Kreis Wesel hat ganz offiziell eine neue Musikband und die Stromkosten werden definitiv steigen
EP stellt EP vor

Edison Parks Leadsänger in Action
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Gestern Abend war ein großer Tag. Und bevor Sie sich jetzt fragen, wie ein Abend ein Tag sein kann, antworte ich darauf: wenn eine Band zum ersten mal ihre Musik auf CD veröffentlicht, ist das zu besonders, als durch die übliche Tageszeitchronik aufgefasst zu werden. EP (Edison Park) stellte also gestern im Scala Kulturspielhaus ihre EP (Extended Play) »Elements« vor.

Allem Anfang… wohnt ein Zauber inne. Manchmal aber auch ein Oszillator.

Die fünfzigfingerige Formation spielt poppigen, kraftvoll-stimmigen Rock-Pop mit ganz viel Electronica im Schlepptau.
Die E-Gitarre hat oft großzügig Echo, die Klänge aus dem Synthesizer kommen mal als sphärischer Chorus aus komplementierenden Flächen daher oder werden bei Bedarf und Lust in flinkes Zwitschern oder starke Lead-Sounds moduliert. Das Tonspektrum ist erwartungsgemäß breit gefächert und — das ist die eigentliche musikalische Leistung — trotzdem ausgeglichen, ausbalanciert. Die eigentlich noch recht junge Band hat innerhalb ihrer lauten, energetischen, dynamisch-beatlastig präsentierten Musik ein feines Gespür für Arrangements, die sich jedoch nicht durch überzogene Komplexität im Wege stehen, sondern gemeinsam, scheinbar orchestral organisiert, in den Gehörgang voranpreschen.

Allzu oft wird in der Musik alles, was einen Netzstecker oder irgendeine Buchse hat, zum kaschieren oder ablenken benutzt — wie oft sind Synth-Klänge nur eine trostlose Wunderkerze, die in Dörrobst gesteckt wurde. Edison Park mixt aber eben keine Alibi-Effektvölle in ihre Musik.
Wenn man ihnen den Nord-Stage-Synthesizer weg nähme, wären sie nämlich immer noch sehr hörenswert und kein bisschen melodiös eintönig. Und davon wäre man wiederum so beeindruckt, dass man sich entschuldigen, das Ding wieder hinstellen würde und außerdem dessen Stromkosten für die nächsten zehn Konzerte bezahlen wollte.
Das ist dann quasi ein geschlossenes, selbstregulierendes System.

Sänger Simon Viehöver singt mit Leib und Seele so, wie ihm die Stimmbänder gewachsen sind; und die für sie zuständigen Gene waren durchaus freigiebig.

Und im besten Sinne macht das alles ihre Musik Mainstream-tauglich; denn man gönnt ihr nun die Verbreitungswege der überzähligen Akzeptanz. In diesem Fall ist »Mainstream« also nicht der kulturkritische Kampfbegriff des Beliebigen, sondern eine positivistische Einschätzung von Interesse.
Um im Bild der elektronischen Komponente ihrer Musik zu bleiben: ihre Musikalität elektrifiziert [auf englich "electrifying people" ergibt auch ein EP!].

Also der Autor dieses Textes fühlte sich voll in seinem musikalischen Elements (=ganz subtiler Hinweis auf den Titel der CD).

Plötzlicher, den Textfluss störender, hysterischer Zwischenruf:
"Diese ganzen jungen Bands haben heutzutage doch alle ADSR!"
Besänftigende Antwort darauf von anderer Seite:
"Nana, ADSR ist ja kein Syndrom, sondern die Steuerung von Lautstärke und zeitlicher Tonentfaltung am Synthesizer; das beschreibt nur die Phasen der Klänge, wenn 'ne Taste gedrückt wird."
"Das hat's früher aber trotzdem nicht gegeben!"
"Doch! In der Disco-Pop-Ära fing man doch damals an, die spacigen Sounds zur Aufpeppung zu benutzen, und dann kam der Elektropop mit New Wave um die Ecke, irgendwann hat man dann alles gehört und heute sampeln die musikalischen Weltstars die alten Effekte wieder neu und pushen die Electronica-Musik eben etwas simpler und manchmal stupider hoch."
"Aha… Soso."
"Da stopfe ich ihnen extra einen ganzen Erklärbären aus und sie sagen nur 'aha'?!"
"Ja und?"
[Dialog Ende; wir wissen nicht, wie's weiterging… man hört nur noch rosa Rauschen]

Die Lichtshow, das Design des Bandauftritts sind konzeptionell geschlossen, wie ein Circuit, ein elektrisch geschlossener Kreis — und auch das Bandlogo bietet eine weitere Reminiszenz daran an.

Alles in allem muss das so ziemlich das heißeste Zeug an »Steckdosenmusik« (ganz unkritisch gemeint) sein, was der Kreis Wesel seit dem Atomausstieg hervorgebracht hat.
Nun wird also folgendes passieren: Edison Park wird bekannter und wird häufiger auf den Bühnen im Umkreis und in wachsender Ferne elektrische Ströme zur wohlklingenden Geräuscherzeugung in Anspruch nehmen, während sie auf diesen Gigs auch CDs verkaufen, die in den Haushalten wiederum den Stromverbrauch steigen lassen.

Ich weiß wirklich nicht, wie wir durch die Energiekrise kommen. Aber es wird zumindest bedeutend leichter, wenn man sich Musik von Edison Park reinzieht. Man wird ja auch von guter Musik entschädigt.

Autor:

Timothy Kampmann aus Wesel

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