Die seelenlose Alma

Isabel Allendes Roman „Der japanische Liebhaber“


Die inzwischen 73-jährige Erfolgsautorin Isabel Allende ("Das Geisterhaus") hat es in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder geschafft, weltweit ein millionenstarkes Publikum stets aufs Neue in den Bann zu ziehen – zumeist mit starken, historischen Frauenfiguren oder an der eigenen bewegten Vita angelehnten Familiengeschichten. An diesem bewährten künstlerischen Strickmuster hat Allende auch in ihrem neuen Roman „Der japanische Liebhaber“ festgehalten.

Im Mittelpunkt steht die einst erfolgreiche Künstlerin Alma Belasco, die die Achtzig überschritten hat, sich aber mit aller Macht gegen das Alter wehrt. Sie fährt noch Auto, redet nur selten über Krankheit oder Tod und umgibt sich mit einer jungen Gesellschafterin. Jene Irina Bazili stammt aus Moldawien, ist Mitte Zwanzig und arbeitet als Hilfskraft in einem Altersheim am Stadtrand von Berkeley, wo auch Alma seit einiger Zeit – umgeben von allerlei schrägen Figuren – logiert.
Rückblickend werden wir mit Almas Lebensweg konfrontiert, den Irina und Almas Enkel Seth rekonstruieren. Der aufschneiderische Enkel gibt vor, einen Roman über Almas bewegte Vita schreiben zu wollen. Und blitzschnell werden wir von einem reißenden Erzählstrudel erfasst, der uns durch die Untiefen etlicher unglücklicher Liebesbeziehungen, eine freudlose Ehe und eine dramatisch-traurige Kindheit führt.
Almas Eltern sind im Konzentrationslager Treblinka ermordet worden, sie selbst kam zu wohlhabenden Verwandten in die USA, wo sie sich als Teenager unsterblich in den Sohn des japanischen Gärtners Takao Fukuda verliebte. Im Nachkriegsamerika eine Beziehung zu einem japanischen Einwanderer? Das konnte nicht funktionieren und musste geheim gehalten werden.

In Buchhaltermanier ohne Empathie
Alma schlittert in eine unglückliche Ehe mit Nathaniel, der sich später als Schwuler outet. Sie tritt die Flucht in etliche Affären an, die bei der Lektüre nicht wirklich aufwühlen und staubtrocken in Buchhaltermanier abgearbeitet werden - ohne Empathie und ohne jegliche stilistische Brillanz.
Almas Jugendschwarm Ichimei wird als „Mann der hitzigen Liebe, der erotischen Einfälle“ beschrieben. Noch in fortgeschrittenem Alter sendet ihr der Landschafts-Künstler dezente florale und poetische Liebesgrüße. Da wird die Kitschgrenze doch um einige Zoll überschritten. Warum diese seelenlose Hauptfigur ausgerechnet den Namen Alma (spanisch: die Seele) trägt, bleibt Allendes Geheimnis.
Nicht minder befremdlich ist ihre immer stärker werdende Affinität zu politisch-gesellschaftlichen Simplifizierungen. Sloganartig lässt sie den alten Gärtner Takao Fukuda über amerikanische Arroganz und die materialistische Lebensweise schimpfen.

Es knackt und knirscht überall
In diesem Roman knackt und knirscht es an allen Ecken und Kanten, und man begegnet Sätzen, die in keinem Volkshochschulkurs für kreatives Schreiben durchgehen würden. Da heißt es über Almas Altersheim: „Die Laken waren sauber, wie das übrige Zimmer auch, denn von ihren Großeltern hatte sie gelernt, dass Armut keine Entschuldigung dafür sein kann, dass man nicht putzt.“
Da schlägt man einigermaßen fassungslos die Hände über den Kopf zusammen – im festen Wissen darüber, dass es oft mehr Fluch als Segen ist, wenn einem Schriftsteller mit dem Debütwerk gleich ein ganz großer Wurf gelingt. Vom Glanz ihres Erstlings „Das Geisterhaus“, den sie später nur noch punktuell erreichte, ist Isabel Allende inzwischen Lichtjahre entfernt. Ihre so gehegten starken Frauenfiguren wirken mittlerweile erbärmlich schwach – wie aus einer Doku-Soap für Senioren.

Isabel Allende: Der japanische Liebhaber. Roman. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015, 336 Seiten, 21,95 Euro

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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