Flüchtlingswelle, Gebäudemodernisierung und Verkehrsmix waren "Großprojekte" für Bürgermeister
Nach 16 Jahren Ende der Ära Werner Kolter

Auf eine lebhafte Amtszeit blickt Werner Kolter zurück.
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Mit 24 Jahren Diensterfahrung in der Verwaltung der Kreisstadt Unna kennt Werner Kolter wohl jede Akte im Rathaus. 16 Jahre stand er an der Spitze der Stadt. Werner Kolter war nach Volker Weidner der zweite Hauptamtliche Bürgermeister der Hellwegstadt, in der er zuvor als Beigeordneter wirkte. 16 Jahre lenkte er ihre Entwicklung mit,  stand vor mancher Herausforderung, etwa der Flüchtlingswelle und der Verkehrsentwicklung und lernte hier seine Ehefrau Simone Melenk kennen. Wie schaut Werner Kolter auf seine Amtszeit  zurück, welche Bilanz zieht er, welche Ziele hat er erreicht und was ist liegen geblieben? Sicher ist: „Bis zur Silbernen Hochzeit haben wir es nicht geschafft“, schmunzelt Monika Peters, die seit 1996 seine rechte Hand in Administration und Vorzimmer ist. Im Interview verrät Werner Kolter auch, welche Qual der Wahl ihm seine letzte Amtshandlung am 31.Oktober bereitet.

Herr Kolter, mit welchem großen Wunsch traten Sie das Amt des Bürgermeisters vor 16 Jahren an?

Mein Ziel war, Unna als Stadt in der Region attraktiv zu halten. Was ist attraktiv? Darüber dachte ich mit meinen Mitstreitern nach über die gesamte Zeit. Zunächst als Gewerbestandort inklusive reichlich Flächen zur Ansiedlung, eine attraktive Innenstadt in Kooperation etwa mit dem City-Werbering zu schaffen. eine Stadt lebt aber auch von Toleranz, Lebensfreude, dem Engagement der Bürger, selbst Verantwortung zu übernehmen im Sport- und Sozialbereich. Vieles, worauf wir stolz sind tragen die Bürger selbst. Das zu fördern und zu stärken war immer mein Anliegen und auch Neues zu probieren.

Was haben sie speziell erreicht?

Gelungen ist es, attraktive Gewerbegebiete rechtlich abzusichern, etwa die Ikea-Ost-Erweiterung, Woolworth, neue Infrastruktur anzuschließen, die Breitbandtechnik und Unna als Wohnstandort lebendig zu halten. Fortschritte machte das bürgerschaftliche Leben, wie Lindenbrauerei und die Bürgerstiftung. Unna ist heute eine Stadt, die vielfältig sein will. Gegen Rassismus und Intoleranz. Eine Stadt die bunt sei will.

Ist das gelungen?

Das Gute ist immer der Feind des Besseren. Natürlich ist alles entwickelbar, aber wenn man uns in der Region vergleicht, kann man das Erreichte auf einem guten Fundament entwickeln.

Was war die schwierigste Aufgabe in Ihrer Amtszeit?

Ein Einzelthema fällt mir da nicht ein. Eine Phase war die Zuwanderung der Flüchtlinge als eine große Herausforderung. Wir haben besondere Verantwortung mit der Erst-Aufnahme-Einrichtung Massen übernommen, das kostete viel Kraft und Gespräche. Ich bin stolz, das die Akzeptanz dafür spürbar war. Über Schulungen und Integrationskurse haben wir mit vielen Ehrenamtlichen das geschafft. Erfolge kann man schlecht bewerten.
Weitere Herausforderung war die Modernisierung der Schulen und öffentlichen Gebäude. Viele sind in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut worden, manche über 100 Jahre alt. Den Bestand auf den aktuellen Stand zu bringen, Brandschutz, moderne Klassenräume und unit21 waren Erfolgsprojekte. Das hat in der Coronazeit geholfen, den Unterricht durchzuführen.

Bitte führen Sie den Satz fort: „Zugegeben, dass habe ich nicht geschafft…“

..das Thema Eissporthalle abzuschließend zu regeln. Der Bürgerentscheid steht. Es gibt noch keine Zielgerade. Das ist schwierig. Ich hätte auch gerne den Spatenstich für die Schule am Hertinger Stadion gemacht. Und vielleicht noch ein bisschen stärker die Veränderung des Verkehrsmix von Radwegen und ÖPNV, da hätte ich mir mehr Schritte erwünscht.

„Darum gibt es keinen schöneren Beruf auf der Welt…“

… weil man die große Chance zur Gestaltung hat mit einem guten Team und die unmittelbare Begegnung mit den Bürgern, die Aufnahme von Ideen und Kritik und die Umsetzung vor Ort in eigener Verantwortung, das ist eine einmalige Chance, die man hat. In Kontakt blieb ich durch tägliche Treffen im Alltag, ob an der Einkaufskasse oder bei der Radtour. Man muss man ansprechbar sein, nicht nur in Bürgersprechstunde, Vereinen, bei Stadtteilfesten. Das sind riesige Möglichkeiten. Mit Bürgern über Unna und ihre Quartiere zu reden oder ihre Wohnstraße.

