Kolumne:Mit einem ‚Sweetheart’ ins ‚Körbchen’ oder doch lieber ein ‚Damensolo’*

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In meiner Familie gelte ich als durchaus schwierig, wenn es um das Thema Schenken geht. Die Dinge, die mich wirklich interessieren, wie Bücher, Musik und Herrendüfte, suche ich mir lieber selbst aus. Wer wollte auch sagen, welcher Herrenduft einer Frau gefällt, aber das nur nebenbei. Hinzu kommt, dass ich der festen Überzeugung bin, dass „Geschenke Materie gewordene Gefühle sind“ – tja, und da hängt die Meßlatte natürlich relativ hoch. Wie dem auch sei, auch der vermeintlich schwierigste Mensch hat mal Geburtstag. Und dieser Umstand zwingt seine Umwelt natürlich etwas in die Pflicht, sich etwas einfallen zu lassen. In diesem Jahr war die Überraschung dann ganz meinerseits: Etwas unspektakulär liegt ein kleiner Tanzschul-Flyer auf meinem Gabentisch, der mir einen Tanzkurs in einer neu eröffneten Tanzschule in Waltrop verspricht. Angekreuzt wurde für mich ein „Disco Charles-Workshop“ zum Kennenlernen. … Echt jetzt?
Meine Freude hält sich in Grenzen, aber wie sagt man so schön? Die Geste zählt und einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich eh nicht ins Maul…
Einige Tage später geht es dann auch schon los. Die begrenzte Freude hat leicht mürrischen Vorbehalten Platz gemacht. Jetzt muss ich dazu sagen, dass ich mal viele Jahre Standard-Turniere getanzt habe und meines Erachtens sicherlich keinen Anfängerkurs benötige. Und ein Tanz namens „Disco Charles“, der noch dazu aus nur wenigen Schritten besteht, kann es doch schon gar nicht sein, oder? Dies alles geht mir während der Fahrt nach Waltrop so durch den Sinn. Aber auch Erinnerungen an meine allerersten Tanzstunden. Sie gehören zu den schönsten und aufregendsten, die ich so habe, wenn ich mal ganz ehrlich bin. Die ‚Damen‘ im Innenkreis, die ‚Herren‘ im Außenkreis, die Herren zwei Schritte nach links und schon stand der neue, nicht immer begnadete Tanzpartner bevor. In der Mitte des Tanzkreises ein Tanzlehrer mit Schlips und Kragen, der die Tanzkommandos angab. Was damals in den ersten Stunden keiner erwartet hätte, trat im Laufe der Zeit ein. Irgendwann platzte der tänzerische Knoten und machte Platz für sehr viel Tanzvergnügen. Zum Üben gab es am Wochenende Tanzpartys und nach jedem Kurs einen Abschlussball. Die Mädchen in langen Kleidern, die Jungen in smarten Anzügen, wie es beim Gesellschaftstanz nun mal so üblich ist.

Dass aus alledem für mich mal ein Hobby werden würde, das meinen Tanzpartner und mich 12 Jahre beschäftigte und in der höchsten Standard Amateurklasse enden sollte, war eher ungeplant. Irgendwann waren dann allerdings das tägliche Training, die unzähligen Trainerstunden und Turniere nebst Landesmeisterschaften neben Studium und Beruf gar nicht mehr so erbaulich. Und da man ja bekanntlich am besten dann aufhören sollte, wenn etwas am vermeintlich schönsten ist, haben wir nach 12 Jahren unsere Tanzschuhe an den Nagel gehängt.
Das alles liegt mehr als 20 Jahre zurück und begleitet mich urplötzlich gedanklich beim Betreten der neuen Tanzschule. Meine Erwartung ist augenblicklich auf dem Stand der 16jährigen, die erstmalig überhaupt eine Tanzstunde besucht. Aufgeregt und erwartungsvoll. Viel kann sich ja eigentlich auch nicht verändert haben. Aber „eigentlich“ war ja auch schon immer so ein Wort!
Die Tanzschule als solche überrascht mich nicht, weil ich sie mir im Internet habe virtuell anschauen können. Trés chic, keine Frage: Eine schmucke Bar im Eingangsbereich, an die sich der große Spiegel-Tanzsaal anschließt. Geschmackvolle Einrichtung und gut ausgedachtes Licht. Was mich mehr oder weniger durcheinander bringt, ist etwas ganz Anderes: Die an der Bar wartenden Tanzschüler bewegen sich geschätzt in einer Altersspanne von 18 bis 60. Das geht doch gar nicht, denke ich noch so, als ein recht hochgewachsener, cooler junger Mann mit längeren Locken als ich sie trage, an uns vorbeistürmt. Der Tanzlehrer! Jenseits von Schlips und Kragen und gekratztem Scheitel. Er trägt T-Shirt und Jeans mit Hosenträgern, die an ihm herunterhängen und seine Knie umspielen. Wahrscheinlich ist das doch eher der Hip Hop Lehrer, oder?
Noch bevor ich den Mund wieder zubekomme, beginnt auch schon der Kurs und fordert uns mental ebenso wie körperlich. Sonderklasse Standard – das vergessen wir jetzt mal ganz schnell. So mal eben reißen wir diesen komischen 4-Schritte-Disco Charles gerade nicht ab. Eher im Gegenteil. Ich fasse es nicht.
Und dann passiert etwas, womit ich im Leben nicht gerechnet habe. Dieses beschwingte Gefühl, diese Mischung aus tänzerischem Vergnügen und geselligem Miteinander, alles ist urplötzlich wieder da. Und das Erstaunlichste schlechthin: Ich befinde mich seither in einer Deja-vu-Dauerschleife von guten Gefühlen - und möchte da auch gar nicht mehr raus. Das Tanzen ohne Turniere, ohne Wertungsrichter und ohne Stress ist das, was es auch schon mit 16 für mich war: Lebensfreude pur – oder wie es unser Tanztrainer Patrick auf eine Wand geschrieben hat „Tanzen ist wie Träumen mit den Füßen“.

