Generalisierte Angststörung
Teil 11 – Angsterkrankung – Vertrauen

Vertrauen ist wohl mit das wichtigste Gefühl dass wir Menschen kennen.
Angefangen bei dem Urvertrauen eines kleinen Kindes, über das Selbstvertrauen das man im laufe seiner Kindheit erlernt, bis hin zum Vertrauen in unsere Mitmenschen, das man von ihnen ein Mindestmaß an Höflichkeit und Wohlwollen erwarten kann.
Darüber hinaus kann man Vertrauen in viele Dinge entwickeln, in die Zukunft z.B. oder in das eigene Können oder in den Lebenspartner. Ja selbst zu fremden Menschen entwickeln wir manchmal Vertrauen auch wenn es meist irgendwann enttäuscht wird verlieren seelisch gesunde Menschen nie diese Fähigkeit immer wieder von vorne anzufangen.

Nun stelle man sich vor, das einem Menschen beinahe jegliches Vertrauen fehlt, wie mag das wohl aussehen?

Angst könnte man sich als den natürlichen Gegenspieler des Vertrauens vorstellen, zumindest unter einem gewissen Blickwinkel.
Ein Mensch der kein Vertrauen hat, weder zu sich selbst noch zu anderen, wie kommt der mit seiner Umwelt in Kontakt?
Er wird vielleicht einige Sicherheit-bringende Konstanten, Statements, Merkmale oder Fragen zwischen sich und die anderen Menschen aufbauen.

Lebende Vorbilder waren in meinem Fall das Mittel der Wahl.
Mein großer Bruder beispielsweise kam mir neid_erweckend stark vor und durch seine forsche Art auch selbstbewusster als er es in Wahrheit jemals gewesen ist. Mein großer Bruder war mein Vorbild und ich habe mir nichts so sehr gewünscht als so zu sein wie er!
Es gibt ja so Leute bei denen sogleich jeder Raum ein wenig heller leuchtet sobald sie diesen betreten. Und mein großer Bruder ist so ein Mensch bei dem ich immer dachte „Jetzt kommt endlich Stimmung auf.“ Und Mama war dann auch immer sofort abgelenkt von mir und unserem mittleren Bruder.

Als alleinerziehende Mutter war unsere Mama naturgemäß sehr fixiert auf alle ihre Kinder. All ihr Sorgen und Sehnen war sehr unerschrocken auf uns drei gerichtet.
Das mag bei den Lesern die eigene Kinder haben selbstverständlich erscheinen … die anderen indes sehe ich schon die Augen verdrehen.

Irgendwo habe ich mal die Behauptung gehört:

„Kein Mensch auf der Welt, nicht mal der erbarmungsloseste Diktator besitzt eine solche Macht und einen solchen Einfluß auf sein Volk, wie ihn eine Mutter auf ihre Kinder hat.“

Mütter halten uns warm und geben uns Nahrung. Nach der Geburt nehmen wir die Mutter als erstes wahr und nehmen ihre Wahrheiten, ihre Weltanschauungen und auch ihre Marotten als selbstverständlich hin. Sie prägen uns mit ihrer gesamten Persönlichkeit, mit ihren guten und weniger guten Eigenschaften, ihren Ängsten und Stärken viel mehr als das ein anderer Mensch jemals tun wird.
Kleine Menschenkinder sind im Prinzip wie Gänseküken; wem sie als erstes in die Augen schauen, dem watscheln sie von da an bedingungslos hinterher.
Erst in der Pubertät fängt das Menschenkind an zu hinterfragen.

Mama hat mir immer gern Vorträge über das putzen gehalten. Wie anstrengend das doch ist und wie weh ihr dabei immer die Knochen und Gelenke taten und wie sehr sie unsere Nachbarn bewunderte:

„Bei denen kannst du um 7 Uhr morgens klingeln und es ist trotzdem immer blitzsauber und das den ganzen Tag lang. Ich frage mich wirklich wie sie das machen. Aber deren Kinder sind auch schon alle aus dem Haus.“

So oder ähnlich fingen ihre Vorträge für gewöhnlich an und ich wusste damit bezweckte sie mich anzuhalten ihr beim putzen zu helfen. Leider biss sie bei mir damit meistens auf Granit. Ich kannte meine Mutter haargenau wie ein Gänseküken und wusste meistens sehr genau wie ich es vermeiden konnte am Ende selbst den Feudel schwingen zu müssen.
Eine Zeit lang schob ich es auf Sendungen im Fernsehen die ich nicht verpassen wollte und als das nicht mehr half sagte ich, ich hätte so viele Hausaufgaben zu machen und ging dann nach oben in mein Zimmer und malte ein Bild oder schrieb was in mein Tagebuch.
Aber auch da schöpfte Mama bald verdacht und kam alsbald regelmäßig zu mir nach oben. Sie versuchte es immer erst ganz diplomatisch mit Smaltalk.
Leider war das aber eins der Dinge die weder Mama noch ich besonders gut beherrschten. Als gelernte Erzieherin war Mama ganz beseelt von modernen Erziehungsmethoden, die das Gespräch mit dem Kind in den Vordergrund stellen anstatt bei Ungehorsam mit körperlicher Züchtigung zu drohen.
Mama hatte wohl 1000 Bücher darüber gelesen, das es gut sei ehrlich zu dem Kind zu sein und sein Selbstvertrauen zu stärken.

Also begannen unsere Smaltalks meist mit Worten wie:
„Imke wir müssen mal ein ernstes Wort miteinander reden. Du bist ein ganz liebes Mädchen und ich schätze sehr wie du meinen Alltag bereicherst mit deinen vielen interessanten Ideen, aber jetzt muß ich auch mal Kritik üben dürfen. ...“
Aber mit der Zeit fand ich heraus, wie ich darauf am besten reagieren konnte.

Es ist schon komisch und seltsam, so sehr mir das zwischenmenschliche immer wieder Probleme bereitete … meine Mama konnte ich immer lesen wie ein offenes Buch mit Buchstaben in Schriftgröße 20.

Früher hätte ich das nie zugegeben, aber Mama und ich hatten schon eine sehr enge Bindung zueinander und das obwohl sie mir immer so auf den Keks ging mit ihren immer gleichen Litaneien und wir waren uns ähnlicher als mir heut noch lieb ist.

Aber um Missverständnissen vorzubeugen: Mama war eine gute Mama und ICH hatte ein echtes Aggressionsproblem.

„Kind du regst dich immer so künstlich auf!“, mit DEM Satz hat sie mich wirklich aufgeregt, da bin ich jedes mal spontan an die Decke gegangen. Der Satz kam mir so vor wie, ich hätte kein Recht darauf wütend zu sein.

„Du willst mir immer vorschreiben wie ich zu denken habe.“ habe ich darauf geantwortet, denn Mama war ja in einer anderen Welt aufgewachsen. Mit Strohmatratzen, ohne Telefon und Auto, kaum nennenswerten Frauenrechten und Lehrern die ihren Schülern noch den Po versohlen durften. Und ich habe ihre Erziehungsversuche immer dahin gehend interpretiert, das sie mir die „Werte der guten, alten Zeit“ aufoktruieren wollte.
Aber wer weis, vielleicht versuchte sie nur den sozial unbeholfenen Nerd in mir zu bändigen.

                                                                             

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Autor:

Imke Schüring aus Wesel

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