Türkischer Botschafter im Klaus-Steilmann-Berufskolleg über Kritik, die Ukraine und Russland

Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, im Klaus-Steilmann-Berufskolleg. | Foto: Andreas Keuchel
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  • Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, im Klaus-Steilmann-Berufskolleg.
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Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, diskutierte am Donnerstag (8. Mai) während eines Herausforderung Zukunft- Workshops mit Jugendlichen im Wattenscheider Klaus Steilmann-Berufskolleg. Dabei stellte sich der Diplomat vor allem Fragen zur aktuellen Situation in seinem Heimatland und ging auch auf die Lage in der Ukraine ein.

„Die Türkei teilt die Ansicht der europäischen Gemeinschaft, dass hier völkerrechtlich ein Verstoß vorliegt. Zudem sehen wir die Entwicklung mit Sorge. Wir haben noch immer die Hoffnung, dass auf diplomatischem Wege eine Lösung herbeigeführt werden kann und setzen große Erwartungen in den russischen Präsidenten. Er muss seinen Einfluss in der Region geltend machen. Die Türkei ist noch näher von diesen Entwicklungen betroffen, zumal mehrere Tausend Türken auf der Krim leben. Aber der Westen und insbesondere die europäische Gemeinschaft hat vor einigen Monaten große Fehler gemacht. Ob es unbedingt klug war, sofort und mit so viel Nachdruck die Majdan-Bewegung zu unterstützen, sei dahingestellt“, so der Botschafter.

Ebenso sprach der Botschafter über das deutsch-türkische Verhältnis: „Wir sind stolz darauf, dass es zwischen den beiden Ländern einen solch innigen Austausch gibt. Allerdings lässt sich dies auch noch verbessern. Zwischen tolerieren und akzeptieren gibt es Unterschiede. Es ist aber ein Zeichen von gelebter Freundschaft, dass in der Zwischenzeit Türken in der vierten Generation in Deutschland leben. 3,5 Millionen türkischstämmige Mitbürger leben hier in Deutschland, die Tendenz ist steigend.“ Angesichts der aktuellen Krisen und des engagierten Vorgehens der Türkei mit Blick auf syrische Flüchtlinge wurde der Botschafter deutlich: „Die Türkei hat 3 Milliarden Dollar bisher für die Flüchtlinge ausgegeben und wird nicht nachlassen, diese Menschen zu unterstützen. Die internationale Gemeinschaft hingegen hat nur wenige Hundert Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Wir hingegen haben über die türkische Wirtschaft Milliarden aufgebracht. Über 900 000 Flüchtlinge leben derzeit in der Türkei. Ich bin verwundert, wenn ich die Diskussion erlebe, ob Deutschland nun 5 000 oder 10 000 Flüchtlinge aufnehmen soll. Deutschland ist ein so reiches Land und darf sich in diesem Fall seiner humanitären Verpflichtung nicht entziehen.“

Botschafter Karslioglu machte gegenüber den Jugendlichen auch deutlich, dass man nicht die Augen vor den Herausforderungen der Zukunft verschließen darf: „In unserer heutigen schnelllebigen Zeit müssen wir auch global denken. Die Krisen in der Ukraine, in Syrien und in afrikanischen Ländern sind immer auch unsere Krisen. Im Zeitalter der Globalisierung sind wir viel stärker miteinander vernetzt und verbunden, als wir glauben. Entsprechend kann ich Ihnen nur raten, sich immer wieder mit der Landkarte auseinander zu setzen. Die Welt ist im Umbruch – politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Der demografische Wandel zum Beispiel wird hier noch völlig unterschätzt. Dabei ist das Durchschnittsalter der Deutschen mit rund 45 Jahren wesentlich höher als das in der Türkei. Das Durchschnittsalter in Istanbul beträgt z. B. 27 Jahre. Allerdings fehlt der Nachwuchs. Es werden immer weniger Kinder geboren und die Menschen werden immer älter. Dieses Problem muss thematisiert werden.“

Auch auf die Kritik an der türkischen Regierung ging Karslioglu ein. „Wenn Kritik sachlich geäußert wird, nehmen wir diese natürlich ernst. Bei einigen Medien gewinnen wir allerdings den Eindruck, dass diese lediglich versuchen, dem politischen System zu schaden. Es kann nicht sein, dass über Twitter oder auch über Youtube Gerüchte verbreitet werden, die dem Ansehen einer Person schaden wie zum Beispiel unserem Ministerpräsidenten. Dann muss hier durchgegriffen werden. Man muss allerdings differenziert mit diesen Nachrichten umgehen. Ich habe den Bundespräsidenten in der letzten Woche bei seiner Reise in die Türkei begleitet. Ja, er hat kritische Töne geäußert. Allerdings hat er auch sehr viel Lob für die Entwicklung unseres Landes gehabt, war begeistert von den Projekten, die man ihm gezeigt hat und sowohl seine Lebenspartnerin als auch er haben sich sehr positiv über den Besuch geäußert. Dies ist von einem Großteil der Medien kaum wahrgenommen worden.“

Im Nachgang zur Diskussion mit den Jugendlichen traf der Botschafter bei einem Netzwerkmittagessens mit Repräsentanten der Region zusammen, darunter dem früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, dem ehemaligen Essener Weihbischof Franz Grave und Staatsminister a.D. Jürgen Gramke. Hieran nahm auch die türkische Generalkonsulin in Essen, Şule Özkaya, teil.

Das Projekt "Herausforderung Zukunft " sieht sich als Plattform des Dialogs und veranstaltet Workshops zu aktuellen Themen, bei denen Jugendliche die Möglichkeit haben, mit interessanten Referenten zu diskutieren. Nähere Informationen unter www.herausforderungzukunft.de

Autor:

Holger Crell aus Wattenscheid

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