Inzwischen ist beinahe ein Jahr vergangen. Dem Disco Charles Workshop folgte ein Salsa Kurs, an den ein Disko Fox Kurs angehängt wurde, dann etwas Standard und ein klein wenig Latein. Ja, und dann nahm das ‚Drama’ seinen völlig ungeplanten Lauf , weil wir es plötzlich nicht mehr ausbremsen konnten. Inzwischen haben wir einen ganzen Sommer vertanzt, indem wir täglich 2-3 Stunden Workshops mitgemacht haben, während andere ihren Grill anwarfen oder auf ihrer Sonnenliege dösten. Ich habe mir sogar ein Dirndl ausgeliehen, um auf dem Oktoberfest der Tanzschule nicht aus der Reihe zu tanzen. Und ich habe sogar bei einem Disco Fox Benefizturnier mitgetanzt. Jemals wieder ein Turnier zu tanzen, war bis dato das Allerletzte, was ich mir je hätte vorstellen können. Und bevor ich es vergesse: auch wenn ich hier immer im Singular schreibe, meine ich natürlich den Mann an meiner Seite gleichwohl. Dieser fühlte sich anscheinend im Tanzgeschehen sofort so wohl, dass er binnen kürzester Zeit eine Tanz-Flatrate für uns gebucht hat. Sie wussten nicht, dass es so etwas gibt? Ich auch nicht! Aber irgendwie will der Spaß ja nicht enden - und für dererlei gibt es dann Möglichkeiten - eine Flatrate halt!

Die Menschen, mit denen ich meine tänzerische Freizeit verbringe, sind soetwas von nett, dass ich mir schon die Frage stelle, ob da ein Zusammenhang besteht? Ob generell nur nette Menschen tanzen? Aber weil sie alle so nett sind, kann ich etwas auch nicht zum Ausdruck bringen, was ich zu gerne sagen würde. Etwas, das mich stört, was ich gerne anders hätte. Manchmal möchte ich es nahezu lauthals von mir geben. Und zwar, dass unterschiedliche Tanzfähigkeit nichts mit dem legendären ‚Tanz-Gen’ zu tun hat. Sondern? Ganz einfach: Es hat mit den Schuhen zu tun! Niemand auf der ganzen, großen Tanzwelt wird beschwingte, schöne Tanzbewegungen zustande bringen, wenn er diese in Turnschuhen, Sneakers oder Flipflops versucht. Profitänzer lassen wir jetzt mal außen vor. Tanzen hat mit Schwingen und mit Heben und Senken zu tun. Um das hinzubekommen, braucht man glatte Sohlen und etwas Absatz. So ist das! Aber, das muss jetzt eindeutig mal unter uns bleiben, nicht dass sich noch jemand bevormundet fühlt. Sie wissen ja: Es könnte alles so einfach sein…

Anmerkung:*„Sweetheart, Körbchen und Damensolo“ sind Namen von Schrittfolgen im Disco Fox.

http://www.tanzatelier-pompoes.de/
www.tanzen.de

Autor:

Vera Auffenberg aus Castrop-Rauxel

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