Rezension

Beiträge zum Thema Rezension

Kultur

Die Leere spüren

  Peter Härtlings posthum erschienener Roman „Der Gedankenspieler“ "Er schloss die Augen, hörte in sich hinein und spürte die Leere wieder, die Gleichgültigkeit. So könnte ich anfangen zu sterben, sagte er und fügte hinzu: Ich bin müde." Diese durchaus autobiografisch anmutenden Sätze hat Peter Härtling Johannes Wenger in den Mund gelegt - Hauptfigur in seinem letzten Roman „Der Gedankenspieler“, den Härtling kurz vor seinem Tod im Juli 2017 abgeschlossen hat. Der alleinstehende Wenger hat...

  • Wattenscheid
  • 29.03.18
Kultur

Mit dem Pony durch den Tulpenwald 

Martin Walsers Roman „Gar alles“ erscheint am 27. März Martin Walser schreibt und schreibt – mit nach wie vor atemberaubendem Tempo und bemerkenswerter formaler Brillanz. In seinem neuen Briefroman lässt der Grand Seigneur der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, der am 24. März seinen 91. Geburtstag feierte, einen auf bemitleidenswerte Weise gescheiterten Mann mittleren Alters Briefe an eine unbekannte Frau schreiben. Justus Mall war einst Oberregierungsrat in einem bayrischen Ministerium...

  • Wattenscheid
  • 24.03.18
Kultur

Hundefutter für die Krähe

Monika Marons streitbarer Roman " Munin oder Chaos im Kopf" "Ich wollte eigentlich keinen Roman über die Umweltzerstörung schreiben, sondern vor allem erzählen, was passiert, wenn jemand, in diesem Fall eine Journalistin, das tut, was sie für richtig hält: die Wahrheit zu schreiben", erklärte die Schriftstellerin Monika Maron 2009 in einem Spiegel-Interview über das Entstehen ihres in der damaligen DDR verbotenen Romans "Flugasche" (1981). Was im postfaktischen Zeitalter von der Wahrheit zu...

  • Wattenscheid
  • 12.03.18
Kultur

Wenn die Landschaft Trauer trägt

Esther Kinskys für den Leipziger Buchpreis nominierter Roman „Hain“ „Jeden Morgen wache ich in einer Fremde auf“, heißt es in Esther Kinskys viertem Roman „Hain“, und das ist nicht nur geografisch gemeint. Eine Frau begibt sich an drei unterschiedlichen Orten in Italien auf Spurensuche. Als „Geländeroman“ hat die 61-jährige Autorin und Übersetzerin ihr Werk bezeichnet. Man könnte es auch Landschaftsroman nennen, doch Gelände klingt wilder, ungezügelter – und so ähnlich geriert sich auch der...

  • Wattenscheid
  • 02.03.18
Kultur

Wenn alles zweimal geschieht

Peter Stamms Roman „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“   „Schreib eine Geschichte über mich“, lautete der zentrale Satz in Peter Stamms 1998 erschienenem und später verfilmten Debütroman „Agnes“ (1998). Seitdem hat sich der 55-jährige Schweizer Autor immer wieder auf experimentelle Grenzgänge begeben und ein reizvolles Spiel mit der Meta-Literatur inszeniert. Spätestens mit seinem mehr als 100 000mal verkauften Roman "An einem Tag wie diesem" (2006) hat sich Stamm in der ersten Reihe der...

  • Wattenscheid
  • 28.02.18
  • 1
Kultur

Alles ist in Bewegung

Norbert Gstreins Roman „Die kommenden Jahre“ Der 57-jährige österreichische Schriftsteller Norbert Gstrein ist bekannt dafür, dass er keinen großen Bogen um brisante Themen macht. Nach dem Balkankrieg („Das Handwerk des Tötens“) und einer gegen Suhrkamp-Chefin Ulla Berkéwicz gerichteten Roman-Persiflage („Die ganze Wahrheit“) hatte er sich zuletzt in seinem Roman „In der freien Welt“ (2016) mit dem Nahostkonflikt auseinander gesetzt. Nun widmet er sich dem Thema Flüchtlinge, eingebettet in eine...

