Spendenaufruf wegen Kostensteigerung - "Guter Geist liegt über der Synagoge"
Synagoge als Zeichen gewollter jüdischer Religion in Unna

Farben und Quadrate sind Teil der Symbolik des Jüd. Glaubens, die Irith Michelsohn (Generalsekretärin der Union Progressiver Juden in Deutschland) u.a. kurz erläutert.
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  • Farben und Quadrate sind Teil der Symbolik des Jüd. Glaubens, die Irith Michelsohn (Generalsekretärin der Union Progressiver Juden in Deutschland) u.a. kurz erläutert.
  • hochgeladen von Stefan Reimet

Über den Dächern der Massener Buderussiedlung strahlt bald der Davidstern. Die aufwendigen Umbauarbeiten an der Synagoge der Jüdischen Gemeinde "haKochaw" für den Kreis Unna biegen auf die Zielgerade ein. Dass die Baukosten rund 400 000 Euro höher liegen als geplant trübt die Vorfreude auf die Einweihung der Synagoge nicht. Für die noch junge Jüdische Gemeinde wird die Eröffnung mit dem Freitagabend-Gottesdienst Kabbalat Schabbat am ersten Wochenende im Juli zum besonderen Fest.

Im Verlauf der rund zehn Monate Bauzeit nahmen Sanierungsmaßnahmen und Anpassungen an neue Schutz- und Sicherheitsvorschriften immer breiteren Raum ein. Das ehemailge Bodelschwinghaus wurde mit einer Fassadendämmung energetisch auf den aktuellen Stand gebracht. Geblieben sind die Aussenmauern. Innen wurde direkt am Eingang rechts eine kleine Pförtnerloge eingerichtet. weitere Fenster als Fluchtwege eingebaut. Der Brandschutz stellte erhöhte Anforderungen. Die  Wohnungen in dem Gebäude erhielt einen separaten Zugang, eine ist für Aufenthalte der Rabbinerin vorgesehen.
Weithin sichtbar über den Dächern der Buderussiedlung wird der Turm mit dem Davidstern als Glaselement erkennbar sein. Wie die Fenster im großen Gebetsraum in hellgelb und blau. Alle zwölf Farben des jüdischen Glaubens, die zwölf Stämme des Volkes Israel symbolisieren,  sind in der Synagoge integriert. Das Konzept baut auf dem Quadrat auf. Die Wände werden mit 365 Quadratflächen in grau für die Inschrift der über 600 Gebote und Verbote verkleidet. Innengestalter Matthias Hauke richtete bereits die Synagoge in Bielefeld ein. „Jede Darstellung hier hat eine Bedeutung.“ Die Bodenplatten bestehen aus Sand aus Israel, damit die Gemeinde symbolisch auf israelischem Boden steht. Architekt Thomas Schmidt: “Jetzt ist Feintuning  angesagt. Spachtel- und Malerarbeiten sowie die Gestaltung des Sternenhimmels. Wege müssen angelegt werden und Rollrasen ausgelegt, Lampen und die Küche eingebaut. In rund drei Wochen sollen die Arbeiten erledigt sein. Insgesamt über 20 Firmen waren beschäftigt, jetzt noch 17 Firmen mit über 30 Mitarbeitern. „Ein guter Geist liegt auf der Synagoge. Es gab nie gravierende Probleme“, erklärt der Architekt.
Asbest im Dachboden
Doch Überraschungen gab es bei Arbeiten am Dachboden. Er stellte sich als mit Asbest belastet heraus und musste teuer zurückgebaut werden. Die Folge: Weitere Böden und Wände mussten untersucht werden. „Das hat den Umbaupreis in die Höhe getrieben.“ Rund 400 Tsd. Euro muss die Jüdische Gemeinde mehr bezahlen. Die Preissteigerungen im Baugewerbe sind aber ein weiterer Grund für die höheren Kosten. „Das zieht einem hier die Schuhe aus“, so Thomas Schmidt. „Der Markt läuft einem weg“, stellte auch Bürgermeister Werner Kolter bei einer Begehung fest. Neue Anforderungen des Brand- und Sicherheitsschutzes kommen hinzu.
Brückenbauer
5. Nachdem Vertreter der Gemeinde und Stadt Unna bereits in einem Gespräch mit Landrat Michael Makiolla das Finanzierungsproblem besprochen hatten, wenden sie sich jetzt an die Öffentlichkeit. „Die Jüd. Gemeinde steht für eine Brücke zwischen Religionen und Kulturen“, betonte Werner Kolter. Landrat und Bürgermeister der Nachbargemeinden bitten jetzt um Spenden, um die Verbundenheit mit der Neuen liberalen Jüd. Gemeind zu zeigen. „Wir stellen uns dieser Aufgabe.“ Die meisten der einst rund 350 Mitglieder zählenden Gemeinde in Unna sind in Lagern während der Zeit des Nationalsozialismus umgekommen. Kolter erinnerte an ein Schreiben des damaligen Bürgermeisters aus dem Jahr 1942 an dessen Vorgesetzten: „Unna ist jetzt judenfrei.“
Geschichte
