Eintrag kulturelles Tagebuch: 27. Sep; der WDR schaltet sich rein

Fernsehkamerabeäugung
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Als man gestern Abend das Scala Kulturspielhaus betrat, um sich von der offenen Bühne unterhalten zu lassen, wehte ein Hauch von Tom Buhrow durch den Raum. Letztendlich war das doch nur das LED-Flutlicht vom WDR für das Interview mit Karin Nienhaus, aber dennoch: das Scala erfuhr seine mediale Krönung, als die Lokalzeit live vom Ort des künstlerischen Geschehens berichtete.

Die Lokalzeit Duisburg schaltete gestern für wenige Minuten live in die Räumlichkeiten des Scala, wo gerade die offene Bühne veranstaltet wurde. Karin Nienhaus erklärte das Konzept und die Motivation, informierte über die Mitmachmöglichkeiten und "cut!"… Aufnahme im Kasten und fertig.
Dabei war das nicht mal das einzig Berichtenswerte!

Michael Schumacher poetry-slammierte wunderbar ausgelassen und lyrisch hochqualifiziert auf der Bühne, während gefilmt wurde. Der liest ja in der vierten Steigerungsform: lebendig - lebendiger - am lebendigsten - michaelschumacherisch.

Die musikalische »Padawanine« von Marco Launert, Sarah Hübens (12, in Worten: zwölf, Quersumme von 48), demonstrierte rockige Lieder ihrer bestens promoteten CD und gab (mehr oder weniger unbewusst) jedem Anwesenden Nachhilfe in Sachen extrovertierte Publikumsansprache und ja, die Stimme ist CD-würdig.

Gäbe es einen Preis für die musikalische Überwindung des so oft herbeigeschworenen Generationenkonflikts, dann würde er an Laurenz und Volker Hachenberg gehen. Da fallen Freude an den guten Klassikern der Pop-, Rock-, und Folkmusik zusammmen mit dem begeisterten und klaren Gesang von Laurenz und dem gekonnten Gitarrenspiel von Hachenberg. Sehr coole Combo und gerne mehr davon.
[Mit diesem Eindruck bin ich übrigens nicht allein, denn die Lokalzeit ließ sich auch für die Beiden begeistern. Der WDR ist meiner Meinung!]

"Ich hätte gern einmal Klaviersound und zwei Gesangsstimmen dazu, machen'ses ruhig auch n'bisschen balladig." "Bekommen sie: Fiona und Xenia werden ihnen gefallen". Die beiden präsentierten nämlich ein schön harmonisches Zusammenspiel von Klavier und Gesang.

Und Holger Glang war auch da.
Was macht so ein Mentalmagier beruflich? Nun, er klemmt sich ein Headset-Mikrofon an den gedankenlesenden Kopf, zieht sich ein Velours-Sakko über (dat ist wichtig; es begünstigt das Gleitverhalten) und dann schlüpft er in die Köpfe von einzelnen Zuschauern. In diesen Köpfen kriecht er dann von Synapse zu Synapse, überprüft deren Steckverbindungen, zählt Neuronen, schnüffelt Botenstoffe, purzelt anschließend wieder aus der jeweiligen Stirn heraus und ruft: "Ich habe ihre Lieblingsfarbe gesehen, die lässt sie schön grüßen! Es ist übrigens Dottergelb mit Tendenz zu Zitrone!" und das Publikums-Versuchskaninchen wirft sich überrascht-überwältigt die Hände vor den Mund.
…Und dann flüstert die Begleitung daneben verstört: "ich dachte immer, das wäre Lachsfarbe mit Schattierung von Terrakotta?!".

Martina Lichter sang sehr ruhig mit schöner Stimme und formte mit den eher leisen Tönen eine ganz wundervolle, geruhsam-anmutige Atmosphäre. Ein bisschen melancholisch, ja, da muss aber auch mal gesagt werden: das, was die alten Griechen als dunkle Galle (=Melancholia) verstanden, und was in dieser Denke zur in-sich-gekehrten Nachdenklichkeit führte, — dieser »Saft« — bringt doch (wie es beim Humor der lateinische Begriff für "Feuchtigkeit/Flüssigkeit" ist) immer wieder bedeutende Öllampen der hohen Kunst der Tiefsinnigkeit zum flammen. So auch hier.

Vage Kindheitserinnerungen, in denen ich in einem Micky Mouse-Heft blättere, kamen mir gestern Abend Comic-gedankenblasen-mäßig in den Sinn: da gab es damals diese eine Geschichte, in der Donald Duck sich zur Weißglut darüber erhitzte, dass ein tropfender Wasserhahn mit seinem verhöhnend-monotonen Platschen ihm derart auf die Nerven ging, dass er… ich weiß garnicht mehr, wie das weiterging. Vielleicht hat er Jürgen Domian angerufen — den gab's damals ja noch. Auf alle Fälle dienen solche und ähnliche Stories immer wieder dazu, tropfende Wasserhähne in die nervtötende Ecke von akustischem Nowitschok zu schieben.
Ganz anders und wohlgefallend kreativ — jetzt komme ich auch endlich auf den Punkt — hat das Christian Spelz umgesetzt: die Aufnahme von einem Wassertropfen in seiner Spüle auf das Keybord gesampelt und quer über die Oktaven gelegt… und siehe da, es klang als Musik fabulös. Damit kann man wirklich jeden jemals Sanitär-Traumatisierten heilen!

Karin Nienhaus erklärte im Interview, dass sie "einen Hauch Großstadt in die Kleinstadt bringen wollte".
— Gibt es einen besseren Beweis für das Gelingen dieses Unterfangens, als ein Kamerateam, das diese Worte ins Fernsehen überträgt? Ich glaube nicht. Also: Mission erfüllt!

Autor:

Timothy Kampmann aus Wesel

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