  • Wattenscheid
  • 27.02.18
Kultur

Zwischen Gretel Adorno und Doktor Faustus

Andreas Maiers Roman „Die Universität“ Andreas Maier hat die nächste literarische Etappe seiner großen autobiografischen Lebensrundfahrt bewältigt. Der Roman „Die Universität“ ist der sechste von elf geplanten Bänden des autobiografischen Mammutprojektes mit dem Arbeitstitel „Umgehungsstraße“. Über Kindheit, Jugend und Pubertät in der hessischen Wetterau – ein Landstrich zwischen Gießen und Frankfurt – haben die Vorgängerwerke „Das Zimmer“ (2010), „Das Haus“ (2011), „Die Straße“ (2013), „Der...

  • Wattenscheid
  • 21.02.18
Kultur

Der vergiftete Brunnen

Julia Schochs Roman „Schöne Seelen und Komplizen“ „Das war die große Freude beim Schreiben, dass man jedem Gerechtigkeit widerfahren lassen konnte“, erklärte Julia Schoch kürzlich über ihren nun erschienenen vierten Roman. 16 Schüler eines Elitegymnasiums im Potsdam der Vorwendezeit stehen im Mittelpunkt der zweigeteilten Handlung. Der erste Teil ist in der Zeit zwischen 1989 und 1992 angesiedelt, die zweite, weitaus reizvollere Hälfte dreht sich um ein Klassentreffen ein rundes...

  • Wattenscheid
  • 14.02.18
Kultur

Leben in einer Wirklichkeitsdoublette

Wilhelm Genazinos Roman "Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze" (erscheint Montag) Wilhelm Genazino, der vor einer Woche seinen 75. Geburtstag feierte, spricht im Rückblick über seine Schriftstellerlaufbahn von "einem konventionellen, langsamen bürgerlichen Aufstieg." 2001 hatte Marcel Reich-Ranicki im "Literarischen Quartett" des ZDF die Werke des gebürtigen Mannheimes hochgelobt, drei Jahre später gab es den öffentlichen Ritterschlag durch die Verleihung des Georg-Büchner-Preises. Seitdem...

  • Wattenscheid
  • 28.01.18
  • 2
Kultur

Gemälde als Zäsur

Haruki Murakamis Roman "Die Ermordung des Commendatore I" Einen verwegenen Balanceakt zwischen Künstlerroman, Schauergeschichte, magischem Realismus und Selbstfindungsepos präsentiert uns der neue Roman von Haruki Murakami. In den letzten Jahren wurde der 69-jährige japanische Schriftsteller regelmäßig als heißer Kandidat auf den Literatur-Nobelpreis gehandelt. Im deutschen Sprachraum erfreut er sich schon seit dem Sommer 2000 großer Popularität. Damals war es im "Literarischen Quartett" des...

  • Wattenscheid
  • 23.01.18
Kultur

Der Tod spielt Trompete

Hans Joachim Schädlichs Roman „Felix und Felka“  „Inmitten der zusammengestürzten Welt - menschliche Skelette mit Musikinstrumenten. Der Tod spielt Trompete. Felix erwacht. Er schwitzt. Er zittert.“ Sätze, die wie Nadelstiche unter die Haut gehen und beinahe ähnliche Schmerzen bei der Lektüre bereiten. Der inzwischen 82-jährige Hans Joachim Schädlich, der oft (und nicht zu Unrecht) als Meister der sprachlichen Reduktion gefeiert wurde, hat wieder einmal unter Beweis gestellt, dass er mit...

  • Wattenscheid
  • 18.01.18
  • 1
Kultur

Zuschauerin des eigenen Lebens

Bernhard Schlinks Roman „Olga“ (erscheint am 12. Januar) „Sie macht keine Mühe, am liebsten steht sie und schaut.“ Mit diesem für seine Protagonistin Olga charakteristischen Satz eröffnet Bernhard Schlink seinen neuen, weit ausholenden Roman. Auf etwas mehr als 300 Seiten versucht der Bestsellerautor ein historisches Panorama von über hundert Jahren auszubreiten. "Ich war zu alt, als dass die neue Rolle mein Leben entscheidend hätte verändern können. Ich hatte meinen Ort in der Welt bereits...

