Wie meine Suche nach ein wenig Bewegung im Kader der Nationalmannschaft endete

27. Juni 2010
Zinkendamms IP, Stockholm
Vier Shamrocks auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Schweden: Bettina Janssen, Pia Hartmann, Sarah Walther und Sina Bürger | Foto: Andreas Gebek
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  • Vier Shamrocks auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Schweden: Bettina Janssen, Pia Hartmann, Sarah Walther und Sina Bürger
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Wie fange ich an, die Reise zu beschreiben, die ich in den letzten Jahren hinter mich gebracht habe?

Vor vielen Jahren, es muss so um 1995 gewesen sein, rutschte ich nach und nach, Dank der footballbegeisterten Familie meines damaligen Freundes, Stück für Stück in das Lebensgefühl American Football. Die Spiele wurden nachts von den wenigen Freunden, welche die Spiele empfangen konnten, auf Video aufgenommen und im Freundeskreis frisch vervielfältigt verteilt.

So richtig packte mich allerdings erst die Begeisterung für den Sport beim XXXII. Superbowl der Greenbay Packers gegen die Denver Broncos. Das Spiel war das spannendste, welches ich bis dahin gesehen hatte und der Quaterback der Denver Broncos, Jon Elway, spielte mit soviel Herz und Seele, wie ich es noch nie in einem anderen Sport erlebt hatte. Diesen Sport wollte ich auch ausprobieren! Nur wie und wo testet frau einen männlich dominierten Testosteronsport?

Als sei meine Frage erhört worden, fand ich 1999 eine Anzeige im lokalen Veranstaltungskalender. Die Mülheim Shamrocks suchten für ihre Damenmannschaft Verstärkung und luden zum Probetraining ein. Mir gefiel besonders, dass Mädchen und Frauen jeglicher Figur und jeglichen Alters gesucht wurden. Da ich schon immer eher von der „mopsigen“ Sorte gewesen bin, kam mir das natürlich entgegen und so schnappte ich mir meine Mitbewohnerin und schleppte sie zum Wintertraining.

Der Trainer jagte uns in der Woche Runde um Runde um den winterlichen Sportplatz und am Sonntag über den Zirkel in der Sporthalle. In der Sporthalle bekamen wir auch in Theoriestunden die Grundlagen von American Football und später auch die Spielzüge beigebracht und in kleinen Gruppen die nötigen technischen Grundlagen und Bewegungsabläufe.

Die Mannschaft war (und ist es bis heute) ein Sammelsorium von Charakteren, die mich von Anfang an begeisterte. Ich war vorher bereits im Schwimmverein gewesen und war jahrelang im Reitverein Springreiter, aber so "heimisch" hatte ich mich noch in keiner Sportgruppe gefühlt.

Dann kam das erste Außentraining in voller Ausrüstung auf mich zu. Mir wurde mitgeteilt, dass nun wirklich Football gespielt wurde, und so wurde ich über den Platz geschoben, getackled und geblockt. Ich spürte nach dem Training Muskeln von denen ich vorher noch nicht einmal geahnt hatte, dass ich diese überhaupt hatte! Aber nie zuvor hatte ich mich so wohl nach einer Sporteinheit gefühlt.

Das erste Spiel folgte und ich fühlte mich völlig planlos auf dem Feld. Rief der Trainer eigentlich nur meinen Namen über das Feld? Spiel auf Spiel folgte und die Theoriestunden fügten sich nach und nach mit der Praxis zu einem Ganzen zusammen. Neben dem Sport an sich hatte ich in meiner Mannschaft einen neuen, festen Freundeskreis gefunden. Jahr auf Jahr folgte; für mich entwickelte sich meine Mannschaft zu einer Art Familie. Wir durchleben gemeinsam Erfolge und Niederlagen; wir feiern zusammen genauso, wie es manchmal im Gebälk kracht. So gehört es sich eben.

Mittlerweile spielten wir gegen Mannschaften in ganz Deutschland, die Bundesliga wurde gegründet, man teilte sie sogar in 1. und 2. Bundesliga auf. Und dann, 2009, nach mehreren Jahren in der 1. Bundesliga der Damen, platze in Football-Deutschland die Bombe. Es sollte eine weibliche Nationalmannschaft geben, die in Schweden bei der Weltmeisterschaft in antreten wird.
Die Trainer der Mannschaften sollten die Favoriten Ihrer Mannschaft zum Try-Out senden, zum ersten Auswahlverfahren. Ich war leider nicht dabei. Mein Trainer hatte zu Recht meine beruflich bedingte geringe Trainingsbeteiligung berücksichtigt und mich nicht vorgeschlagen.

Ich freute mich natürlich für die Vorgeschlagenen aus meinem Team, knabberte aber dennoch an meinem angekratzten Ego. Ein Trainer einer befreundeten Mannschaft schlug mich nachträglich vor und legte ein gutes Wort für mich ein (Danke nochmals, Tom!), so dass ich schlussendlich doch noch zum Try-Out nach Köln eingeladen wurde. Ich rannte, sprang, und spielte mir die Seele aus meinem untrainierten Leib. Ich kämpfte auf dem letzten Zahnfleisch. Wenn ich es nicht jetzt schaffen würde in den Kader der Nationalmannschaft aufgenommen zu werden, wann dann?

Einige Wochen später stand der erweiterte Kader fest, der zum ersten Trainingslager in Silberborn eingeladen wurde und ich war dabei! Über 100 Mädchen und Frauen trafen sich über ein verlängertes Wochenende, um den Trainern der Nationalmannschaft zu zeigen, dass sie in den Kader der 45 Auserwählten gehörten. Drei Tage in Regen und Schlamm voller Emotionen und Hoffnungen, Kälte und Müdigkeit zahlten sich aus. Der endgültige A-Kader stand fest und ich hatte es geschafft. Drei meiner Shamrock-Mannschaftskollegen (Sina Bürger, Sarah Walther, Pia Hartmann) und auch ich sind nun auf dem sicheren Weg nach Schweden zur WM in Stockholm. Tag für Tag trudeln Emails mit Anweisungen und Ablaufplänen in meine Mailbox und Tag für Tag kann ich es weniger glauben, dass wir in ein paar Tagen schon in das Vorbereitungslager bei Berlin reisen, um ab dem 27. Juni an der Womens World Championship teilzunehmen. Am 29. Juni treffen wir auf unseren ersten Gegner, die Nationalmannschaft unserer Gastgeber Schweden.

Ich bin mit meiner Nationalmannschaft unterwegs in unser Sommermärchen.

Wer hätte das vor 11 Jahren gedacht?

Autor:

Bettina Janßen aus Mülheim an der Ruhr

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