Absolut bestrickende Straßenkunst

Iris Daub und weitere Freundinnen und Freunde des Strickens treffen sich montags zwischen 10 und 13 Uhr im Knut’s an der Wiesenstraße.
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Sie kommen am helllichten Tag, ihre „Waffen“ sind Stricknadel und Wolle. Und sie können überall losstricken: die Anhänger der Strick-Guerilla. Sie verschönern Baumstämme, sie verpacken Lichtmasten. Und sie sind neuerdings auch in Witten aktiv.
„Na ja“, schmunzelt Iris Daub, „ich bevorzuge den Begriff Street-Knitting. Guerilla, das klingt nach Widerstand, nach etwas Verbotenem. Aber das alles ist das, was wir machen, ja nun wahrlich nicht. Wir wollen mit unserer kleinen Arbeit den Menschen ja Freude machen, ihnen ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern.“
Knitting, das ist das englische Wort für Stricken, Street, das ist die Straße. Anlässlich eines Stadtfestes in der Wittener Innenstadt packten ein halbes Dutzend Freundinnen der Strickkunst ihre teils bereits vorbereiteten Strickwaren am Brunnen an der Casinostraße aus - und verkleideten am Rande des Wiesenviertelfestes die um den Brunnen stehenden Bäume mit buntem Strickgut.
„Das war schon witzig“, erzählt Iris Daub, „denn viele Leute sind stehen geblieben und haben gekuckt. Manche etwas ratlos, andere fanden es lustig und nicht wenige haben uns gefragt, warum wir das machen.“
Neben dem Spaß an der Aktion war es für die Strick-Aktivistinnen eine Art Werbe­aktion. „Wir sind einfach Freundinnen und Freunde des Strickens, und wir treffen uns jeden Montag in der Zeit zwischen 10 und 13 Uhr im Knut’s an der Wiesenstraße. Wir stricken zusammen, häkeln zusammen, geben Tipps weiter, manchmal kommen auch Anfänger zu uns, die Stricken lernen möchten. Wir sind kein Verein, wir geben keine Kurse, unsere Treffen sind ganz locker, wer nur zugucken möchte, ist dazu eingeladen.“
Meist ist man zu zehnt, auch zwei Männer gehören zum lockeren Kreis, einzig der Zeitpunkt ist etwas unglücklich gewählt. „Ich bin Freiberuflerin“, erzählt Iris Daub, die als Künstlerin eine Malschule am Lutherpark betreibt, „da kann ich mir die Zeit einteilen, für einige Frauen passt es, weil die Kinder in der Schule sind. Aber wir erheben ja keinen Monopolanspruch auf unser Hobby, vielleicht können wir mit Aktionen wie der an der Casinostraße ja andere Leute inspirieren, sich diesem Hobby zu widmen und eigene kleine Kreise ins Leben zu rufen. Wer weiß?“
Natürlich, könnte man sagen, kommt die Idee aus den USA und sie ist unter verschiedenen Namen bekannt. Ob Guerilla-Knitting, Urban Knitting, Yarn-Bombing, es gibt eine Reihe von Begriffen; letztlich handelt es sich um gestricktes Graffiti, und damit ist es eine Form der Straßenkunst.
Strickationen können einfach Dinge verschönern, sie können aber auch durchaus politische Aussagen beinhalten. Beim Protest gegen Stuttgart 21 etwa tauchten „Street Knittings“ mit politischen Aussagen auf. Weshalb erste Juristen schon warnen, dass Street-Knitting nicht nur als harmloser Spaß bewertet dürfe. Nicht, dass Spaß und Freude spontan und unreglementiert zum Ausbruch kommen ...
Einen deutschen Begriff gibt es übrigens noch nicht. Straßenstricken? 2005 nahm die Idee in Houston/Texas ihren Anfang, unter dem Oberbegriff „Knitta Please“ (frei übersetzt: Bitte Stricken!) begannen Künstler in Houston mit der Verschönerung von Straßenlaternen, Hydranten, Telefonzellen. Außerhalb der USA erfreut sich diese sanfte Straßenkunst vor allem in Spanien großer Beliebtheit, Paris ist eine Hochburg, bekannt wurde ein Bus in Mexico City, der vollständig umhäkelt wurde. Ob das eine Idee für die Bogestra wäre? Oder erlaubt die Straßenverkehrsordnung keine umstrickten Karosserien? So oder so: Witten ist kein unbestrickter Platz mehr auf der Landkarte.

Autor:

Christian Lukas aus Witten

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