Die Weidenkätzchen - von Christian Morgenstern

Photo: Xanten-Marienbaum

Kätzchen ihr der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
sagt mir doch, ihr Schätzchen,
sagt, woher ihr stammt.

Wollen's gern dir sagen:
Wir sind ausgeschlagen
aus dem Weidenbaum,
haben winterüber
drin geschlafen, Lieber,
in tieftiefem Traum.

In dem dürren Baume
in tieftiefem Traume
habt geschlafen ihr?
In dem Holz, dem harten
war, ihr weichen, zarten,
euer Nachtquartier?

Mußt dich recht besinnen:
Was da träumte drinnen,
waren wir noch nicht,
wie wir jetzt im Kleide
blühn von Samt und Seide
hell im Sonnenlicht.

Nur als wie Gedanken
lagen wir im schlanken
grauen Baumgeäst;
unsichtbare Geister,
die der Weltbaumeister
dort verweilen läßt.

Kätzchen ihr der Weide,
wie aus grauer Seide,
wie aus grauem Samt!
O ihr Silberkätzchen,
ja, nun weiß, ihr Schätzchen,
ich, woher ihr stammt.

von Christian Morgenstern
Taufname: Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern
* 6. Mai 1871 in München - † 31. März 1914 in Meran
aus Klein Irmchen. Ein Kinderliederbuch.
Erstausgabe. Berlin, Bruno Cassirer, 1921.
41 Seiten, mit handkolorierten Abbildungen von Jusua Leander Gampp
Entstehungsdatum um 1910

Autor:

Hans-Martin Scheibner aus Xanten

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