Heißgeliebtes Kaugummi

Es war in den 60er Jahren, jene Zeit, in der ich zwischen Kind und Jugendliche schwebte und voller Eigenschaften steckte, die meine Eltern auch schon mal verzweifeln ließen. Meine Launen vollführten oft Hüpfsprünge, die rekordverdächtig waren. Von "Null-Bock auf Alles", "ihr könnt mich mal" bis hin zur "braven Tochter", oder "ich hab euch ja soo lieb" (mal schauen, ob ich nicht etwas mehr Taschengeld rauskitzeln kann).

Eine Tante von mir, Tante Irmgard hieß sie, die fand ich toll. Zum einen weil sie vom Wuchs her sehr klein war, also auch noch gut als Kind durchgehen konnte und somit berechtigt war mit uns herumzualbern. Und zum anderen, das war das Allerbeste, die Krönung, das Wochenendhighlight: SIE ARBEITETE IN EINER KAUGUMMIFABRIK. Wir bekamen also am Wochenende jegliche Sorten von Kaugummis. Die Woche war gerettet und die Kaugummis klebten nach Gebrauch überall. Unter der Tischkante, auf der Bettkante, an der Rinde eines Pflaumenbaumes, unter der Gartenbank, nur nicht im Abfalleimer.

Ja, und Schule, wer brauchte denn Schule. Da ließ sich aber nichts machen, ob ich wollte oder nicht, da musste ich hin. Die Kaugummis wanderten natürlich auch mit in die Schultasche. Mein Beliebtheitsgrad war zu der Zeit bei meinen Schulkameradinnen auf dem höchsten Level.

Ich weiß nicht woran es lag, aber die Jungs konnte ich nicht so begeistern fürs Kaugummi, obwohl man doch so einiges damit anfangen konnte. Schöne dicke Blasen zaubern, Kaugummiweitspucken, oder auch mal vom einen zum anderen wandern lassen. Ne, die Jungs wollten nicht so richtig anbeißen. Naja, mein richtiger Charme entwickelte sich ja auch erst einige Jahr später.

Für unseren Lehrer (er war schon älter) war Kaugummi wie ein rotes Tuch. Dabei wäre ich sicher bereit gewesen, ihm auch mal einen zu geben. Hätte es echt cool gefunden, wenn er bei Mathe mal so richtig ein paar fette Blasen hätte platzen und knallen lassen. Oder, wer die dickste Blase schafft bekommt Hausaufgabenfrei. Nöö, war dem aber nicht so. Die Lehrer waren ja sooo phantasielos und langweilig. Auf mein Kaugummi konnte und wollte ich damals aber nicht verzichten. So saß ich halt im Unterricht und genoss den Kaugummigeschmack frischer Erdbeere, bis mein Lehrer mich ansprach und aufforderte jenen sofort in den Papierkorb zu entfernen. Ich also ab nach vorne und tat so als ob und ging mit meinem heißgeliebten Erdbeergeschmack wieder zurück zu meinem Platz. Der Unterricht ging weiter, als ob es keine Unterbrechung gegeben hätte. Ich lachte mir insgeheim ins Fäustchen und dachte, wie gewitzt ich doch gewesen sei.

Ich glaube es waren keine zehn Minuten vergangen, ich schaute verträumt nach draußen, als ich so ein "Blöp" hörte und etwas an meinem Mund und meiner Nase festklebte. Ohje, ganz in Gedanken versunken hatte ich mit meinem ja eigentlich nicht mehr in meinem Mund befindlichen Kaugummi eine solch dicke Blase geschaffen, die dann auch beim Platzen unüberhörbar in das Klassenzimmer hineinschallte. Alle Augen waren plötzlich auf mich gerichtet. Leider auch die meines Klassenlehrers. Und das sah nicht gerade freundlich aus. Außerdem bekam ich einen Teil meines Kaugummis nicht von meiner Nase ab und das war mir echt peinlich.

Schon hörte ich die Worte "Fräulein Ehren, komm mal bitte sofort nach vorne". Oh oh, er nannte mich "Fräulein Ehren" und nicht "Beate", das hieß nichts Gutes. Ich ging nach vorne und musste ihm nun den Kaugummi aushändigen. Den an meiner Nase durfte ich behalten. Nun versuchte er den Kaugummi (und es ist wirklich nicht erfunden) an meine Stirn zu kleben. Im Hintergrund hörte ich bereits meine Klassenkameradinnen leise kichern (die kriegen kein Kaugummi mehr von mir, waren spontan meine Gedanken). Nun wollte er jedoch nicht an meiner Stirn kleben bleiben. So bekam mein Klassenlehrer die Erleuchtung, dass es in Verbindung mit meinem Haar wohl halten müsste. Gesagt, getan. Er griff in meinen "Pony", welcher damals Schulterlang war, und platzierte genau dort meinen Kaugummi.

So musste ich zu meinem Platz zurück und mit diesem Kunstwerk im Haar der restlichen Unterrichtsstunde beiwohnen. Leider musste mir anschließend der "Pony" geschnitten werden, da das Kaugummi nicht zu entfernen war.

Also liebe Leute: Die Moral von der Geschicht, kau kein Kaugummi im Unterricht ;-)

P.S.: Bin dem Lehrer nicht mehr böse.

Autor:

Beate Gerads aus Xanten

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