  • Wattenscheid
  • 11.01.18
Kultur

Sechs Frauen als Musen 

Markus Orths opulenter Roman „Max“ Lou, Marie-Berthe, Gala, Leonora, Peggy und Dorothea. So lauten nicht nur die Kapitelüberschriften in Markus Orths neuem, ausschweifenden Künstlerroman Max, sondern es sind auch die Vornamen der wichtigsten Lebenspartnerinnen des künstlerischen Universaltalents Max Ernst (1891-1976). Der ehemalige Lehrer Orths hatte in seinen voran gegangenen (inzwischen in 18 Sprachen übersetzten) Romanen stets den schwierigen Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und...

  • Wattenscheid
  • 04.01.18
  • 1
Kultur

Doppelter Frieden

Helga Schütz' Erzählung „Die Kirschendiebin“ Helga Schütz, die Anfang Oktober ihren 80. Geburtstag feierte, hat sich seit Jahr und Tag als poetische Dokumentaristin des ostdeutschen Alltags einen Namen gemacht. Äußerst subtil hat sie in ihren Romanen (angefangen mit „In Annas Namen“, 1986) darüber hinaus ihre eigene Biografie eingeflochten. An dieser bewährten Konzeption hat die in Niederschlesien geborene und später in der DDR lebende Autorin auch in ihrem Erzählwerk „Die Kirschendiebin“...

  • Wattenscheid
  • 12.11.17
Kultur

Liebe unter staatlicher Kontrolle

Ines Geipels Roman „Tochter des Diktators“ Ein abgelegenes Dorf in der Toskana, Berlin, Moskau, Leningrad und Paris sind die Handlungsorte in Ines Geipels erzählerischer Abrechnung mit den zerstörerischen, menschenverachtenden  Mechanismen des Staatskommunismus'. Die Autorin, 1960 in Dresden geboren, weiß, wovon sie schreibt. Als ehemalige Weltklasse-Leichtathletin war sie Opfer des DDR-Zwangsdopingsystems und 1989 (vor dem Mauerfall) über Ungarn in den Westen geflohen. Für ihren neuen Roman...

  • Wattenscheid
  • 30.10.17
Kultur

Wenn etwas ins Auge geht

  Irene Disches Roman „Schwarz und Weiß“ Nur selten ist ein Titel so aussagekräftig wie beim neuen opulenten Epos der überwiegend in Berlin lebenden amerikanischen Schriftstellerin Irene Dische. Sie erzählt in ihrem sechsten Roman von der unkonventionellen Liebesgeschichte zwischen einem ungebildeten, dunkelhäutigen jungen Mann aus Florida und der Tochter einer intellektuellen jüdischen Emigrantenfamilie aus New York. Aufsteigergeschichte, Familienroman und Gesellschaftspanorama hätte es werden...

  • Wattenscheid
  • 24.10.17
Kultur

Ohne Vater kann keiner leben 

"Die rothaarige Frau" - der neue Roman von Nobelpreisträger Orhan Pamuk "Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem viele Romane gelesen wurden. Mein Vater hatte eine umfangreiche Bibliothek und erzählte von den großen Schriftstellern wie Thomas Mann, Kafka, Dostojewski oder Tolstoi. Schon als Kind waren für mich all diese Romane und Autoren eins mit dem Begriff Europa", erklärte Orhan Pamuk einst in einem Interview. Doch trotz dieser frühen Affinität zur großen europäischen Literatur hat der...

  • Wattenscheid
  • 27.09.17
Kultur

Ein interessanter Mann

Neuer Brunetti-Roman zum 75. Geburtstag von Donna Leon am 28. September* Es gibt literarische Figuren, die bekannter sind als ihre Schöpfer. Das gilt für Georges Simenons Kommissar Maigret, für Agatha Christies Miss Marple, für Bella Block aus der Feder von Doris Gercke, für den Detektiv Wilsberg von Jürgen Kehrer und ganz sicher auch für Donna Leons Romanprotagonisten Guido Brunetti. 26 Kriminalromane um den eigenbrötlerischen Kriminalkommissar aus Venedig sind seit 1992 erschienen, und viele...