„Das hat mich besonders gefreut als Bürgermeister…“

… das die Menschen sehr offen und freundlich waren. Sie legten mir ihre Anregungen sehr vertrauensvoll ans Herz. Es gibt ja viele Diskussionen über Politiker, die sich bedroht fühlen durch Hassmails. Ich muss ehrlich sagen, hatte ich nicht, Gott sei Dank. Kann man vergessen die drei Fälle die ich hatte.

„Das hat mich besonders geärgert…“

… manchmal die Ungeduld einiger Bürger. Dass sie nicht verstehen, dass Prozesse länger dauern und die Erwartungshaltung sehr groß wurde. Sonst wüsste ich spontan wenig dazu.

„Das habe ich dazugelernt in meiner Zeit als Bürgermeister…“

…. man lernt immer dazu. Die Zeiten haben sich verändert, die Themen verschieben sich. Klimawandel, Nachhaltigkeit und Verantwortung gegenüber der Natur sind hinzugekommen. Das ist gewachsen, wurde früher anders gewichtet. Die Politik wurde durch Zersplitterung des Rates komplizierter, die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung sind komplexer geworden und schwerer zu steuern.

„Das Amt des Bürgermeisters ist kein Acht-Stunden-Job weil…“

… wahrlich nicht, weil viele Termine ausserhalb des Acht-Stunden-Zeitfensters liegen. Und weil ich das Amt ja immer repräsentiere, selbst wenn ich eine Pizza essen gehe. Dann saß da eben der Bürgermeister. Viele Termine liegen auch am Wochenende, Sportlehrungen, Schützenfeste. Der Kalender ist da voll. Da bleibt viel Freizeit auf der Strecke. Nur mit Leidenschaft und Freude kann man es gut machen und man weiß vorher, dass es zeitlich anspruchsvoll ist, aber viele schöne Begegnungen mit sich bringt.

„Das kommt nach dem Bürgermeisteramt…“

… die Phase, wo ich mehr Zeit habe für Dinge, die in den letzten Jahren hinten anstehen mussten. Meine Frau und ich fahren gerne per Rad in die Soester Börde, ins Ruhrgebiet oder Münsterland. Das kann ich jetzt spontaner planen. Zeit für Freunde ist ein wichtiger Punkt. Menschen die uns wichtig sind einladen. Meine Hobbys sind bekannt, ich lese viel und bin Fußballfan. Vielleicht gibt es ja mal wieder eine Chance zum Stadionbesuch. Im Verein bin ich lange nicht mehr aktiv, habe früher mal Handball gespielt bei der HSG in Unna und bin Mitglied.
Ich bin 71 Jahre, das war auch der Grund auf eine weitere Perode zu verzichten. Es haben mich immer mal Bürger angesprochen, ob ich nicht eine dranhängen könnte. Ich hatte aber letztes Mal schon gesagt, dass es die letzte sei. Es ist der Respekt vor dem Alter, denn es gäbe keine Altersgrenze. Da muss man Verlässlichkeit zeigen und sich nicht von Eitelkeiten leiten lassen. Man freut sich, wenn man gemocht wird, aber das stand ausser Diskussion und war auch mit meiner Frau abgesprochen.

Herr Kolter, was geben Sie ihrem Amtsnachfolger mit auf den Weg?

Da halte ich es mit einem Wort von Johannes Rau „Ratschläge sind immer auch Schläge“. Ich denke, sie sollen ihren Weg finden und ihre Talente einbringen. Für einen Rat stehe ich gerne zur Verfügung.

Was hat sie mal richtig geärgert?

Manchmal die eine oder andere Diskussion im Stadtrat, weil ich dachte, das müsste man doch besser wissen. Aber das sind politische Bewertungen. Man hat mir gesagt, den Ärger habe man mir angesehen, finde ich aber auch ganz gut, denn das Gegenüber sollte wissen, das ärgert mich wirklich. Unsachlichkeiten und falsche Tatsachenbehauptungen, das ärgert mich. Auch mal unsachliche Artikel in der Zeitung. Aber das gehört im Laufe der 16 Jahre dazu. Ich arbeite das auf, lerne es zu ertragen und prüfe selbst, ist was dran. Vielleicht ist der Ärger auch gar nicht berechtigt. Da braucht man Mitarbeiter die einem sagen, vielleicht hätte man es auch anders bewerten können. Wenn ich dann aber merkte, dass der andere hartnäckig falsch berichtet, habe ich Stopp gesagt.
Was wird Ihre letzte Amtshandlung sein?
Das weiß ich gar nicht. Am 31. Oktober war vorgesehen, dass ich die IG Metallehrung in Unna leite. Das hätte mir Riesenfreude gemacht, wird aber wegen Corona nicht stattfinden. Es wird die Verabschiedung des Landrates Michael Makiolla sein. Aber ursprünglich war die IG-Metall-Ehrung im Kalender.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute auf Ihrem künftigen Wege!

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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