Tatort Garten

Die Familie saß Sonntagmorgens am Frühstückstisch. Der Blick aus dem Fenster auf den Garten bot viel Grün und jede Menge Betriebsamkeit. Die Vögel stecken, jetzt im Mai, bis über den Schnabel im Brutgeschäft. Da nisten auf der Querverstrebung des Kamins die Türkentauben. In der Kletterrose hat es sich ein Singdrosselpärchen gemütlich gemacht.
Da fliegen die Blaumeisen im Minutentakt den Nistkasten an, um die ewig hungrigen Jungen satt zu bekommen. Heimlich, still und leise huscht die Heckenbraunelle zu ihrem Nistplatz. Gut verborgen im wild wuchernden Geißblatt hat der Grünfink sein Domizil aufgeschlagen.
Im Rosenbogen hat ein Buchfinkenpaar sein kunstvolles, rundes Nest gebaut. Und keine zwei Meter davon entfernt, in der Efeuhecke, brütet eine Amsel.
Kurzum - so ähnlich kann man sich das Vogelparadies auf Erden wohl vorstellen. Doch dann geschah das gänzlich Unerwartete - es kam zu Mord und Totschlag.
Zuerst beobachte die Familie die Amsel, die wütend den Rosenbogen anflog und im grünen Blättermeer verschwand. Nichts geschah - der Familienvater wurde unruhig und öffnete die Verandatür. Die Amsel flog auf und davon. Auf dem Rasen dann die Spuren des Verbrechens. Sohn und Tochter fanden vier zerbrochene Vogeleier.
Schnell war der Schuldige ausgemacht. Die Indizien waren eindeutig. Ein Geständnis in diesem Fall überflüssig. Allerlei böse Worte musste sich die Amsel anhören, bis, ja bis die Mutter mit dem Vogelbestimmungsbuch kam.
Und siehe da, die Amateur-Kriminalisten hatten den falschen Vogel im Verdacht. Die zerstörten Eier stammten nicht, wie angenommen, vom Buchfink, sondern von der Amsel. Nicht der „Große“ hatte dem „Kleinen“ etwas zuleide getan, sondern umgekehrt.
Seitdem betrachtet die Familie den Buchfink mit anderen Augen. Bis jetzt kannte sie ja den Schmutzfink. In diesem Fall aber hat sie es ganz klar mit einem Killerfink zu tun.