  • Wattenscheid
  • 18.09.17
Kultur

Besuch aus Venedig

Hanns-Josef Ortheils Roman „Der Typ ist da“ Plötzlich ist er da. Leise und doch bestimmend, hilfsbereit, aber nicht unterwürfig. "Ich bin Matteo, sagt der Typ und rührt sich weiter nicht. Als sie seinen Namen hört, fällt er ihr wieder ein. Matteo! Er war der Unscheinbarste von allen, ein stiller, höflicher junger Mann, immer etwas am Rand des Geschehens." Der junge Venezianer ist einer lose ausgesprochenen Einladung der Kölner Studentin Mia gefolgt und stellt fortan das Leben in einer...

  • Wattenscheid
  • 12.09.17
Kultur

Die Entdeckung des Kaugummis

Uwe Timms opulenter Roman „Ikarien“ „Ich bin überzeugt, dass wir in unserer Seele einen besonderen Teil haben, der einem anderen vorbehalten ist. Dort sehen wir die Idee unserer anderen Hälfte, wir suchen nach dem Vollkommenen im anderen“, erklärte der männliche Protagonist Eschenbach in Uwe Timms letztem Roman „Vogelweide“ (2013). Um dunkle und helle Sphären im Menschen, um kaum erklärbare Ambivalenzen und Berührungspunkte zwischen Gut und Böse geht es auch im neuen Roman des inzwischen...

  • Wattenscheid
  • 07.09.17
Kultur

Last in Proviant verwandeln

Ulla Hahns opulenter Roman „Wir werden erwartet“ Es ist vollendet. Die inzwischen 72-jährige Schriftstellerin Ulla Hahn hat ihren großen, 2500-seitigen autobiografischen Zyklus mit dem nun vorliegenden, opulenten Roman abgeschlossen und ihren beschwerlichen Weg von der Nachkriegskindheit in der rheinischen Kleinstadt bis hin in die hochpolitischen 1970er Jahre nachgezeichnet, in denen die Wurzeln ihrer schriftstellerischen Laufbahn liegen. "Erst vor dem Hintergrund des Erfundenen konnte ich...

  • Wattenscheid
  • 29.08.17
Kultur

In den Sand gemalt

Henning Mankells früher Afrika-Roman „Der Sandmaler“ Als Henning Mankell im Oktober 2015 im Alter von 67 Jahren gestorben ist, hat er ein gewaltiges Oeuvre hinterlassen. Neben seinen erfolgreichen Krimis um den kauzigen, stets missgelaunten Kommissar Kurt Wallander und den psychologisch ambitionierten Gesellschaftsromanen „Tiefe (2004)“, „Kennedys Hirn“ (2006), „Die italienischen Schuhe“ (2007) und „Der Chinese“ (2008) gab es auch noch die qualitativ höchst unterschiedlichen erzählerischen...

  • Wattenscheid
  • 21.08.17
  • 2
Kultur

Der leere Briefumschlag

Paulus Hochgatterers vorzügliche Erzählung „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ "Man kann nichts objektiv erkennen, weder sich noch die Welt. Man kann sich ihr nur annähern, wenn man weiß, dass sie doch fern und unbekannt bleibt“, erklärte der Schriftsteller Paulus Hochgatterer kürzlich in einem Interview. Der 56-jährige Niederösterreicher, der im Hauptberuf das Landesklinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Tulln leitet, hat sich künstlerisch stets mit Menschen in...

  • Wattenscheid
  • 18.08.17
Kultur

Der Eingang zur Hölle

Mareike Krügels Roman „Sieh mich an“ "Ich will nicht sterben, und ich will auch nicht durch diese Tür gehen. Schultüren sind der Eingang zur Hölle. Aber es hilft nichts, meine Tochter braucht mich." Mit diesen dramatisch klingenden Worten ihrer Protagonistin Katharina Theodoroulakis eröffnet die 40-jährige Schriftstellerin Mareike Krügel ihren vierten Roman. Die Ich-Erzählerin ist Anfang vierzig, lebt mit ihren beiden Kindern nahe der Ostsee (wie die Autorin), während ihr Mann Costas in Berlin...

  • Wattenscheid
  • 09.08.17
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.