Bereits lange bevor die erste Synagoge in Unna 1885 geweiht wurde hatte jüdisches Leben einen Platz in Unna. Nachdem im November 1938 während des Pogroms das Gebäude in Flammen aufging war es nur ein kleiner Schritt zur konsequenten Verfolgung der Juden, die bis zur Deportation der Bewohner des in der Stadt ansässigen “Israelitischen Altenheims“ von Westfalen ging. Eine jüdische Gemeinde gab es dann nicht mehr. Die Gemeinde „haKochaw“gründete sich erst 2007 wieder. Vier Jahre zuvor bildete der Verein "Stern" die „Urzelle“ der Gemeinde. Dieser „Jüdisch-kulturell integrative Verein“ nahm sich vor, die jüdische Kultur und Religion wieder nach Unna zu bringen und bei der Integration von Zuwanderern zu unterstützen. „Stern“ versteht sich heute als Teil der Bürgergemeinschaft in Unna. Unter dem Dach der jüdischen Gemeinde "haKochaw" nimmt er an interkulturellen Dialogen, an Netzwerken und religiöser Basisarbeit teil. Mitgründerin von "haKochaw" und bis heute Vorsitzende ist Alexandra Khariakova. Sie kennt das Schicksal von Flucht und Vertreibung aus ihrer eigenen Familie. Mit ihrem Mann und zwei Kindern kam sie 1995 nach Deutschland, in die Landesstelle Unna-Massen. Denn zu einem Teil der Familie, die bereits in Dortmund ansässig war, wollte sie Kontakt halten. Für die Bauzeichnerin wurde die Hellwegstadt auch zur spirituellen Heimat, die Nähe zur Synagoge in der Buderusstraße ist für sie ein Wink des Schicksals und eines persönlichen Neuanfangs.
Synagoge
Die  liberale jüdische Gemeinde für den Kreis Unna
möchte jüdisches Leben in Unna wieder auf - und ausbauen. Seit zehn Jahren unterstützt ein Freundeskreis die Arbeit, bestärkt durch den Landtagsabgeordneten Wolfram Kuschke, Landrat Michael Makiolla und Bürgermeister Werner Kolter. Kurz darauf konnte die Gemeinde das ehemalige Bodelschwinghhaus in der Buderusstraße anmieten. Das Gemeindezentrum wurde durch den feierlichen Einzug einer eigenen Sefer Thora (Thora – Rolle) vor sieben Jahren zur Synagoge.
Zu den wichtigsten Veranstaltungen der Gemeinde zählen interkulturelle Dialoge etwa zu Frauenthemen, die Aktion „Stolpersteine“, die Projekte „Respekt“ und „bUNt“ im Integrationsrat sowie Stadtveranstaltungen zur Erinnerung an Kriegsopfer und Pogromnacht.
Lücken schließen
Um das ehemalige Bodelschwinghaus zu einem Ort jüdischen Lebens zu machen waren die Umbauarbeiten erforderlich. Der Fehlbetrag von rund 400 Tsd. Euro wird derzeit zwischenfinanziert. „Der ideelle Wert ist höher“, erklärt Werner Kolter. Schon weil „haKochaw“ von überregionaler Bedeutung ist. „Auf allen Ebenen versuchen wir, die Lücke zu schließen.“
Wesentliche Ausgaben wie Sicherheitseinbauten trägt das Land NRW komplett. Barrierefreie Bauweise wird ebenfalls gefördert. Etwa 3,2 Mio. Euro von jetzt 3,5 Mio. Euro sind gedeckt. Ist die Synagoge fertig begegnet dem Besucher überall Symbolik. Für das Aussengelände etwa einen Synagogengarten. Im Eingangsbereich entsteht eine Gedenktafel als beleuchtete Nische mit einer Fotografie eines Zedernbaums. Im Vordergrund sind die Namen der getöteten Juden aufgelistet, aber spiegelverkehrt. Lesbar werden sie durch einen rückwärtigen Spiegel. Ein Licht kann bei Gedenktagen und Trauerfeiern angeschaltet werden. Der Unnaer Pfarrer Jürgen Düsberg, Förderverein, recherchierte die Namen der etwa 300 Deportierten Personen. Sie werden ergänzt durch in den vergangenen Jahren verstorbene Mitglieder. Wieder verwendet werden Teile der ehemaligen Kirchenfenster. In kleine Quadrate geschnitten werden die Glasstücke, versehen mit den Namen der Spender, an einer Wand befestigt, direkt über dem erhaltenen Grundstein des Bodelschwingh-Hauses. Spender erhalten zusätzlich ein farbiges Stück Fensterglas der heutigen Synagoge geschenkt. 
Spendenaufruf
Um ein sichtbares und gewolltes Zeichen jüdischen Lebens mit einer Synagoge zu setzen rufen Landrat Michael Makiolla sowie die Bürgermeister des Kreises und der  Stadt Unna alle Bürgerinnen und Bürger auf, die Jüdische Gemeinde tatkräftig zu unterstützen.
Spenden für den Umbau der Synagoge erbittet die Jüdische Gemeinde „haKochaw“ auf folgendes Konto: Sparkasse Unna-Kamen DE90 44350060 00001199 33

Info
Die Jüdische Gemeinde haKochaw für den Kreis Unna, Eigentümerin des ehemaligen Bodelschwingh-Hauses, wird am 4. Juli 2019 in Gegenwart des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, zahlreichen Rabbinerinnen und Rabbinern und Ehrengästen sowie unter der Leitung von Rabbinerin Natalia Verzhbovska ihreSynagoge mit dem dazugehörigen Gemeindezentrum einweihen. Hierzu ist eine besondere Anmeldung erforderlich!

Zum Freitagabend-Gottesdienst „Kabbalat Schabbat“ mit Rabbinerin Natalia Verzhbovska lädt die Gemeinde dann am 5. Juli um 18 Uhr ein. Auch hier ist eine Anmeldung erforderlich unter khariakova@liberale-juden.de oder per Post an Jüdische Gemeinde haKochaw, Buderusstraße 11, 59427 Unna.

Am Tag der offenen Synagoge, Sonntag 7. Juli von 12 bis 17 Uhr sind Führungen mit Architekt Thomas Schmidt und Künstler Matthias Hauke geplant. Zum Fest spielt das Nodelmann-Quartett klassische und jüdische Musik. Der Eintritt ist frei.

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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