Heimat“ also Band neun des auf insgesamt elf Bände...

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  • 05.04.23
Kultur

Tonio Schachingers Roman „Echtzeitalter“
Internat als Hölle

Auf der ersten Seite beschreibt der 31-jährige Autor Tonio Schachinger äußerst detailliert die Außenansicht eines bekannten Wiener Internats. Sein Tonfall schwankt dabei zwischen Bewunderung und Verachtung. Dieser disparate Grundtenor zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung des zweiten Romans des Wiener Schriftstellers, der 2019 mit seinem Debüt „Nicht wie ihr“ auf große Resonanz gestoßen war. Im Mittelpunkt der Handlung, die von 2010 bis in die Corona-Zeit reicht, steht der Schüler...

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  • 28.03.23
Kultur

Judith Hermanns Band „Wir hätten uns alles gesagt“
Am eigenen Leben entlang

Vor ziemlich genau einem Vierteljahrhundert ging Judith Hermanns Stern am literarischen Himmel auf. Mit ihrem literarischen Debütwerk „Sommerhaus, später“ (1998) landete sie gleich einen grandiosen Erfolg. Der Band avancierte zum Bestseller (über 250.000 verkaufte Exemplare, Übersetzungen in 17 Sprachen), und der Name Judith Hermann galt fortan beinahe als Synonym für das mediale Phänomen „Fräuleinwunder“. Als „Stimme ihrer Generation“ wurde sie gefeiert und ihren Texten ein „unwiderstehlicher...

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  • 21.03.23
Kultur

Schriftsteller Martin Suter wird 75
Schreibe, was mir gefällt

Seine Kreativität und sein Arbeitseifer scheinen grenzenlos zu sein. Vor einem Jahr legte der Schweizer Erfolgsautor Martin Suter unter dem Titel ›Einer von euch‹ eine Romanbiografie über den Fuß­ballstar Bastian Schweinsteiger vor, er war kürzlich Hauptdarsteller einer Kino-Dokumentation, und kurz nach seinem 75. Geburtstag erscheint sein neuer Roman ›Melody‹. »Ich versuche jedes Mal ein Buch zu schreiben, das mir gut gefällt. Damit bin ich im­mer gut gefah­ren, weil ich of­fenbar selbst...

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  • 28.02.23
Kultur

Annette Pehnts Roman „Die schmutzige Frau“
Ein goldenes Gefängnis

„Du wolltest doch immer schreiben, sagt er und lächelt mir zu, während er das Buch und den Papierstapel vorsichtig auf meinem Schreibtisch ablegt.“ So beschreibt die namenlose Ich-Erzählerin in Annette Pehnts neuem Roman „Die schmutzige Frau“ eine Schlüsselszene der Handlung. Die eigene Wohnung zum Schreiben, ein beinahe stiller Rückzugsort, um der Kreativität freien Lauf lassen zu können – das alles hatte sich die Protagonistin, Mutter von zwei erwachsenen Kinder, gewünscht. Eine bescheidene,...

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  • 21.02.23
Kultur

Marlene Streeruwitz' Roman „Tage im Mai“
Sätze wie Schreie

In jüngerer Vergangenheit hat die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz schon einige Male junge Frauen in den Mittelpunkt ihrer Romane gestellt – so geschehen in „Die Schmerzmacherin“ (2011) und „Nachkommen“ (2014).  Jetzt hat sie sich an einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung abgearbeitet, die durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg noch an zusätzlicher Schärfe gewonnen hat. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte die 72-jährige Streeruwitz...

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  • 09.02.23
Kultur

Michael Köhlmeiers Roman „Frankie“
Opa verändert das Leben

"Am Dienstag haben sie Opa entlassen". Mit diesem Satz aus dem Mund des 14-jährigen Enkels Frank eröffnet der Österreicher Michael Köhlmeier seinen neuen, schlanken, aber immens facettenreichen Roman „Frankie“. Frank hat bis dahin ein beschauliches Leben mit seiner alleinerziehenden Mutter in einem Wiener Vorort geführt – sonntags sahen sie gemeinsam „Tatort“, mittwochs hat der Sohn für seine Mutter gekocht, bevorzugt Gemüse-Risotto. Dann ändert sich alles schlagartig. Großvater Ferdinand wird...

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  • 03.02.23
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