Ein Gold(w)eselautomat

Bildschirm des Goldautomaten

Tim Mykamp von der Weseler Denkfabrik und Werbeagentur "K(ey) to Brain" hat sich etwas ganz besonders Wertvolles für seine Heimatstadt einfallen lassen: den Goldesel-Automaten. Im exklusiven Lokalkompass-Interview erzählt er von seiner Erfindung, der AfD und Carsten Maschmeyer.

Herr Mykamp zupft gerade seine Krawatte zurecht, als ich etwas überpünktlich an die Glastür seines Büros klopfe. (Bei solchen Glastüren fühlt sich ein dezentes, zweifaches Klopfen recht höhnisch an; wie eine zu späte Beigabe zur bereits sichtbaren Ankündigung. Ganz zu schweigen von den matt-trüben Stellen, die durch Berührung mit der Haut hinterlassen werden — mein Gott, wie hält man die Dinger sauber? …Da wird der Glasreiniger doch in Tanklastwagen geliefert…)
Das Gespräch über seine neueste Erfindung kommt schnell in Fahrt.

Die Idee sei ihm schon 2014 gekommen, als die AfD zunächst Ängste vor einem instabilen Euro schürte, um dann (was für ein Zufall!) Gold als Wertmittel zu verkaufen. "Gold hat eine einzigartige Kulturgeschichte hinter sich, denn nichts auf der Welt steht besser für den Begriff von Wert, sei es in Sachen Beständigkeit oder Macht; Gold war immer die Karotte an der Angel für die Menschheit", sagt er mit sozialkritisch riechendem Atem und erinnert sich an einen bestimmten Moment, der als Initialzündung gelten dürfte.

"Ich saß mit meiner guten Freundin April im Café und wir redeten über germanischen Mystizismus (sie ist übrigens eine schon mysteriös kluge Germanistin), wir diskutierten auch über das AfD-Gold und irgendwann sagte sie einen Satz, der mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging." Tim Mykamp schaut auf die Konstruktionspläne, die die linke Hälfte seines Schreibtisches messiedokumäßig bedecken und zitiert die Freundin ehrwürdig: "Wir sollten das Gold säkularisieren. Raus aus dem Epos, weg vom Bedeutungsvollen. Was Witziges machen…"

Recht schnell hatte er dann die Figur des Goldesels aus dem Grimm'schen Märchen »Tischchen deck Dich« im Sinn gehabt, worüber April vor Jahren eine Diplomarbeit schrieb und ihn wöchentlich mit Fakten der Entstehungsgeschichte konfettikanonengleich bombardiert hätte. "Wenn man da das Zauberwort »Bricklebrit« sagte, kam vorn und hinten Gold aus dem Esel; der — konkret gesagt — erbrach und kotete Edelmetall. Auf diese eher vulgär-spöttische Art holte man mit dem Esel das Gold vom hohen Ross seines Stellenwertes.
Als Weseler stößt man ja ohnehin ständig auf den Esel, da drängt sich so ein Gedanke förmlich auf und dann fügt sich doch ein Goldeselautomat klasse ins Stadtbild."

Er zählt mit taktgebender Hand, die bedingt durch ihre Fingerstellung an Michelangelos »Schöpfung des Menschen« erinnern lässt, die Argumente in der Luft ab:
"Gold: lange Geschichte
Wesel: lange Geschichte
Gold: als Wertmittel begehrt
Wesel: als Wohnort begehrt
Gold: glänzendes Material
Wesel: glänzende Menschen
Gold: sehr selten
Wesel: sehr selten, nur zwei mal"
[Es gibt einen Ortsteil in der Gemeinde Undeloh in Niedersachsen, der ebenfalls Wesel heißt; Anm.d.Red.]

Dreieinhalb Jahre hat das Entwerfen und der Bau des Prototypen in Anspruch genommen — jetzt ist er serienreif wie »Game of Thrones«.

Der Automat ist ein mannshoher, wuchtiger Kasten mit Bildschirm in Griffhöhe. Der Kunde führt seine EC-Karte in den Slot daneben ein und kann dann über den Touchscreen cent-genau einstellen, wie viel Gold er kaufen möchte.

"Man muss sich das vorstellen, wie eine Lakritzschnecke aus reinem Gold im Inneren der Maschinerie, die abgerollt und durch eine hydraulikbetriebene Astschere präzise an der Stelle gekappt wird, an welcher der eingezahlte Wert erreicht wurde". Daher rührt auch die schmale, kissenähnliche Form der Goldstücke, die in die LED-beleuchtete Ablage purzeln. Zum Schutz der kostbaren Ladung wurde der Automat aus eingeschmolzenen Hornbachhämmern gefertigt, welche wiederum bekanntermaßen ehemals aus Panzerstahl bestanden.

Die maximale am Automat zu erwerbene Menge »Goldfilament-Pallet« entspricht 20cm. "Alles über 20cm ist unrealistisch, das weiß jeder!", sagt er verschmitzt grinsend.
Bevor das bestellte Gewicht Gold ausgegeben wird, erhält es noch ein Embossing mit dem Motiv eines springenden Esels und dem Reinheitsgehalt (995). Für das Stempelmotiv und die User Experience zeigte sich der Weseler Grafikdesigner Timmy Kampmann verantwortlich.*

Die Suche nach Investoren sei der zeitfressendste Faktor gewesen: "Eigentlich wollte ich das Projekt bei der »Höhle der Löwen« vorstellen — leider war der Goldesel-Automat für das Studio zu schwer: der Boden ist eingesackt und das Teil wäre fast auf Carsten Maschmeyer gekippt …aus den Schadensersatzklagen wäre ich nie wieder rausgekommen". Letztendlich hat sich die Deutsche Gesellschaft für Goldverkaufsförderung als effektiver und zuverlässiger Partner erwiesen.

Ganz neu sind Goldautomaten an sich nicht, "aber der hier ist meines Wissens der Erste, der konsequent in das Marketingkonzept seines Standorts integriert wurde" gibt Mykamp stolz zu Protokoll.

Derzeit wird noch nach einer passenden Position im Stadtkern gesucht. Mit Inbetriebnahme sei noch vor Herbst '18 zu rechnen.

Für die private Wertanlage, als Souvenir und Geschenk, als Rohstoffquelle für einheimische Goldschmiede, Luxusbriefbeschwerer oder als Geldwäsche-Automat wird der Weseler Goldesel auch über die Ländergrenzen schnell an Beliebt- und Bekanntheit zunehmen, da ist sich sein Erfinder sicher.

Und bis zum heutigen Tag vergisst er nicht, wem er diesen Einfall zu verdanken hat: seiner April, seiner April.

TiK

*Netten Dank an Bürgerreporterin Charlotte Quik, die mir durch ihre Beiträge den Mut gab, von mir in der dritten Person zu schreiben. Das fühlt sich sehr gut an!

Autor:

Timothy Kampmann aus Wesel

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